Station 10: Meiers Mühle
Meiers Mühle ist wohl nicht nur die bekannteste Mühle, sondern auch der älteste Mühlenstandort in Gütersloh. Bereits um 800 soll es an dieser Stelle ein großes Gehöft mit Mühle gegeben haben, in der die benachbarten Bauern ihre Ernte mahlen ließen. Diese Hofstelle "Meier zu Gütersloh" war die Keimzelle der heutigen Stadt. Um die 1082 erstmals erwähnte Kirche, die heutige Apostelkirche, hatte sich eine kleine gewerblich orientierte Ansiedlung entwickelt.
Die Mühle liegt an Thesings Allee und ist über die Linden-/Neuenkirchener Straße direkt erreichbar. Auch wenn der Promenadenweg hier nicht unmittelbar entlang der Dalke verläuft, gelangt man vom Stadtpark stadteinwärts über die Park- und Emilienstraße zu Meiers Mühle.
Die Mühle wurde über Jahrhunderte als Mahlmühle für Getreide betrieben. Später wurde noch eine Bokemühle für die Verarbeitung von Hanf angelegt. Obwohl die Mühle 1933 nahezu vollständig abgebrannt ist, wurde sie noch im selben Jahr im alten Stil neu aufgebaut. Die Giebelwinkelung wurde gegenüber dem ursprünglichen Erscheinungsbild ein wenig verändert und eine kleinere Dachgaube über 2 Stockwerke gehend ausgebaut. Ansonsten entspricht das heutige Gebäude im Wesentlichen der alten Mühle.
Der Wassererlebnispfad Dalke befasst sich an dieser Station nicht nur mit der Geschichte der Mühle. Hier soll auch ganz generell auf das Thema Mühlen und ihre Bedeutung für die Stadtgeschichte eingegangen werden.
Ferner gibt es einen Bericht über die um 1850 unterhalb des Wehrs eingerichtete erste Gütersloher „Freibadeanstalt“.
Die Umweltstiftung Gütersloh bedankt sich bei der Sparda-Bank Hannover-Stiftung/Sparda-Bank Gütersloh für die finanzielle Unterstützung, mit der die Herstellung und Montage einer Info-Tafel vor Ort ermöglicht wurde.
Foto: Rudolf Herrmann, Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Bildautors
Zur Geschichte von Meiers Mühle
Die sogenannte Meiers oder Thesings Mühle, an der Thesings Allee zu Gütersloh direkt an der Dalke gelegen, ist die älteste Mühle in Gütersloh. Wegen ihrer Zugehörigkeit zum Meierhof wurde sie "Meiers Mühle" genannt. Der zweite Name, unter dem sie bekannt ist ,"Thesings Mühle" leitet sich von ihren späteren Besitzern, dem Rentmeister Georg Dietrich Thesing (1757-1832) und seiner Ehefrau Charlotte Friederike Thesing (1779-1854), her.
Um das Jahr 800 wurde das ehemals sächsische Territorium in das Frankenreich Karls des Großen eingegliedert. Vor diesem Hintergrund ordnen einzelne Stimmen den Ursprung des Meierhofs Gütersloh in diese Zeit ein. Kaiser Karl ließ bereits 794/812 im Capitulare de villis schriftlich festhalten, dass alle königlichen Güter mit einer Wassermühle ausgestattet sein sollten. Daher erscheint es naheliegend, dass die Mühle des Meierhofes ebenfalls zu dieser Zeit entstanden ist. Nur mit einer eigenen Mühle war der Hof unabhängig. Eine urkundliche Bestätigung dieser Annahme findet sich heute jedoch nicht mehr.
Der Meierhof gehörte ursprünglich zum Tafelgut (Grundbesitz, der zur Grundversorgung eines Grundherrn dient) des Bistums Osnabrück. Auf dem Boden dieses Hofes wurde bald eine villication, eine kleine Handwerkssiedlung, gegründet. Die nur wenige Hundert Meter entfernt liegende heutige Apostelkirche wird bereits 1082 urkundlich genannt. Erste erhaltene urkundliche Erwähnungen des bischöflichen Hofes finden sich im 12. und 13. Jahrhundert. Anfang des 12. Jahrhunderts schenkte Bischof Gottschalk von Osnabrück (1110-1118) dem Kloster Herzebrock einen Zehnten von 10 Schillingen aus Gütern in Gütersloh. Im Jahre 1201 tritt ein Theodericus villicus als Zeuge in einer Urkunde auf. Dieselbe Urkunde führt erstmals Gütersloh als Parochie (Pfarrgemeinde, Kirchspiel) auf. Als sich die Zehntner von Gütersloh im Jahre 1229 weigerten, den schuldigen Zehnten an das Herzebrocker Kloster zu entrichten, wurden sie vor dem Sendgericht angeklagt. Eine Urkunde der Äbtissin Floria von Herzebrock hält fest, dass die Schuldner die Zehnten, die Bischof Gottschalk von Osnabrück dem Kloster geschenkt hatte, am St. Jakobstag (25.Juli) zu zahlen hatten. Als Zeugen der Beurkundung werden "Teodericus sacerdos (Priester) de Guterslo, Lutbertus de Avenstrot ... et tota parrochia (die ganze Gemeinde) de Guterslo" genannt. Vor dem 28. September 1241 übertrug Bischof Engelbert von Osnabrück "mit Zustimmung seines Kapitels und des Rates weiser Leute den Hof Gütersloh" an die Zisterzienserabtei Marienfeld. Er tauschte den Hof gegen "Scipvelt" genannte Äcker in Wiedenbrück und 20 Mark ein. Zwar behielt sich Bischof Engelbert ein Rücktauschrecht vor, jedoch machte er davon keinen Gebrauch. Bis zur Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts befand sich der Meierhof mit allem Zubehör einschließlich der Wassermühle im Besitz des Klosters Marienfeld.
Erst Anfang des 15. Jahrhunderts findet sich ein schriftlicher Beleg für eine Wassermühle auf dem Meierhof zu Gütersloh. Das Kloster Marienfeld ließ damals eine neue Wassermühle an der Dalke errichten. In der Kornmühle wurde das Korn des Meierhofes und zum Teil der umliegenden Bauernschaften gemahlen, die zum Bistum Osnabrück gehörten. Mit dem Bielefelder Rezess von 1565 gliederten sich die Herrschaftsverhältnisse um Gütersloh neu. Jetzt wurde verbindlich festgelegt, welche Mühle die Bewohner nutzen durften. Das Dorf Gütersloh gehörte zur Herrschaft Rheda und dementsprechend mussten sich die Dorfbewohner an die gräfliche Mühle Avenstroth wenden.
Die Meier des Hofes betrieben die Mühle als Hofmühle zunächst selbst, das heißt sie beauftragten einen Müller mit dem täglichen Geschäft. Später vergaben sie den Betrieb zur Bewirtschaftung an einen Pächter. Bis zur Säkularisation und zum Ende der Eigenbehörigkeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts bestand eine Abgabepflicht des Hofes sowohl gegenüber der Herrschaft Rheda als auch dem Bistum Osnabrück als Grundherrn. Eine Heberolle aus dem Jahre 1456, die die Zehnten und andere Einkünfte der Kornschreiberei umfasst, führt für den Meierhof Gütersloh folgende Lieferungen auf: 3 Malter Weizen, 2 Malter Gerste Wiedenbrücker Maß (52,38 Kilogramm) und außerdem viereinhalb Malter Weizen desselben Maßes, zusammen siebeneinhalb Malter Weizen (244,725 Kilogramm). Ein allgemeines Register des Klosters Marienfeld aus dem Jahre 1634 nennt für die Mühle an Abgaben: einen Gulden für die Kellerei, eine Mark und ein Schwein für das Kammerhaus sowie im Herbst 20 Hühner für das Gasthaus.
Während der Zeit des dreißigjährigen Krieges baten der "villicus" (Meier) von Gütersloh wie auch die anderen Steuerpflichtigen des Ortes um Steuerermäßigungen aufgrund der hohen Belastungen, die die durchziehenden Truppenverbände verursachten. Von 1623 bis 1648 zogen ständig Truppen der verschiedenen Kriegsparteien durch das Kirchspiel. Neben Kriegsabgaben musste die Bevölkerung Heu für Pferde und Vieh sowie Proviant für die Soldaten zur Verfügung stellen. Bereits 1625 baten sie deshalb ihren Landesherrn zu Rheda um Steuererleichterung. Im Jahre 1644 gehörte der Meier zu Gütersloh zu dem Kreis der Steuerpflichtigen, denen die Steuern erlassen wurden.
Besondere Vorrechte des Meierhofes stellte der Hagener Rezess von 1655 heraus. Der Vertrag regelte die umstrittenen kirchlichen Verhältnisse. Damit begann das Simultaneum in Gütersloh. Der Hagener Rezess legte unter anderem fest, dass das Getreide der beiden Pastorate im Kirchspiel Gütersloh in Meiers Mühle kostenlos gemahlen werden musste. Im Gegenzug brauchten der Meier, seine Familie und sein Gesinde kein Beichtgeld zu bezahlen. Bei Todesfällen stand dem Hof ein besonderes Geläut zu und der Pastor holte mit Schulkindern den Leichnam feierlich vom Meierhof ab.
Seit 1655 bzw. 1665 ist die Familie Drewer als Meier auf dem Hof nachweisbar. 1801 erwarb der letzte Meier Johann Wilhelm Christoph Drewer das Gut vom Marienfelder Konvent unter der Leitung von Abt Petrus von Hatzfeld. Im Rahmen der Säkularisation 1803 wurde der Vertrag von der Königlich-Preußischen Regierung angefochten. Drewers Schwiegersohn, Rentmeister Georg Dietrich Thesing (1757-1832), erstritt vor Gericht die Gültigkeit des Kaufvertrages. Nachdem das Ehepaar Georg Dietrich und Charlotte Friederike Thesing die Mühle im Jahre 1812 übernommen hatte, hieß sie fortan auch Thesings Mühle.
