Kiebitz (Vanellus vanellus)

Das Verbreitungsgebiet des Kiebitzes erstreckt sich über nahezu ganz Europa. Nach Osten dehnt sich sein Brutareal bis in die Türkei, in den Nordwesten des Irans, nach Kasachstan, die Mongolei und den Norden Chinas aus. Die Überwinterungsgebiete des Kurzstreckenziehers liegen hauptsächlich küstennah in West- und Südwesteuropa, ihr Zugverhalten wird stark von der Winterkälte geprägt.

Kiebitz, Männchen
Kiebitz (Männchen), Foto: Bernhard Walter (Biologische Station)

Kiebitze brüten hauptsächlich in offenen, flachen Landschaften mit kurzem oder gar keinem Gras, auf Wiesen und Weiden, gerne an Gewässerrändern, auf Feuchtwiesen, Heiden und Mooren. Die überwiegende Anzahl (etwa 90 Prozent) brütet heute auf Ackerflächen (Getreide, Maisäcker, Ackerbrachen), vor allem, wenn sie in feuchten Auebereichen liegen.

Kiebitze sind sehr standorttreu, außerdem bleiben die Partner in der Regel ein Leben lang beieinander. Es kommt jedoch durchaus auch vor, dass ein Männchen mehrere Weibchen hat. Die Vögel brüten in der Regel bereits im zweiten Kalenderjahr und kommen zum Brüten meist an ihren eigenen Geburtsort zurück. Sobald es frostfrei ist, sind Kiebitze bereits ab März in ihren Brutrevieren anzutreffen. Nach der Ankunft bilden sie Territorien, die vom Männchen mit spektakulären Balzflügen markiert werden. Gleichwohl brüten Kiebitze gerne kolonieartig in lockerer Nachbarschaft untereinander. In solchen Gruppen sind sie sehr gut in der Lage, gemeinschaftlich Feinde, vor allen Dingen aus der Luft, zu vertreiben. Da jedoch in den zunehmend schlechter geeigneten Biotopen größere Kolonien immer seltener werden und die meisten Kiebitze vereinzelt brüten, sind sie inzwischen nicht mehr so wehrhaft wie früher.

Zum Brüten legt das Männchen mehrere Nestmulden am Boden an, die mit Halmen und anderen Pflanzenteilen ausgepolstert werden. Das Weibchen inspiziert diese Nestmulden und legt in das von ihr ausgewählte Nest meist 4 Eier. Die Eier werden von beiden Eltern 21 bis 28 Tage bebrütet. Während dieser Zeit wird das Nest von beiden Altvögeln vehement gegen Räuber (Prädatoren) wie beispielsweise Fuchs, Marder, Waschbär und Krähen verteidigt. Ist die Brutkolonie allerdings zu klein, sind die Kiebitze oft nicht wehrhaft genug. Wird das Nest durch Räuber zerstört und ist es noch nicht zu spät in der Saison, so legt das Weibchen bis zu 2 Ersatzgelege. Die Küken verlassen bereits wenige Stunden nach dem Schlüpfen das Nest. Danach werden die Jungen noch etwa 35 Tage von den Eltern geführt bis ihr Federkleid vollständig ausgebildet ist und sie flugfähig sind.

Nahrung
Kiebitze ernähren sich von Insekten und deren Larven, Würmern und anderen Wirbellosen, die sie vom Boden aufnehmen. Oft kann man Kiebitze dabei beobachten, wie sie mit einem Fuß auf den Boden trommeln, um Würmer zum Verlassen ihrer Röhren zu bewegen. Pflanzliche Stoffe spielen nur eine untergeordnete Rolle. Gelegentlich werden Samen vom Boden aufgepickt. Kiebitze sind tag- und nachtaktiv, manche Vögel fressen sogar vorwiegend bei Nacht.

Bestände und Bedrohung
Die Bestände des Kiebitz unterliegen auf Grund von Witterungseinflüssen starken natürlichen Bestandsschwankungen. Kalte Winter und feuchte Frühjahre führen regelmäßig zu Einbrüchen bei den Populationen.

Bereits im 19. Jahrhundert kam es u.a. in Deutschland zu erheblichen Bestandsrückgängen. Später kam es regional wieder zu starken Bestandszunahmen, die bis in die 1970er Jahre anhielten. Zu der Bestandserholung trug bei, dass Kiebitze zunehmend auf Agrarflächen brüteten und wärmere Frühlinge zu geringeren witterungsbedingten Gelegeverlusten führten. Mit der vor allem seit den 1980er Jahren weiter zunehmenden Intensivierung der Landwirtschaft gingen jedoch immer mehr Bruthabitate verloren. So betrug der Bestand in Deutschland um 1999 nur noch 60 Prozent des Bestandes von 1975.

NRW beherbergt heute fast ein Viertel des deutschen Brutbestands. Nach der Roten Liste NRW (2016) gilt der Kiebitz als stark gefährdete Art.
Als Brutvogel kommt der Kiebitz in NRW im Tiefland fast flächendeckend vor. Die Verbreitungsschwerpunkte liegen im Münsterland, in der Hellwegbörde sowie am Niederrhein. Höhere Mittelgebirgslagen sind unbesiedelt. Nach einem erheblichen Rückgang seit den 1970er-Jahren hatten sich die Bestände zwischenzeitlich stabilisiert. Aktuell wird erneut ein starker Rückgang festgestellt. Der Gesamtbestand wird auf weniger als 12.000 Brutpaare geschätzt (2015).


Die Verbreitung des Kiebitzes im Kreis Gütersloh ist zuletzt im Rahmen der Wiesenvogelkartierung 2016 durch die Biologische Station Gütersloh/Bielefeld e.V. dokumentiert worden. Dabei wurden insgesamt 637 Paare für den Kreis erfasst. Innerhalb von 10 Jahren ist der Bestand um 50% zurückgegangen. Auch in der Stadt Gütersloh hat sich der Kiebitzbestand in den letzten 20 Jahren mehr als halbiert. Seit den 1990er Jahren ist er im Stadtgebiet von maximal 143 Paaren drastisch gesunken, hat sich bei erkennbaren Schwankungen in den letzten Jahren aber bei im Mittel 40 Paaren stabilisiert 2022 wurden stadtweit noch 36 Kiebitzpaare erfasst. Der Reproduktionserfolg war 2022 sehr schlecht und lag weit unter dem zur Erhaltung der Population erforderlichen Wert. Wenn diese Entwicklung weiter anhält, wird der Kiebitz in den 10 Jahren ganz aus Gütersloh verschwunden sein.

Die Ursachen für den dramatischen Einbruch der Bestände sind sehr vielfältig. Die stärkste Beeinträchtigung geht von der zu intensiven Nutzung landwirtschaftlicher Flächen aus (u.a. frühe und häufige Ackerbearbeitung und Grünlandschnitte, intensive Düngung, Gülle- und Pestizideinsatz, hohe Viehdichten, zu dichtes und hoch aufwachsendes Grünland). Der steigende Bedarf nachwachsender Rohstoffe für die Energieerzeugung lässt eine weitere Intensivierung der Landnutzung erwarten. Weitere Ursachen sind die Zerschneidung von Lebensräumen, der anhaltende Flächenverbrauch oder Störungen durch menschliche Freizeitaktivitäten. Ferner ist in vielen Gebieten der Reproduktionserfolg für den Bestandserhalt nicht ausreichend. Hinzu kommt eine hohe Mortalität in den Durchzugs- und Überwinterungsgebieten. Allein in Frankreich werden pro Jahr legal über 400.000 Kiebitze geschossen.

Kiebitzküken
Kiebitz-Küken, Foto: Andreas Schäfferling

Schutzmaßnahmen
Zur Erhaltung der verbliebenen Restbestände des Kiebitzes ist ein konzertiertes „Rettungsprogramm“ dringend erforderlich. Dazu ist es zum einen notwendig, Nester auf landwirtschaftlich genutzten Flächen zu markieren und zu schützen. Hierbei werden die Nester ungefähr fünf Meter vor und hinter dem Nest in Bearbeitungsrichtung mit Holzstäben markiert und können dann bei der Bodenbearbeitung ausgespart werden. Bei der Frühjahrsbestellung der Äcker sollten die Arbeitsschritte zeitnah erfolgen, um die Störung der Kiebitze so gering wie möglich zu halten. Zum anderen müssen Nahrungs- und Versteckflächen für die flügge gewordenen Jungvögel vorhanden sein. Als Nestflüchter verlassen die Kiebitzjunge ("Pullis") das Nest direkt nach dem Schlüpfen. Besonders auf krautreichen Ackerrändern finden sie insektenreiche Nahrung und Schutz vor Räubern (Prädatoren). Solche Flächen müssen groß genug sein (mindestens 5000 Quadratmeter), zu schmale Flächen können zur Falle werden, da sich Prädatoren von den Rändern heranschleichen.