Zur Mühlenanlage gehörte neben einer Kornmühle auch eine Bokemühle zum Schlagen von Hanf oder Flachs. Zu welcher Zeit die Bokemühle eingerichtet wurde, ist nicht nachweisbar. Da sich auf dem Grund des Meierhofes eine Villication befand, erscheint es naheliegend, dass die Bokemühle bereits relativ frühzeitig entstanden ist. Akten aus dem Jahre 1725 enthalten eine Kostenaufstellung des "zur Erneuerung des Gebälkes und der Fundamente der Bokemühle" verwendeten Materials. Grundakten des Jahres 1825 und eine Gewerbesteuerermittlung von 1829 führen die Bokemühle noch auf.
1830 pachtete Heinrich Dodt aus Laer die Mühle. Eine Lokomobile mit einer Leistung von sechs atü wurde eingebaut und bei Wassermangel eingesetzt. Spätestens 1851 wurde die Bokemühle stillgelegt. In dem Gebäude wurde eine Webschule eingerichtet. 1913 löste eine 24 PS Francis-Schacht-Turbine die Wasserräder ab. Auch wurden die Mühlsteine durch moderne Walzenstühle ersetzt. Als Pächter wird in dieser Zeit H. Baumeister genannt. Um 1920 ist Müllermeister Strothmann erwähnt, der bereits in den 1890er Jahren die Mühle gepachtet hatte. 1933 brannte die Mühle ab. Nach ihrem Wiederaufbau pachtete W. Bentlage die Mühle. In seine Pachtzeit fiel der Einbau eines zusätzlichen Dieselmotors, der die Leistung der Mühle deutlich erhöhte. Als letzter Müller übernahm Müllermeister Otto Hollmann im Jahre 1950 Thesings Mühle. Weitere bauliche Veränderungen im Dachbereich wurden vorgenommen. So wurde die 1933 hinzugefügte Dachgaube über 2 Stockwerke vergrößert und mit 2 Türen eine direkte Beschickung der Dachböden von außen ermöglicht. Auf dem unteren tragenden Balken findet sich die Inschrift: ZWEI LEBENSSTÜTZEN BRECHEN NIE, GEBET UND ARBEIT HEISSEN SIE. Auf der gegenüberliegenden Dachseite wurden 2 langgestreckte Dachgauben eingesetzt.
Nachdem der Mühlenbetrieb 1955 eingestellt worden war, wurde das Gebäude an den Futtermittelhändler Kerkhoff vermietet. Diesem folgte 1960 ein Reifenvulkanisierbetrieb. 1973 wurde die landwirtschaftliche Nutzung des Meierhofs eingestellt. Von 1972 bis 1985 nutzte die Galerie Kunze die Mühle für Ausstellungszwecke. Im Jahre 1985 wurde das Anwesen unter Denkmalschutz gestellt. Nach einem vorübergehenden Leerstand bezog das Fotostudio Clemens 1993 einen Teil der Räume in Thesings Mühle. Noch heute befindet sich der traditionsreiche Meierhof im Eigentum der Familie Merklinghaus, den Nachkommen der Familien Drewer/Thesing.
Quellennachweis:
- Westfälisches Urkundenbuch. Fortsetzung von Erhard's Regesta Historiae Westfaliae, hg. von dem Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, Band III: Die Urkunden Westfalens vom J. 1201-1300, Erste Abteilung: Die Urkunden des Bistums Münster von 1201-1250, unter besonderer Mitwirkung des Dr. Ludwig Perger bearb. von Dr. Roger Wilmans, Münster 1859.
- Osnabrücker Urkundenbuch, bearb. und hg. von F. Philippi, Band I: Die Urkunden der Jahre 772-1200, Osnabrück 1892.
- Darpe, Franz, Codex Traditionum Westfalicarum, V: Ägidii-Kloster, Kapitel an der St. Ludgeri- und Martini -Kirche u. St. Georgs-Kommende in Münster, Kloster Vinnenberg, Marienfeld u. Liesborn, Münster 1900.
- Die Badeanstalt bei Meiers Mühle, in: Gütersloher Zeitung, 10.7.1920.
- Vahrenhold, Wilhelm, Kloster Marienfeld. Besitz und Wirtschaftsgeschichte des Zisterzienserklosters Marienfeld in Westfalen (1185-1456), Warendorf 1966. (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Warendorf, 4)
- Nur eine Galgenfrist nach dem Schadenfeuer von 1933?, in: Neue Westfälische, 4. Januar 1988.
- Aus der Geschichte der Gütersloher Wassermühlen: Die Mühle des Meiers zu Gütersloh ("Meiers Mühle") im ehemaligen Kirchspiel Gütersloh, Bauerschaft Sundern, Haus Nr. 1, heute Lindenstraße 16, zusammengestellt von Heinrich Kornfeld, hg. vom Heimatverein Gütersloh, ohne Ort [Gütersloh] 1996.
- Stadtarchiv Gütersloh, Ordner: Fotoausstellung des Bürgervereins Sundern. Sundern im Wandel der Zeit, 1999.
- Geschichte der Stadt Gütersloh, hg. von Werner Freitag, Bielefeld ²2003.
- Bürgerverein Sundern (Hg.), Sunderaner Geschichten. Entwicklung einer Gütersloher Bauerschaft, zweite, erweiterte Auflage, Bielefeld 2008.
Autorin und Bildredaktion: Elisabeth Sommer, Historikerin, Gütersloh
http://www.esommerhistorikerin.de/services/index.html
Weiteres aus der Vergangenheit von Meiers Mühle
Vertiefende Einblicke in die Geschichte von Meiers Mühle bieten die folgenden Kapitel:
Zur Familiengeschichte des Meiers zu Gütersloh, 1600-2011
Welche Familien in den ersten Jahrhunderten den Meierhof zu Sundern innehatten, überliefern uns die Quellen nicht. Der in einer Urkunde von 1201 des Bischofs von Osnabrück einmal genannte Theodericus villicus lässt sich keiner Familie zuordnen. Anfänglich war das Meieramt nicht erblich, so dass in regelmäßigen Abständen die Meier gewechselt haben dürften. Wie die Familie Drewer als Meier auf den Marienfelder Hof zu Gütersloh gekommen ist, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Einen Hinweis gibt eine noch heute erhaltene Kirchenbank der Familie. Die Inschrift von 1655 "Albert von Drewer und Benedictina Lepper ietzo Meier und Meiersche derer Gotteshäuser zu Marienfeld und Rittershausen ..." weist auf eine eheliche Verbindung zwischen den Familien Drewer und Lepper hin. Andere Quellen nennen Albert Drewer (um 1635-1689) als Ehemann von Margreta Viehmeier. Albert Drewer war der Sohn des Meiers zu Drewer in Schildesche (heute ein Ortsteil von Bielefeld). Aufgrund der Heirat mit der Anerbin Margreta Viehmeyer habe dieser am 2. August 1665 dem Kloster Marienfeld 200 Taler für die Einheirat auf dem Meierhof und seinen Amtsantritt als Meier zu Gütersloh gezahlt, die sogenannte Auffahrt. Demnach kamen der Hof zu Sundern und das erbliche Amt durch die Heirat mit Margreta Viehmeier an die Familie Drewer. Welche der beiden Möglichkeiten der Wahrheit entspricht, muss an dieser Stelle offen bleiben. Fest steht dagegen, dass Wilm Johann Caspar Drewer (um 1672-1703), der Sohn von genanntem Albert Drewer, seinem Vater im Amt des Meiers auf dem Gütersloher Hof nachfolgte.
Die weiteren Meier der Familie Drewer waren:
Wilm Johann Caspar Drewer (um 1672-1703) ∞ Agnesa Bödecker (1671-1702)
Wilhelm Johann Christoffel Drewer (1700, † vor 1744) ∞ Anna Catharina Piepenbrock (1700-1780).
Johann Wilhelm Christoph Drewer (1741-1812) ∞ Anna Sophia Schulze (1751-1784)
Charlotte Friederike Drewer (1779-1854) ∞ Georg Dietrich Thesing (1757-1832)
In fortgeschrittenem Alter zog Meier J. W. Christoph Drewer (1741-1812) den hannoveranischen Rentmeister Thesing mit zur Verwaltung des Meierhofes heran. 1801 heiratete Georg Dietrich Thesing die zweitälteste Tochter des Gütersloher Meiers und Anerbin des Meierhofes Charlotte Friederike Drewer. Parallel zur familiären Bindung des Rentmeisters an den Gütersloher Meier, besorgte Georg Dietrich Thesings seinem Schwiegervater das erforderliche Geld, um den Hof noch im selben Jahr vom Kloster Marienfeld freikaufen zu können. Als der Verkauf im Zusammenhang mit der Säkularisation (Einziehung geistlicher Besitzungen / Kirchengüter) im Jahre 1803 angefochten wurde, setzte Rentmeister Thesing vor Gericht die Anerkennung des Kaufvertrages von 1801 durch.
Mit der Übernahme des Meierhofes durch Charlotte Friederike Thesing, geborene Drewer, änderte sich auch der Name für die Mühle. Neben die althergebrachte Bezeichnung Meiers Mühle trat jetzt die neue Bezeichnung Thesings Mühle.
Georg Dietrich Thesing widmete sich auch nach dem Erbfall weiterhin seinen Aufgaben als Königlich Hannoverscher Rentmeister auf Gut Palsterkamp (zwischen Rothenfelde und Dissen gelegen). Seine Ehefrau Charlotte Friederike Thesing leitete den Gütersloher Meierhof. Als Pensionär lebte Thesing mit seiner Familie noch einige Jahre auf dem Hof zu Gütersloh. Nach seinem Tod wohnten seine Witwe und ihre Kinder Dietrich und Emilie weiterhin auf dem Meierhof. Beide Geschwister blieben unverheiratet und kinderlos. Dietrich Thesing (1806-1850) verstarb bereits zu Lebzeiten seiner Mutter, so dass seine Schwester Emilie den Familienbesitz zu Gütersloh im Jahre 1854 allein erbte.
Ebenso wie ihre Mutter lehnte es Emilie Thesing anfänglich entschieden ab, der Übertragung von Grundstücken der Landgemeinde an die Stadt zuzustimmen. Die Neuzuordnung bedeutete eine Erhöhung des Steuersatzes für die betroffenen Grundstücke. Erst nach jahrzehntelangem Streit änderte sie ihre Meinung und im Jahre 1865 erklärte sie sich mit der Eingliederung eines Teiles ihres Grundbesitzes in die Stadt einverstanden. Zu ihrem Sinneswandel führte offenbar die mit diesem Schritt ebenfalls verbundene Wertsteigerung der Grundstücke. So notierte die Stadtchronik, dass sie "den Werth des zu Bauplätzen zu verkaufenden Grund und Bodens des Meierhofes ... zu schätzen" wisse.
Nach nur 2 Generationen starb dieser Zweig der Familie Thesing bereits aus. Sollte der alte Meierhof dennoch in der Familie Drewer/Thesing bleiben, bot sich die Übergabe des Erbes an die Familie Merklinghaus an. Emilie Thesings Neffe Konrad Merklinghaus war sowohl über die Linie Thesing wie auch über die Linie Drewer mit der Erblasserin verwandtschaftlich verbunden.
Der Übergang Thesing-Merklinghaus:
Emilie Thesing (1803-1878)
Siegfried Carl Conrad Friedrich Merklinghaus (1867-1946) ∞ Clara Wilhelmine Charlotte Schnittger (1874-1947)
Conrad Merklinghaus (1900-1973) ∞ Elisabeth Reinicke (1902-1977)
Emilie Thesing (1803-1878) vermachte ihren Besitz ihrem Großneffen Siegfried Carl Conrad Friedrich Merklinghaus (1867-1946), der zu dem Zeitpunkt erst 11 Jahre alt war. Zuletzt führte dessen Sohn Conrad Merklinghaus (1900-1973) den Meierhof mit der zugehörigen Mühle fort. Mit seinem Tod endete im Jahre 1973 die landwirtschaftliche Nutzung des Meierhofes. Die Mühle war bereits 1955 stillgelegt worden. Auf den ehemaligen Äckern des Meierhofes entstanden unter anderem das Villenviertel und der Stadtpark, das Evangelisch-Stiftische Gymnasium, das Städtische Krankenhaus Gütersloh und eine große Zahl von Wohnhäusern. Das verbliebene Anwesen mit dem eindrucksvollen Herrenhaus am Rande des Stadtparks befindet sich noch heute im Besitz der Familie Merklinghaus.
Quellennachweis:
Mein besonderer Dank gilt Wilfried Strothotte, der mir freundlicherweise seine genealogischen Forschungen zur Familie Drewer/Thesing/Merklinghaus zur Verwendung überließ. Website: www.stroth-otte.de.
350 Jahr Feier der Familie des Gütersloher Meierhofs Thesing-Merklinghaus, in: Gütersloher Zeitung, 22.07.1912.
Unter Meiers Bäumen. Begebenheiten um den Drewer'schen Meierhof. Dargestellt aus Gütersloher Familienpapieren von Einem auf Suche nach der alten Zeit, Gütersloh 1972.
Geschichte der Stadt Gütersloh, hg. von Werner Freitag, Bielefeld ²2003.
http://www.rsehk.schulen-gt.de/testweb/Daten/THESING.htm
Der dritte Kornmahlgang, 1825-1833
Im Sommer 1825 beantragte Rentmeister Georg Dietrich Thesing die Genehmigung, seine Kornmühle in Gütersloh um einen dritten Mahlgang erweitern zu dürfen. Entsprechend den Vorschriften wurde das Vorhaben den benachbarten Grundbesitzern bekannt gemacht. Weder bei der Königlich Preußischen Regierung zu Minden noch beim Landrat zu Wiedenbrück wurden Widersprüche gegen das Projekt vorgebracht, so dass die Genehmigung erteilt werden konnte. Am 17. Juli 1825 genehmigte der zuständige Beamte der Königlichen Regierung, Abteilung des Inneren, die Einrichtung eines dritten Mahlganges an Meiers Mühle. Rentmeister Thesing musste lediglich 2 Bedingungen erfüllen: a) Der bisherige Wasserstand und die Höhe des Aufstaues durfte nicht verändert werden und b) musste der Antragsteller auf eigene Kosten einen Merkpfahl setzen lassen.
Im Mai 1829 verfasste der Gütersloher Bürgermeister Hermann Christian Haege im Rahmen der Neuberechnung der Gewerbesteuer einen kurzen Bericht. Demnach besaß Thesings Mühle 3 unterschlächtige Wasserräder für Mehlmahlgänge, davon 2 mit eigenem Gerinne, sowie ein oberschlächtiges Wasserrad mit 6 Löchern und eigenem Gerinne für die Bokemühle mit 6 Stampfern. Bei ordnungsgemäßer Nutzung des Wasserflusses reichte derselbe nur zum Betriebe von 2 Gängen, wovon nur der eine das ganze Jahr hindurch, der andere nur in den Wintermonaten und in den Sommermonaten gar nicht benutzt werden konnte. Diese Angaben vom Eigentümer und vom Pächter der Mühle bestätigten die Nachbarn wie auch die Ortskenntnisse des Bürgermeisters, der seit 17 Jahren in Gütersloh ansässig sei. Dementsprechend setzte Bürgermeister Haege die Gewerbesteuer für den ersten Mahlgang auf 12 und die beiden übrigen Gänge zusammen auf 4 Taler, insgesamt also 16 Taler pro Jahr fest.
Offenbar machte Rentmeister Thesing von der Erlaubnis, einen dritten Mahlgang anlegen zu dürfen, zu Lebzeiten keinen Gebrauch mehr. Das hält zumindest ein Schreiben von Bürgermeister Haege an den Königlich-Preußischen Landrat und Ritter, Herrn vorn Trzebiatowski, von September 1833 fest. Am 7. Oktober desselben Jahres wies ein Brief der Inneren Abteilung der Königlichen Regierung zu Minden den Landrat an, alles Weitere zu veranlassen, dass die Witwe Thesing den dritten Mahlgang einrichte. Sollte Charlotte Friederike Thesing geborene Drewer der Verfügung nicht bis zum 1. Mai 1836 nachgekommen sein, verfalle die entsprechende Concession aus dem Jahre 1825.
Quellennachweis:
Kreisarchiv Gütersloh, Nr. 527.
Ein neuer Konkurrent, 1844-1851
Im Juni 1844 erreichte den Königlich-Preußischen Landrat Trzebiatowski zu Wiedenbrück ein Schreiben des Lohgerbers Schröder zu Kattenstroth. Der Lohgerbereibesitzer bat darum, die Genehmigung zur Anlage einer Lohmühle an der Dalke (in Höhe der heutigen Wiesenstraße) zu beschleunigen. Nach der öffentlichen Ankündigung des Projektes hatten mehrere Bürger Widersprüche gegen das Vorhaben eingereicht. Die Witwe des Rentmeisters Thesing, der Magistrat, der Kuper Oester und der Lohgerber Hülsmann aus Gütersloh sowie der Böttcher Heumann aus Kattenstroth verlangten die Ablehnung des Antrages. Das Verfahren verzögerte die Genehmigung der Lohmühle erheblich. Unter anderem wurde zur Klärung der Verhältnisse vor Ort ein wassertechnisches Gutachten eingeholt.
Das hydrotechnische Gutachten vom 25. Mai 1845 wies auf die Gefahr einer Versandung des Bachbettes hin, die eine Beeinträchtigung des Betriebes der Thesingschen Mühle zur Folge hätte. Solle eine Störung des genannten Mühlenbetriebes vermieden werden, müssten bestimmte Richtlinien eingehalten werden. So dürfe die Stauhöhe an der beabsichtigten Schröderschen Mühle einen Fuß, 11 Zoll und 5 Linien (0,61 Meter) nicht überschreiten. Die Flutschützen müssten um 9 Zoll (23,54 Zentimeter) tiefer gelegt werden, die Freigerinne müssten jeweils 20 Fuß (6,27 Meter) breit sein. Zusätzlich dürfe das Bachbett zwischen beiden Mühlen nicht durch Sand oder Grundeis aufgehöht werden.
Der Lohgerber Schröder erhielt am 7. Mai 1846 die Erlaubnis auf seinem Grundstück eine Lohmühle anzulegen. Ein weiterer Widerspruch gegen die Entscheidung der Königlichen Regierung zu Minden seitens der Witwe Charlotte Friederike Thesing beim Ministerium des Inneren und beim Finanzministerium zu Berlin scheiterte.
Im Juli 1851 beantragte der Lohgerber Dietrich Schröder zu Kattenstroth, an seiner Mühle 2 Kornmahlgänge einrichten zu dürfen. 7 Personen - darunter wie bereits zuvor die Witwe Thesing - legten Protest ein. Die Widersprüche wurden abgewiesen, teils wegen Fristüberschreitung, teils aus formaljuristischen Gründen. Die Witwe Thesing hatte nicht gegen die neu genehmigten 2 Kornmahlgänge geklagt, sondern gegen die bereits früher erteilte Konzession für die Anlegung einer Mühle überhaupt. Am 1. September 1851 - nach nur circa 6 Wochen - erhielt der Lohgerber die erforderliche Konzession. Damit fand sich nun an der Dalke eine weitere Getreidemühle im Stadtgebiet, in der die Leute ihr Korn mahlen lassen konnten.
Quellennachweis:
Staatsarchiv NRW, Detmold, M 1 I U, Nr. 640.
Die Webschule, 1851-1855
Spätestens 1851 war die Bokemühle von Meiers Mühle stillgelegt worden. Das Gebäude befand sich am linken Ufer der Dalke. Vorübergehend nutzte eine Webschule den Raum. Dem Curatorium der Schule gehörten im Jahre 1851 der Amtmann und frühere Bürgermeister Hermann Christian Haege und die Kaufleute August Niemöller junior, W. Bartels junior und Ludwig August Greve an. Sie ließen in der ehemaligen Bokemühle einen Webstuhl der Berliner Maschinenfabrik Schwarze aufstellen, der zuvor in einer Herforder Webschule gestanden hatte. Angetrieben wurde der Webstuhl über einen Leder-Flachriemen vom Mahlgetriebe der Kornmühle her. Der Riemen führte über das Wehr herüber. Eine Holzverkleidung schützte den Lederriemen vor starken Witterungseinflüssen.
1853 errichteten die Gebrüder Niemöller in dem Gebäude eine Zwirnfabrik, die jedoch nach nur 2 Jahren wieder geschlossen wurde. Anschließend arbeitete dort eine Nesselweberei, die Garne aus Brennnesselfasern herstellte, wiederum mit angeschlossener Webschule.