Durch Aufklärungsarbeit und Beratung soll erreicht werden, dass bei der Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen in stärkerem Maße Rücksicht auf die Bedürfnisse der brütenden Kiebitze genommen wird. „In bekannten Kiebitz-Brutgebieten sollten keine Aufforstungen durchgeführt oder Baumreihen gepflanzt werden, da Kiebitze ausreichend große und freie Flächen benötigen. Während der Zeit der Jungenaufzucht (März bis Juni) sollten Randstreifen an Äckern nicht mit bearbeitet oder ausgemäht werden, um Verluste zu vermeiden. In Einzelfällen können stillgelegte Ackerbrachen vor der Brutsaison umgebrochen und damit für den Kiebitz attraktiv gemacht werden.

Stadt Gütersloh startet Pilotprojekt „Kiebitznotfallprogramm“
Die Stadt Gütersloh hat 2022 begonnen, den Kiebitzschutz zu intensivieren und hat zusammen mit der Biologischen Station Gütersloh/Bielefeld e.V. und der Unteren Naturschutzbehörde das Pilotprojekt „Kiebitznotfallprogramm“ gestartet.

Schon seit vielen Jahre arbeitet die Stadt mit der Biologischen Station Gütersloh/Bielefeld e.V. für den Schutz des Kiebitzes zusammen. Um einen Bruterfolg zu erzielen, der die Gütersloher Kiebitzpopulation erhält, werden die Schutzmaßnahmen seit 2022 intensiviert. Ergänzend zu den bisherigen Aufgaben

  • Erfassung der Kiebitze im Stadtgebiet von Gütersloh
  • Kontaktaufnahme - Aufklärungsarbeit und Beratung - mit den bewirtschaftenden Landwirten
  • Markierung von Kiebitzgelegen

werden seit 2022 zusätzlich Fördermittel an die Landwirte für vorab abgestimmte und umgesetzte Kiebitzschutzmaßnahmen ausgezahlt, die nicht durch den Vertragsnaturschutz abgedeckt werden können.
Gleichzeitig wurde im Rahmen des Prädatorenmanagements 2023 ein Elektrozaun um eine Kiebitz-Fläche in Gütersloh aufgestellt, da hier in 2022 trotz der zahlreichen Brutpaare und der Schutzmaßnahmen durch den Landwirt ein hoher Prädationsdruck auf die Küken den Reproduktionserfolg zunichtegemacht hatte.

Der orangene Elektrozaun soll die auf dem Acker brütenden Kiebitze vor Bodenprädatoren schützen
Der orangene Elektrozaun soll die auf dem Acker brütenden Kiebitze vor Bodenprädatoren schützen, Foto: Melissa Balkenohl

Fördermaßnahmen für Feldvögel im Kreis Gütersloh

Sonstiges
Die Stadt Gütersloh ist seit 2022 Mitglied der AG Kiebitzschutz des Nabu
(https://lapwingconservation.org/). Ziele der AG sind u.a. die Schaffung eines bundesweiten Kiebitzschutz-Netzwerkes durch den regelmäßigen fachlichen Austausch von lokalen Initiativen sowie Akteurinnen und Akteuren innerhalb und außerhalb des NABU, die Schaffung einheitlicher Standards zur Ermittlung von Reproduktionserfolgen von Kiebitzen und die Öffentlichkeitsarbeit zum Kiebitzschutz.

Quellen:

  • Biologische Station Gütersloh/Bielefeld e.V. (2023): Kiebitz (Vanellus vanellus), in: Artenschutzhandbuch Kreis Gütersloh, https://biostationgt-bi.de/artenschutz/index.php?page=1&category=1&id=15 [05.04.2023]
  • Lapwingconservation.org (2023): Kiebitz, https://lapwingconservation.org/kiebitz/ [05.04.2023]
  • Biologische Station Gütersloh/Bielefeld e.V. (2016): Wiesenvogelkartierung 2016 im Kreis Gütersloh und der Stadt Bielefeld, unveröffentlichtes Manuskript
  • Grüneberg,C., S.R. Sudmann et al. (2013): Die Brutvögel Nordrhein-Westfalens, 2013, Nordrhein-Westfälische Ornithologengeselschaft e.V. und Landesamt für Umwelt, Natur und Verbraucherschutz NRW (Hrsg.), LWL-Museum für Naturkunde, Münster
  • Grüneberg, C., S.R. Sudmann, F. Herhaus, P. Herkenrath, M.M. Jöbges, H. König, K. Nottmeyer, K. Schidelko, M. Schmitz, W. Schubert, D. Stiels & J. Weiss (2016): Rote Liste der Brutvogelarten Nordrhein-Westfalens, 6. Fassung, Stand: Juni 2016.
    Charadrius 52: 1-66.
 
 
 

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