Quellennachweis:
Stadtarchiv Gütersloh, Sammlung Kornfeld.
Eine Badeanstalt am Mühlenkolk, 1920
Bereits um 1850 wurde im Mühlenkolk von Meiers Mühle die erste Gütersloher Freibadeanstalt eröffnet. Der Kolk war hinter dem Wehr tief genug, um darin schwimmen zu können. Den Badegästen standen 3 Wasserstuben - Klassen oder Abteilungen genannt - zur Auswahl. Erwachsene konnten alle 3 Stuben benutzen, für Kinder waren die zweite oder dritte Klasse bestimmt. Erwachsene bezahlten einen Silbergroschen (10 Pfennige), Kinder 5 Pfennige. Oben in der Kleiderstube zogen sich die Badenden ihre Badesachen an, bevor sie eine kleine Treppe hinunter ins Wasser gingen. Auf unterschiedlichen Stufen hingen Fußböden im Wasser. In der tiefsten und längsten Wasserstube (erste Klasse) rauschte ein unterschlächtiges Wasserrad. Die Wellen in dem sogenannten Wellenbad waren so stark, dass sie für Kinder gefährlich waren. Selbst Erwachsene mussten sich an den Seitenstangen sehr gut festhalten, um nicht umgeworfen zu werden. Den meisten Badenden bereitete es aber stets ein besonderes Vergnügen, wenn ihnen das Mühlenrad die Wellen tosend und schäumend über den Rücken warf. Die Kinder besuchten zumeist die zweite und dritte Klasse. Dort vergnügten sie sich im seichten Wasser. Die Badeanstalt lag idyllisch an der Dalke unter hohen Bäumen umgeben von weiten Kornfeldern. Abends konnte man von dort aus dem Baden der Pferde hinter dem Badehäuschen zusehen.
Meiers Mühle brennt, 1933
Am 20. März 1933, abends um 10.23 Uhr meldete Siegfried Merklinghaus ein Feuer in seiner Mühle. Siegfried Merklinghaus war am späten Abend gerade aus der Stadt zurückgekehrt, als er einen Feuerschein hinter den Fenstern der Mühle bemerkte. Sofort alarmierte er Polizei und Feuerwehr. Die Bewohner der Mühle wurden von dem Feuer im Schlaf überrascht. Manche flüchteten vor den schnell um sich greifenden Flammen durch die Fenster ins Freie. Wenig später erreichte die Feuerwehr die Brandstelle. Das Dachgeschoss mit den darin befindlichen Mühlenräumen stand bereits lichterloh in Flammen. Eine Rettung des Gebäudes war kaum noch möglich.
Mit 2 Schlauchleitungen sollte Wasser in die Automobilspritze gegeben werden. Aus nicht geklärten Gründen fiel die Automobilspritze jedoch aus: sie sog das Wasser nicht an. Sofort wurde die Lafettenspritze eingesetzt, die ebenfalls versagte. Erst nachdem die dritte Motorspritze herangeholt worden war, konnte das Feuer mit Wasser aus 2 weiteren Schlauchleitungen bekämpft werden. Auf Wunsch des Wohnungsinhabers bemühte sich die Feuerwehr vor allem, den Brand von den rechtsseitig liegenden Wohnräumen fernzuhalten. Zwar litten die Innenräume sehr durch das Wasser, aber die dort aufbewahrten Papiere und mehrere wertvolle Gegenstände konnten gerettet werden. Das Feuer hatte die Mühle völlig zerstört. Der Wohntrakt wurde ebenfalls sehr stark beschädigt und unbewohnbar. Die Brandursache ließ sich damals nicht feststellen. Es wurde auch eine Untersuchung eingeleitet; um das Versagen der beiden Spritzen zu klären. Schließlich konnte auch Sabotage nicht im Vorhinein ausgeschlossen werden. Der Vorfall war umso unerklärlicher, als die Gerätschaften täglich auf ihre Funktionstüchtigkeit hin überprüft wurden.
Fast 350 Jahre befand sich Meiers Mühle im Besitz der Familie Drewer-Thesing-Merklinghaus, bis 1801 als Meier des Klosters Marienfeld, später als Eigentümer. Deshalb ließ Siegfried Merklinghaus die Mühle aus persönlichem Interesse heraus fast originalgetreu wieder aufbauen. Das neue Gebäude wich im Wesentlichen nur durch eine etwas erhöhte Giebelpartie und eine Dachgaube von seiner bisherigen Gestalt ab. So erstand Meiers Mühle, wie die Gütersloher Zeitung schrieb, erneut "als ... ein Stück alter Romantik mitten in einer Zeit modernster Sachlichkeit."
Quellennachweis:
Feuer in der Stadt. Thesings Mühle brannte, in: Gütersloher Zeitung, 49. Jahrgang, 21.3.1933.
Ein altes Mühlrad geht nicht mehr..., in: Gütersloher Zeitung, 49. Jahrgang, 22.3.1933.
Unter Meiers Bäumen ... Ein Heimatidyll lebt wieder auf. Das neue Gesicht einer alten Mühle, in: Gütersloher Zeitung vom 1.9.1933.
Autorin und Bildredaktion: Elisabeth Sommer, Historikerin, Gütersloh
http://www.esommerhistorikerin.de/services/index.html
Der Meierhof und die Anfänge von Gütersloh
Das "Dorf Gütersloh" bildet durch seine zentrale Lage die Keimzelle der heutigen Stadt. Von hier ging die Entwicklung vom Heidedorf zu einem heute mehr als 100.000 Einwohner zählenden Mittelzentrum aus, obwohl die Fläche des Dorfes im Vergleich zu den umliegenden Bauerschaften sehr klein war. Über die Bedeutung des Namens Gütersloh gehen die Meinungen auseinander; von den meisten wird der Ort als "lichter Wald des Gutheri" benannt.
Fest steht jedenfalls, dass Gütersloh zum ersten Mal im Jahr 1184 in einer Urkunde des Bischofs von Osnabrück erwähnt wurde. Etwas später bezeichnete die Äbtissin des Klosters Herzebrock in einer Urkunde die Bewohner des Dorfes als „fleißige Männer von Gütersloh“ (1229). Die Ersterwähnung des Meierhofes zu Gütersloh fällt ins Jahr 1241 und bestätigt durch diese frühe Nennung die Bedeutung für den Ort. Es bestand eine direkte Wegeverbindung vom Meierhof zur heutigen Apostelkirche.
Im 14. Jahrhundert entstanden im Dorf Gütersloh die ersten Häuser am sogenannten „Domhof“, das heißt im Umkreis des Pfarrhofes, weitere wurden an den Zufahrten zum Kirchhof errichtet. Den ersten großflächigen Schaden nahm das Dorf im Jahr 1410, als gewappnete Ritter brandschatzend durch das Land zogen und auch die Kirche einäscherten. Ab 1514 wird dann wieder von einem Bau des Dorfes berichtet, die ersten Speicher rings um die Kirche entstanden um 1520. 10 Jahre später wurde vom Landesherrn der erste Rhedaer Vogt in Gütersloh eingesetzt, von 1532 datiert das Zuschlagregister des Grafen von Rheda, mit dem die Abgabepflichten der Dorfbewohner festgelegt wurden. Diese Auflistung fiel sehr übersichtlich aus, da Gütersloh zu diesem Zeitpunkt gerade 29 Einwohner zählte.
Mit dem Bielefelder Rezeß vom 27.03.1565 wurde die Zugehörigkeit des Dorfes Gütersloh zur Herrschaft Rheda bestätigt. Durch die anschließende Grenzfestlegung im Vertrag von Wiedenbrück sowie späterer Veränderungen kommt es dazu, dass der Meierhof heute auf dem Gebiet der ehemaligen Bauerschaft Sundern liegt. Geblieben ist allerdings die Hausnummer: aus dem Vollerbenhof Sundern Nummer 1 wurde die Anschrift Thesings Allee 1.
Eine lange Tradition - Wassermühlen an der Dalke
Vom Frühmittelalter bis heute gibt es im Stadtgebiet von Gütersloh an der Dalke Wassermühlen. Auf dem Höhepunkt der wirtschaftlichen Entwicklung dieses Gewerbezweiges in der Mitte des 19. Jahrhunderts arbeiteten 8 Mühlen gleichzeitig. Bei 7 Mühlen handelte es sich um Getreidemühlen, denen zum Teil auch Boke-, Loh- oder Ölmühlen angeschlossen waren. Nur Amtenbrinks Mühle war nach heutigem Kenntnisstand eine reine Sägemühle.
Nachfolgend werden verschiedene Aspekte rund um Wassermühlen angesprochen, die einen über die einzelne Mühle hinausgehenden Charakter haben. Dabei reicht die Bandbreite der Themen von den Ursprüngen des Müllergewerbes über die rechtlichen Rahmenbedingungen seit dem Mittelalter und die Arbeitswirklichkeit in der Mühle bis hin zur wirtschaftlichen Entwicklung bis heute.
Die Ursprünge des Müllergewerbes
Zu den ersten Höfen im Bereich des Gütersloher Dorfes, die über eine Wassermühle verfügten, gehörten der Meierhof (Thesings Allee/Ecke Lindenstraße) und der Hof Avenstroth (Parkstraße/Ecke Buschstraße). Beide Höfe lassen ihre Ursprünge im sechsten bis achten Jahrhundert nach Christi Geburt vermuten. Bereits im Frühmittelalter (400-900 nach Christus) wurde die Wasserkraft von verschiedenen handwerklichen Gewerben für einzelne Arbeitsgänge eingesetzt. Unter anderem gab es neben Getreidemühlen Bokemühlen zum Zerkleinern von Hanf und Flachs, Lohmühlen zur Verarbeitung von Eichenrinde, Ölmühlen, Knochen- und Sägemühlen sowie Seifenmühlen zum Waschen von Leinen.
Ursprünglich wurde das Getreide mit der Hand auf Reib- und Drehsteinen gemahlen. Diese Tätigkeit gehörte zu den Aufgaben der Frauen. Mit der Ausbreitung der Wassermühlen wurde das Mahlen aus dem hauswirtschaftlichen Bereich herausgelöst. Es entstand ein eigenständiges Müllergewerbe, das von Männern betrieben wurde. Größere Mengen an Getreide wurden fortan vom Müller und seinen Knechten gemahlen. Daneben blieben jedoch Handmühlen für den häuslichen Gebrauch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts weit verbreitet.
Grundherrschaft und Mühlenzwang
Im neunten Jahrhundert fielen die Höfe in dem sächsischen Heide- und Ödlandgebiet an das Bistum Osnabrück, das im Jahre 780 von Kaiser Karl dem Großen (747-814) zur Sachsenmission gegründet worden war. Seit der ehemalige Leiter der Wiedenbrücker Missionsstation - entweder Meingoz (Bischof von Osnabrück, 805-829) oder Gebwin (Bischof von Osnabrück, 829-834) - zum Bischof von Osnabrück aufgestiegen war, gehörten die Güter der christlichen Niederlassung in der Grenzmark zum bischöflichen Mensalgut.
Kaiser Karl der Große stellte die Mühlen in seinem Reich unter königlichen bzw. kaiserlichen Schutz. Für sie galt seitdem ein besonderes Friedensrecht. Ein bewaffneter Angriff auf eine Mühle war bei Strafe verboten. Dennoch waren Mühlen in Kriegszeiten ein bevorzugtes Ziel für die angreifenden Truppen: Die eigenen Vorräte konnten aufgestockt werden, und mit ihrer Zerstörung wurde die Nahrungsmittelversorgung des Gegners empfindlich gestört. So schützte das Friedensrecht auch die Neue Mühle nicht, als der Streit zwischen Graf Franz von Waldeck, Fürstbischof von Osnabrück, und Graf Konrad von Tecklenburg-Schwerin und Herr zu Rheda (1493-1557) im Jahre 1549 zu einer Fehde eskalierte. Osnabrücker Truppen brandschatzten die Neue Mühle. Die wenige Jahre zuvor errichtete Wassermühle wurde völlig zerstört und erst 1565 wieder aufgebaut.
Im Jahre 1158 erließ Kaiser Friedrich I. Barbarossa (nach 1122 - 1190) das sogenannte Mühlenregal. Dieser kaiserliche Erlass betonte das Recht zum Bau und Betrieb von Mühlen seitens des jeweiligen Landesherrn. Ergänzend weitete Kaiser Friedrich I. das zunächst dem Hochadel vorbehaltene Mühlenrecht auf den niederen Adel aus. Jetzt konnten auch Ritter als Grundherrn eine Mühle betreiben. Der Grundherr bewirtschaftete die Mühlen mit Hilfe von Eigenbehörigen oder verlieh seinerseits den Städten oder Gemeinden das Recht zum Bau und Betrieb einer Mühle. Als Gegenleistung erhielt er einen jährlich zu zahlenden Mühlenzins. Die meisten Mühlen besaßen Bann- und Zwangsrechte. Der Mühlenbann oder Mahlzwang verpflichtete alle Bewohner eines festgelegten Bezirkes, ihr Getreide ausschließlich in der ihm zugewiesenen Mühle mahlen zu lassen.
Der Mühlenvogt überwachte die Einhaltung des Mahlzwanges. Er trieb von den Bauern Strafgelder ein, wenn sie beim falschen Müller mahlen ließen. Die mittelalterliche Wirtschaftsordnung hatte alles geregelt: Die Anzahl der Mühlen war infolge des Mühlenregals begrenzt; der Mahlzwang brachte den Müllern einen festen Kundenkreis; der Mahllohn und die fällige Abgabe des Müllers an den Grundherrn waren ebenfalls festgesetzt. Da dem Müller infolge des Mahlzwanges ein fester Kundenstamm garantiert war, hatte er häufig kein Interesse an technischem Fortschritt oder an der Lieferung möglichst hochwertiger Produkte. Was die Qualität des Mahlgutes betraf, reichte es manchem Müller, sich nicht strafbar zu machen. Die Zahl möglicher Vergehen war groß: unter anderem Beimengung von Fremdstoffen, z. B. kleinen Steinen, und eine zu hoch bemessene Abgabe an den Müller, die dieser direkt vom Mahlgut einbehielt. Vor diesem Hintergrund und weil das Müllereigewerbe nicht wie andere Handwerke in Zünften organisiert war, galt es vielerorts als unehrlich.
Mülleralltag
Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein war eine Mühle eine Einheit aus „Werkstatt“ und Wohngebäude. Sobald die Mühle lief, ließen die Bewegungen der Mühlräder und der Mühlsteine das gesamte Gebäude erzittern. Die einträglichsten Zeiten für den Müller waren das Frühjahr und der Herbst. Kam es in diesen Monaten durch widrige Umstände, z. B. einem Radbruch, zum Stillstand der Mühle, führte das für den Müller zu großen finanziellen Verlusten. Den Arbeitsausfall konnte er nicht mehr nachholen, weil die Mahlgäste sofort auf eine andere Mühle auswichen. Fehlte im Sommer das Wasser oder hinderte zu starker Eisgang im Winter den Betrieb, stand die Mühle ohnehin still.
Wenn genügend Wasser vorhanden war, um die Mühle zu betreiben, lief sie in der Regel Tag und Nacht. Manche Mühlen wurden in der Mahlsaison gar nicht geschlossen. Sie blieben die ganze Nacht hindurch und an Sonn- und Feiertagen für die Kunden geöffnet. Obwohl die christliche Kirche großen Wert auf die Einhaltung der sonntäglichen Arbeitsruhe legte, gestattete sie hier eine Ausnahme: Die Bedeutung des Mühlengewerbes für die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung war zu groß.
Der eigentliche Arbeitstag des Müllers begann im Sommer früh morgens um 4 Uhr, im Winter um 6 Uhr und dauerte bis in den späten Abend. Die Arbeit in der Mühle war körperlich sehr anstrengend und führte auch in früheren Zeiten häufig zu berufstypischen Krankheiten. Taubheit und ständige Ohrgeräusche (Tinnitus) aufgrund der stets lauten Geräuschkulisse waren keine Seltenheit. Eine Quelle aus dem Jahre 1585 spricht außerdem von Gesundheitsproblemen, die durch die „Feuchtigkeit des Wassers“ hervorgerufen wurden. Diese sei „nicht allezeit gesund, sondern erwecket ihnen [den Müllern und seinen Knechten, ergänzt von Ilka Göbel] allerhandt (...) Hauptwehe [Kopfschmerzen, ergänzt von I. G.], Zahnwehe, Bauchwehe vnnd stirbt mancher im ersten Jahr, da er in die Mühlen kommen, von wegen der Infection, so beydes von aussen hero, vnn auch in den Mühlen selbst entstehet.“[1]
[1] Garzoni, Thomas, Piazza Universale. Das ist: Allgemeiner Schawplatz, Marckt und Zusammenkunfft aller Professionen, Künsten, Geschäfften, Händeln und Handt-Wercken, Frankfurt/Main 1641, Seite 634, zitiert nach Göbel, Ilka, Die Mühle in der Stadt. Müllerhandwerk in Göttingen, Hameln und Hildesheim vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert, Bielefeld 1993 (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen, 31), Seite 186. Das Werk wurde erstmals 1585 gedruckt und erschien bis ins 17. Jahrhundert in mehreren Auflagen, unter anderem auch in deutscher Übersetzung.
Die Mühle bedurfte der steten Aufmerksamkeit des Müllers und seiner Knechte. Immer musste jemand in erreichbarer Nähe sein. Sobald der Mühlentrichter, der sogenannte Rumpf, leer wurde, musste neues Getreide hineingeschüttet werden. Liefen die Mahlsteine auch nur kurzzeitig ohne Mahlgut gegeneinander, nahmen sie infolge der direkten Reibung sofort Schaden.
Die Müllerfamilie, die Mühlenknechte und das Gesinde für Haus und Vieh lebten als Hausgemeinschaft, die sogenannte Familie, zusammen in der Mühle. Verstarb der Müller, führte seine Witwe den Mühlenbetrieb weiter, bis sie die Mühle einem ihrer Söhne übergeben konnte. Um die Pacht während dieser Zeit halten zu können, nahm sie häufig einen neuen Ehemann, der gemeinsam mit ihr als Pächter gegenüber dem Grundherrn auftrat.
Zur Rentabilität der Mühlen
Für seine Tätigkeit bekam der Müller kein Geld, sondern einen Anteil am Mahlgut, die sogenannte Multer. Sie betrug ein Zwölftel bis ein Achtzehntel des Mahlgutes. Bei der hohen Beanspruchung des Materials, nicht zuletzt auch wegen des engen Kontakts zum Wasser, gab es immer irgendwelche Schäden an der Mühleneinrichtung. So mussten neben dem eigentlichen Mahlgeschäft ständig Reparaturen und Instandhaltungsarbeiten an der Mühle, dem Wasserrad oder am Stauwehr durchgeführt werden. Einen großen Bereich umfassten auch Maßnahmen an der Uferbefestigung und dem Bett des Wasserlaufs. Diese pflegerischen Aufgaben übertrugen die Eigentümer in der Regel ihren Mühlenpächtern. In Gütersloh waren die Mühlenbesitzer unter anderem verpflichtet, das Flussbett der Dalke bis hin zur nächsten flussaufwärts gelegenen Mühle vor Versandungen frei zu halten. Es war auch darauf zu achten, dass der Wasserspiegel nicht über ein gewisses Maß hinaus anstieg, sonst drohte ungewollt eine weitläufige Überschwemmung der angrenzenden Äcker und Wiesen. Im Zweifel konnten hier Schadenersatzansprüche und Gerichtskosten auf den verantwortlichen Müller zukommen.
Üblicherweise führten die Müller mit Hilfe ihrer Knechte alle Instandhaltungsarbeiten soweit wie möglich selbst aus. Dennoch fielen immer wieder Kosten für die Mühle an, sodass die Müller „stets den Geldbeutel bereit halten“ mussten. Selten arbeitete eine Mühle wirklich rentabel. Die Müller waren meistens gezwungen, sich andere Einkunftsmöglichkeiten zu erschließen und die Kosten so gering wie nur möglich zu halten. Häufig betrieben die Mühlenpächter einen größeren landwirtschaftlichen Betrieb, z. B. Neue Mühle oder Ruthmanns Mühle, oder wie im Falle der erst sehr spät errichteten Schröder'schen Mühle, später Barkeys Mühle genannt, eine Gerberei. Regelmäßig finden sich in den Archivbeständen Bittbriefe, in denen die Müller den Mühlenbesitzer um Nachlass der Pacht ersuchen. Als Ursache für ihre Zahlungsengpässe gaben die Pächter stets hohe Reparaturkosten oder widrige Witterungsbedingungen an.
Von der Kundenmüllerei zur Tauschmüllerei
Vom Frühmittelalter bis ins 19. Jahrhundert hinein arbeiteten die Müller nach dem Prinzip der sogenannten Kunden- oder Lohnmüllerei. Bei der Kundenmüllerei brachte der Bauer, Bäcker oder Brauer das Getreide zur Mühle und wartete, bis er es anschließend in gemahlenem Zustand wieder in Empfang nehmen konnte. Verfügte die Mühle über einen Warteraum, behinderten die Kunden den Müller und seine Knechte bei der Arbeit kaum. In manchen Mühlen bot ein Fenster zum Mühlenraum den Kunden Sichtkontakt zum Mahlgeschehen, und mancherorts konnte der Warteraum im Winter sogar beheizt werden. Die im 19. Jahrhundert eingeführte Tauschmüllerei ermöglichte eine bessere Nutzung der Mühlenkapazität. Bei diesem Verfahren bekam der Kunde nicht mehr das Mehl seines eigenen Getreides, sondern Mehl aus mühleneigener Bevorratung ausgehändigt. Die Tauschmüllerei beseitigte jedoch nicht die Nachteile des Mühlenbannes. Sie ersparte den Kunden lediglich das Warten auf sein Mahlgut.
Industrialisierung im Mühlengewerbe
Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es für die Müller kaum Anreize die Mühlentechnik zu verbessern. Als am 28. Oktober 1810 der Mühlenbann in Preußen durch ein Edikt aufgehoben wurde, konnten die ehemaligen Mahlgenossen ihre Mühle frei wählen. Mit der neuen Gewerbefreiheit mussten sich die Müller auf dem sich langsam verändernden „Markt“ behaupten.
Die etwa seit Mitte des 19. Jahrhunderts beginnende Industrialisierung trug auch zu neuen technischen Entwicklungen in den traditionellen Handwerken bei. Die Dampfschifffahrt und der expandierende Eisenbahn- und Straßenbau führten zu einer deutlichen Verbesserung der Verkehrs- und Transportverhältnisse. Dieses wiederum begünstigte den Ausbau des überregionalen Handels. Technische Veränderungen in den Getreidemühlen erhöhten die Effizienz der Mühlen. Dampfmühlen waren den traditionellen Wasser-, Wind- oder Tierkraftmühlen deutlich überlegen. Bereits um 1850 produzierte eine Dampfmühle einfachster Konstruktion in 24 Stunden circa 2 Tonnen Mehl, das war doppelt soviel wie eine Wassermühle vermahlen konnte, oder die sechsfache Menge, die eine von 2 Pferden betriebene Pferdemühle herstellte. Die Zahl der Dampfmühlen in Preußen stieg zwischen 1846 und 1861 von 125 auf 664. Gleichzeitig erhöhte sich die Leistungsfähigkeit der einzelnen Mühlen von 7,4 auf 12,2 PS. Dennoch war der Anteil der Dampfmühlen an den Getreidemühlen insgesamt mit 2,1 Prozent noch verschwindend gering. In Westfalen lag der Anteil 1861 mit 13,4 Prozent jedoch weit über dem Durchschnitt. Dort erzeugten 89 Mühlen 1.493 PS. Auch hinsichtlich der durchschnittlichen Leistungsfähigkeit pro Betrieb mit 16,8 PS und der Relation von 9,2 PS je 10.000 Einwohner fand sich Westfalen im Vergleich mit den anderen preußischen Provinzen mit großem Abstand an erster Stelle.
Mit der Industrialisierung einhergehend wuchs die Bevölkerung stark an. Lebten im Jahre 1818 im Dorf und Amt Gütersloh noch 4.805 Einwohner, erhöhte sich die Einwohnerzahl bis 1849/1852 auf circa 6.000. Bereits 1823 war zu den bereits bestehenden 4 Kornmühlen - Meyers Mühle, Avenstroths Mühle, Neue Mühle und Strangmühle - die in Avenwedde gelegene Ruthmanns Mühle hinzugekommen. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts zeigte sich, dass nur mit einer weiteren Mühle dem zunehmenden Mehlmangel in Gütersloh entgegenzuwirken war. 1853 wurde die kurz zuvor gegründete Schröder'sche Lohmühle in Kattenstroth um eine Getreidemühle erweitert. Als 1858 die Gebrüder Baumotte aus Sundern und der Verler Müller Katthöfer den Bau einer Getreidemühle wenig unterhalb der späteren Amtenbrinks Mühle beantragten, wurde dieses Vorhaben jedoch unter anderem mit dem Hinweis auf den fehlenden Bedarf abgelehnt. Erst 1867, als die Bevölkerung in Stadt und Amt Gütersloh bis auf 7.184 Einwohner angestiegen war, kam als weitere Getreidemühle die frühere Leinen-Seifenmühle des Colon Eikelmann an der Siekstraße zu Avenwedde im Amt Reckenberg hinzu.
Zunehmende Getreideeinfuhren aus Russland im 19. Jahrhundert und später aus den USA führten zur Entwicklung von Großmühlen. Die bisherige regionale Struktur des Müllergewerbes löste sich zusehends auf. Die Handelsmüllerei entstand. Dabei kaufte der Müller selbst Getreide und sorgte eigenständig für den Absatz seiner veredelten Produkte. Konsumveränderungen vom Roggen zum Weizen verstärkten die Nachfrage nach feineren Mehlen deutlich. Sowohl die Müller als auch die Bäcker sahen sich veranlasst, auf neue verfeinerte Produktionstechniken umzustellen. In Gütersloh trugen die Gebrüder Niemöller den Veränderungen Rechnung, indem sie 1856/57 Avenstroths Mühle zur Großmühle mit Dampfbetrieb ausbauten.
Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entwickelte sich aus der provinzorientierten Handelsmüllerei die überregionale Großmüllerei. Sie ergab sich aus einem betrieblichen Konzentrationsprozess, infolgedessen die Mehlversorgung die Provinzgrenzen überschritt. Um auch diesen Entwicklungsschritt an ihrem Gütersloher Standort mitgehen zu können, wollten die Gebrüder Niemöller ihre dortige Mühle nochmals vergrößern. Als die dafür notwendige erneute Erweiterung nicht möglich war, verlegten sie 1896 ihren Hauptsitz nach Dortmund, wo sie im Hafengebiet des Kanals schon länger eine weitere, bedeutend größere Mühle betrieben. Den Gütersloher Wassermühlen, die alle zu den Kleinbetrieben zählten, kam für das Gesamtgewerbe zu dieser Zeit bereits keinerlei Bedeutung mehr zu.
Mühlensterben im 20. Jahrhundert
An der Wende zum 20. Jahrhundert veränderten sich die Ernährungsgewohnheiten der Bevölkerung erneut. Anstelle von Getreideprodukten nahm der Verbrauch von Kartoffeln, Fleisch, Fett und Südfrüchten zu. Der rückläufige Verbrauch von Mühlenprodukten führte zu einer deutlichen Überkapazität der deutschen Mühlenwirtschaft.
Um die Mitte des 20. Jahrhunderts kam der seit langem sich hinziehende Niedergang der Kleinmüllerei zum Abschluss. Heute decken im Wesentlichen Großmühlen den Bedarf an Mühlenprodukten. Die einzige heute noch gewerblich arbeitende Gütersloher Mühle an der Dalke ist die inzwischen in den Besitz der Stadtwerke Gütersloh übergegangene Mühle Avenstroth. Auf Bestellung können Kunden dort noch heute kleinere Mengen Getreide mahlen lassen.
In Ruthmanns Mühle wie auch in Avenstroths Mühle gibt es bei besonderen Gelegenheiten und für Besuchergruppen nach Voranmeldung die Möglichkeit, den Mahlvorgang vom Korn zum Mehl vor Ort zu beobachten. Darüber hinaus dient die Wasserkraft der Dalke an Avenstroths, Meiers und an Ruthmanns Mühle der Erzeugung von elektrischer Energie.
Literaturnachweise:
Centrum Industriekultur Nürnberg (Hg.), Räder im Fluß. Die Geschichte der Nürnberger Mühlen, Nürnberg 1986.
Ellerbrock, Karl-Peter, Geschichte der deutschen Nahrungs- und Genußmittelindustrie. 1750-1914, Stuttgart 1993 (Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Beiheft 76).
Göbel, Ilka, Die Mühle in der Stadt. Müllerhandwerk in Göttingen, Hameln und Hildesheim vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert, Bielefeld 1993 (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen, 31).
Weitere Informationen zu den einzelnen Mühlen finden Sie in folgenden Beiträgen:
Eikelmanns Mühle
Ruthmanns Mühle
Strangmühle
Mühle Amtenbrink
Avenstroths Mühle
Meiers Mühle
Schröders bzw. Barkeys Mühle
Neue Mühle
Autorin und Bildredaktion: Elisabeth Sommer, Historikerin, Gütersloh
http://www.esommerhistorikerin.de/services/index.htm
Badeanstalt Meiers Mühle
Im 19. Jahrhundert war das Wasser der Dalke noch so sauber, dass man darin bedenkenlos baden konnte. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, war die Dalke für ein Bad aber nicht tief genug. Eine dieser Ausnahmen war der Mühlenkolk unterhalb des Stauwehres von Meiers Mühle.
Um 1850 (das genaue Jahr ist nicht bekannt) eröffnete der damalige Pächter und Betreiber der Mühle die erste offizielle Freibadeanstalt in Gütersloh. Den Badebetrieb beschreibt D. Traugott Hahn in dem 1919 erschienenen Buch „Aus meiner Jugendzeit“, in dem der Autor von seinen Gütersloher Eindrücken in den Jahren 1857 bis 1867 berichtet:
„Unterhalb der mächtigen, grünbemoosten Wasserräder lag das sogenannte Wellenbad, ein Bretterhäuschen mit 3 Abteilungen. Die erste Klasse lag dicht unterhalb der beiden großen Wasserräder. Wenn die Mühle im Gange war und das Wasser über die Räder strömte, sie bewegend, dann stürzte es in tosenden, schäumenden Wellen direkt ins Badehäuschen hinein. Im kleinen Vorraum jeder Abteilung oder Klasse kleidete man sich aus und stieg dann hinein in die Wellen, die in der ersten Abteilung so mächtig waren, dass man Kinder kaum hineinlassen durfte. Ein Erwachsener musste sich schon kräftig festhalten an den Seitenstangen, um nicht umgeworfen zu werden. Kinder konnten eigentlich nur in die zweite oder dritte Klasse kommen. Das Bad kostete einen Silbergroschen, für Kinder die Hälfte. Natürlich konnten wir diesen Genuss nur sehr selten haben.“
Das folgende Bild (das Datum der Aufnahme ist unbekannt) wurde aus dem Buch „Damals bei uns in Gütersloh“ – Hagen Kraak, Güth-Verlag, 1987, entnommen:
Im Sommer 1920 wurden umfangreiche Renovierungsarbeiten erforderlich. Mitglieder des Gütersloher Turnvereins setzten die alte Badeanstalt wieder instand. Die Uferböschungen wurden erneuert, das alte Badehaus hinter der Mühle umgebaut, Kleiderablagen angelegt und 2 Einzelzellen gebaut. Nur das Wellenstübchen mit dem Mühlrad blieb erhalten.
Um die Arbeiten ausführen zu können, musste das Flussbett zeitweilig trockengelegt werden. Zu diesem Zweck stellte Baumeister Struck eine Zentrifugalpumpe zur Verfügung. Freitag, den 16. Juli, begann ein Gefangenen-Kommando morgens um 8 Uhr, das Flussbett auszuschachten. Inspektor Korte leitete das Kommando. Abends gruben Mitglieder des Turnvereins bis zum Einbruch der Dunkelheit weiter Sand aus. Nur 2 Tage waren für diese schwere, umfangreiche Arbeit eingeplant. Anschließend bauten die Vereinsmitglieder einen Laufsteg, Treppen und Sprungbretter auf. Viele Abende setzten die Turner ihre Freizeit für die Renovierung der Badeanstalt ein. Die Leitung des Projektes lag in den Händen der Turnwarte Paul Pabst und Heinrich Henke. Müller Strothmann unterstützte sie hilfsbereit mit seinen Erfahrungen. Neben vielen Ungenannten half auch Hermann Bartels, ein langgedienter Soldat der kaiserlichen Marine, tatkräftig mit, "seinen Bütt" wieder aufzubauen.
Die "Schwimmanstalt" sollte nicht nur dem Turnverein dienen, sondern der gesamten Bürgerschaft zur Verfügung stehen. Erklärtes Ziel der Turner war es, der Stadt mit der Badeanstalt einen "Gesundheitsfaktor" zu bieten. Die Neueröffnung der Badeanstalt wurde wenig später in der Gütersloher Zeitung öffentlich bekannt gegeben. Jetzt konnten sich die Gütersloher wieder dem Badevergnügen hingeben. Wie lange die Badeanstalt bei Thesings Mühle bestand, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Eine Nachricht aus dem Jahre 1933 weist jedoch darauf hin, dass sie in dieser Zeit bereits seit längerem nicht mehr existierte.
Im einbrechenden Frühjahr gaben sich die älteren Jungen auf dem Mühlenkolk einem besonderen Spaß hin. Mit langen Bohnenstangen bewaffnet, bestiegen sie die gerade aufgebrochenen Eisschollen - manchmal sogar zu zweit - und fuhren auf dem Mühlenkolk umher. Unterhalb des Kolks war das Wasser so seicht, dass die Eisschollen nicht weggetrieben wurden. Die mutigsten Jungen lenkten ihre Schollen jedoch in die Wellen der Wasserräder hinein und trieben laut juchzend und heftig mit den Armen balancierend flussabwärts. So manch einer nahm dabei ein kaltes Bad. Nass wie ein Pudel schwammen sie ans Ufer, schüttelten sich und liefen schnell nach Hause, um sich umzuziehen. Zu ernsten Unglücksfällen kam es bei dem Unfug aber nicht.
Quellen:
- Hagen Kraak: Damals bei uns in Gütersloh, Güth-Verlag, 1987
- Gütersloh wie es war, Verlag Ludwig Flöttmann, 1968
- Gütersloher Zeitung vom 23.05.1890, 21.06.1891 und 05.06.1896
- Stadtarchiv Gütersloh
- Die Badeanstalt bei Meiers Mühle, in: Gütersloher Zeitung, 10.7.1920.
- Ein altes Mühlrad geht nicht mehr..., in: Gütersloher Zeitung, 49. Jahrgang, 22.3.1933.
- Unter Meiers Bäumen. Ein Heimatidyll lebt wieder auf. Das neue Gesicht einer alten Mühle, in: Gütersloher Zeitung vom 1.9.1933.
Kösters Flött - Ein vergessener Bachlauf in Gütersloh
Kösters Flött wie ihn unsere Vorfahren kannten, gibt es nicht mehr. (Flött = Flut oder Bach) Auf dem nachfolgenden Stadtplan von 1893 ist der ursprüngliche Verlauf des Gewässers in blau etwas dicker nachgezogen. Wie sich der anfangs offene Bachlauf verändert hat, ist mit den folgenden Plänen, Skizzen, Erläuterungen und Fotos belegt.
Nach einem Zeitungsbericht aus dem Jahr 1920 stammt der Name Kösters Flött von einem Flurstück im nördlichen Teil der Bauerschaft Nordhorn hinter der ehemaligen Seidenweberei der Gebrüder Bartels, das Kösters Kamp geheißen haben soll.
Wie auf dem Stadtplan von 1893 zu sehen ist, hatte der Bachlauf 2 Quellarme. Der obere Teil begann im Bereich Grüne-/Ackerstraße, der Nebenarm in Höhe der heutigen Firma Fricke an der Kaiserstr. Ende des 19. Jahrhunderts war es bis zur Mündung in die Dalke ein offener Wasserlauf, der ständig klares Wasser führte, das von den Frauen zum Spülen der Wäsche genutzt wurde. Die erste Verrohrung musste durchgeführt werden, als 1847 die Köln-Mindener Eisenbahn gebaut wurde, um diese im Bahnhofsbereich zu unterqueren. Eine weitere Verrohrung wurde erforderlich, als 1900 die Teutoburger Wald-Eisenbahn (TWE) mit ihrem Bahnhof zwischen der Staatsbahn und der Fleischwarenfabrik Gebrüder Wulfhorst (heute Postgelände) gebaut wurde. Als die Gebrüder Wulfhorst ihre Fabrikanlagen wesentlich vergrößerten, war auch auf diesem Gelände die Verlegung des Bachlaufs unter die Erde erforderlich.
Mit der weiter fortschreitenden Industrialisierung und der damit verbundenen Bautätigkeit im geschäftlichen und privaten Bereich wurde es erforderlich, den Bachlauf an vielen Stellen auf unterschiedlich langen Strecken unter die Erde zu legen oder eine Verlegung durchzuführen.
Kösters Flött diente auch dazu, aus verschiedenen Gräben Oberflächenwasser aufzunehmen. Eine fast 2 Kilometer lange Entwässerungsleitung der Reichsbahn wurde Anfang der 1920er Jahre bei der großen Erweiterung der Gütersloher Reichsbahnanlagen und der damit verbundenen Verlegung des gesamten Bahnhofs der TWE sowie die Verlegung der Streckenführung in Richtung Hövelhof gelegt.
Auf einem Plan, den die Eisenbahn-Bauabteilung im Mai 1922 aufgestellt hat, ist zu sehen, dass von der neu anzulegenden Unterführung Hülsbrockstraße in Eisenbahnkilometer 124,8 bis zur Unterquerung von Kösters Flött unter die Reichsbahn in Kilometer 126,760 (Höhe Wasserwerk am Langen Weg) eine Entwässerungsleitung für Regen- und Drainagewasser eingezeichnet ist. Hier wird das Wasser in Kösters Flött eingeleitet. (Auf dem Plan wird von der Unterführung am Hartsteinwerk gesprochen. Dies ist nur eine ungefähre Angabe, weil es zu der Zeit die Hülsbrockstrasse noch nicht gab, aber geplant war. KAR 1990 Stadtarchiv GT).
Eine weitere Entwässerungsleitung von der Unterführung Carl-Miele-Straße (im Plan noch Avenwedder Straße genannt) bis zur Eisenbahnbrücke der Dalke im Garten des heutigen Wohnparks Murken wurde ebenfalls gelegt und ist im oben genannten Plan verzeichnet. Eine wesentliche Änderung trat 1971 ein, die weiter unten beschrieben ist.
Kösters Flött war nach dem Zweiten Weltkrieg nach meiner und der Erinnerung weiterer Zeitzeugen an folgenden Stellen noch offen: Dr. Kranefuß-Straße, auf dem Gelände des Wasserwerks am Langen Weg, hinter der Spedition Titgemeyer an der Molkerei/Siegfriedstraße bis zur Einmündung in den Eselsbach.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ist er tiefer gelegt und dabei zum großen Teil verrohrt worden. Durch die Tieferlegung war es nicht mehr möglich, ihn direkt in die Dalke einmünden zu lassen, da der Wasserstand der Dalke durch den Stau an Meiers Mühle immer hoch ist. Deshalb wurde er an dieser Stelle Richtung Osten verlegt und unter die Dalke hindurch geführt und unmittelbar dahinter in den Eselsbach eingeleitet. (Siehe dazu die Skizze vom Juni 1951 und die Fotos vom Mai 2010).
Bis zu dieser Verlegung, dessen Termin nicht bekannt ist, wurde er hinter Meiers Wäldchen (am Tennisplatz gelegen) neben der Begräbnisstätte des Meierhofes direkt in die Dalke eingeführt. (siehe den Stadtplan von 1893).
Es folgen in zeitlicher Reihenfolge Pläne, Skizzen, Briefwechsel und Fotos, die diese Angaben verdeutlichen.
Abb.2: Kösters Flött unterquert in den 1880er Jahren auf dem obigen Plan den Bahnhof Gütersloh. Oben auf dem Grundstück Ludwig Güth, hinter dem Lokomotivschuppen und unterhalb der Bahnanlagen verläuft er in einem offenen Graben. Über dem Lokschuppen ist die Ladestrasse zu sehen, darüber der Parallelweg (heute Langer Weg).
Das Wasserwerk am Langen Weg ist zu der Zeit noch nicht gebaut.
Abb. 3: Kösters Flött auf einem Ausschnitt des Bahnhofplans von 1896. Das Städtische Wasserwerk am Langen Weg (früher Parallelweg) ist gebaut. Der erste Lokschuppen ist abgerissen und durch einen größeren am linken unteren Rand des Planes ersetzt. Rechts unten sind die letzten Meter der beiden Bahnsteige zu erkennen; sie waren circa 250 Meter lang und reichten vom Bahnübergang Kirchstraße bis etwa zum jetzigen Personentunnel des Bahnsteigzugangs. Heute unterquert Kösters Flött die circa 400 Meter langen und an anderer Stelle errichteten Bahnsteige.
Auf dem Stadtplan von 1893 unterquert der Bach die Eisenbahn diagonal. Dies stimmt nicht, er unterquert die Eisenbahn im rechten Winkel, wie auf den 3 Skizzen der Eisenbahn - angefertigt in den 1880er Jahren, 1896 und 1906 - zu sehen ist.
Unterhalb der Bahnanlagen kommt von rechts ein Graben, der im Bogen in Kösters Flött eingeführt wird. Von diesen Gräben gab es mehrere, die ihr Wasser an Kösters Flött abgaben. 1900 wurde hier der Bahnhof der Teutoburger Wald-Eisenbahn (TWE) angelegt, der ebenfalls unterquert werden musste.
Abb. 4: Kösters Flött (hier als Graben bezeichnet) im Jahr 1906 in Eisenbahnkilometer 126,760
Dies ist ein Ausschnitt aus der Längenmessung der Eisenbahn, auf der alle Bauten, Durchlässe und Signale mit genauer Kilometerangabe eingezeichnet sind. Der senkrechte Strich in der Mitte ist kein Gleis, sondern die Mitte des Bahnkörpers. Links ist der Lange Weg noch als „Längsweg“ eingetragen. Rechts die beiden Gleise der Teutoburger Wald-Eisenbahn (TWE) nach Hövelhof und Ibbenbüren. Daneben der gezeichnete Durchlass von Kösters Flött mit genauen Angaben der Maße. Die Höhe beträgt 1,20 Meter, die Breite 1,88 Meter.
Wo auf diesem Plan im oberen Teil die TWE eingezeichnet ist, befinden sich heute der Bahnsteig 1 und die Gleise 2 und 3 der Deutschen Bahn AG.
Auf dem aktuellen Kanalbestandsplan der Stadt vom Juni 2010 ist im Bereich des Bahnhofs eingetragen: „Alter gemauerter Kanal Kösters Flött“.
Abb. 5: Ein Gutachten zum Gefälle von Kösters Flött aus dem Jahr 1911. Hier wird festgestellt, dass Kösters Flött hinter dem Eisenbahndurchlass ein rückläufiges Gefälle hat. Vermutlich der Anlass, den Bachlauf tiefer zu legen. (Akte DS 2246 ST-Archiv Gütersloh)
Abb. 6: Dieser Plan (hier ein Ausschnitt) ist im Zuge der großen Bahnhofserweiterung 1922 von der Eisenbahn-Bauabteilung erstellt. Hier ist zu sehen, dass ein Entwässerungskanal der Reichsbahn vom Hartsteinwerk (neue Unterführung Hülsbrockstrasse in Eisenbahnkilometer 124,8) auf der Ladestrasse in der Nähe des Wasserwerks in Kösters Flött eingeleitet wird. Kösters Flött wird auf diesem Plan noch direkt in die Dalke eingeleitet, ohne den Umweg über den Eselsbach zu nehmen.
Die kleine Zeichenerklärung über dem Aufstellungsdatum lautet für den durchgezogenen Strich: „Flachliegender Kanal von der Unterführung beim Hartsteinwerk bis Kösters Flött“, für den unterbrochenen Strich: „Tiefliegender Kanal von der Unterführung der Avenwedder Straße (heute Carl-Miele-Straße) bis zur Dalke“.
(ganzer Plan im Stadtarchiv unter der Bezeichnung KAR 1990)
Abb. 7: Auf diesem Ausschnitt einer Skizze vom Juni 1951 ist zu erkennen, dass Kösters Flött zunächst unter die Dalke hindurchgeleitet und dann nach wenigen Metern nach links abknickt und in den Eselsbach geführt wird. Der Eselsbach beginnt hier, indem ein Teil des Dalkewassers über ein verstellbares „Schütt“ abgeleitet wird und in den tiefer liegenden Bach fließt. Auf dieser Skizze erscheint erstmalig die direkte Einleitung von Kösters Flött in den Eselsbach.
Der gestrichelte Verlauf von Kösters Flött entspricht wohl nicht den Tatsachen. Er ist niemals so nach oben geleitet worden. Die Durchleitung unter dem Wohnhaus Siegfriedstrasse 17 hat es auch nicht gegeben. (siehe den nachfolgen Skizzenausschnitt ebenfalls vom Juni 1951)
Abb. 8: Ein weiterer Ausschnitt aus einer Skizze vom Juni 1951 zeigt den damaligen tatsächlichen Verlauf von Kösters Flött im Bereich zwischen Am Türmchen und Molkereistraße sowie Wilhelm- und Siegfriedstraße.Diese Linienführung stimmt mit kleinen Abweichungen heute noch.
ST-Archiv Karte 3673
Abb. 9: Aus diesem Schriftverkehr Post / Stadt ist zu ersehen, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Stadt keine Pläne über den Verlauf von Kösters Flött im Bereich der Firma Gebr. Wulfhorst (heutiges Postgelände) gab. (siehe die nachfolgende Antwort der Stadt)
Abb. 10
Zu dem vorgenannten Grundstück, das bis 1944 der Fleischwarenfabrik Gebrüder Wulfhorst gehört hat, gibt es eine interessante Aufschreibung von Hermann Wulfhorst aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg:
„Der Hunger war groß und Gelegenheit macht Diebe!
Kösters Flött – ein Wassergraben, der quer durch das Gelände lief – war unter den Fabrikräumen kanalisiert. Jenseits der Fabrikräume lief das Wasser in einem offenen Graben weiter. Man hatte bei der Kanalisierung sehr große Rohre gewählt, in denen ein ausgewachsener Mann gebückt gehen konnte. Dies haben findige Mitbürger erkannt und die Gelegenheit genutzt, nachts durch das Wasser zu waten, einen Gullydeckel hochzuheben und mit Speck und Schinken beladen wieder zurückzuwaten. In Gütersloh sprach man von einer „Untere-Weser-Dampfschiffahrt-Gesellschaft“. Die Bedeutung kannte keiner, bis die Sache bemerkt wurde und das Kanalrohr mit schweren Eisenstäben gesichert wurde. Meines Wissens sind die Leute nie gefasst worden.“
Kösters Flött unterquerte nach der Wulfhorstschen Fabrik zunächst den Bahnhof der Teutoburger Wald-Eisenbahn, der sich bis 1925 dort befand, wo heute Bahnsteig 1 und die Gleise 2 und 3 der Bahn AG liegen und dann die Reichsbahn.
Nach den Angaben des Zeitzeugen Werner Honigmund, der Anfang der 1960er Jahre in der Dr.-Kranefuß-Straße für einen Hausbau als Architekt zuständig war, ist dort der Bachlauf anschließend verrohrt worden.
Im Jahr 1971 gab es eine wesentliche Veränderung. Kösters Flött wurde auf der Ladestraße der Bundesbahn in einen bestehenden Entwässerungskanal, der von der Unterführung Carl-Miele-Straße bis zur Dalke führte, in Höhe des ehemaligen Zollamtes gegenüber dem Wasserwerk am Langen Weg eingeleitet. Auf dem Gelände des Wasserwerks wurde der verrohrte Kösters Flött zugemauert, so dass kein Wasser weiter in Richtung Carl-Bertelsmann-Straße fließen konnte. Trotzdem führt Kösters Flött im Bereich der Siegfriedstraße und im offenen Teil am Karl-Rogge-Weg weiterhin etwas Wasser. Mitarbeiter des Tiefbauamts der Stadt und des Wasserwerks sind der Meinung, dass dies nur Grundwasser sein kann, das durch undichte Rohre in den Kanal gelangt.
Nachdem im Wasserwerk am Langen Weg nicht mehr gepumpt wird, ist der Grundwasserstand im weiten Umkreis stark angestiegen. Die Folge war, dass unter anderem die Fahrbahn in der 1970/71 erbauten Unterführung Friedrich-Ebert-Straße wegen Grundwasserschäden in den letzten Jahren mehrmals abgedichtet werden musste und die beiden Bahnsteige über dem südlichen Rad- und Fußweg der Unterführung eingebrochen sind. Bei der im Jahr 2010 durchgeführten Erneuerung der Bahnsteige wurde dies hoffentlich auf Dauer beseitigt. Außerdem haben viele Hausbesitzer zum Beispiel in der Molkereistraße und Am Türmchen ihre undichten Keller mit hohem Kostenaufwand abdichten und sanieren müssen.
Diese Nachforschungen haben ergeben, dass vom ehemaligen Kösters Flött wenig übrig geblieben ist.
Vom ehemaligen Beginn an der Acker/Grünestraße bis zum Gelände der Bahn AG ist er verschwunden. Es besteht weiterhin die Unterquerung der Eisenbahnanlage und der Straße Langer Weg und die Verrohrung auf dem Gelände des Wasserwerks. An der Grenze zum Nachbargrundstück ist er dort zugemauert. Vom Gelände der Spedition Titgemeyer an der Carl-Bertelsmann-Straße bis zur Einleitung in den Eselsbach besteht er weiterhin und führt auch noch etwas Wasser, das durch undichte Rohre als Grundwasser in den Kanal gelangt.
Im sehr trockenen und regenarmen Juli 2010 war im offenen Teil am Karl-Rogge-Weg immer fließendes Wasser zu sehen.
Nachfolgend ein Ausschnitt aus der Längenmessung der Königlichen Eisenbahn-Direktion Hannover von 1906. Hier ist der gemauerte Durchlass von Kösters Flött in Eisenbahnkilometer 126,760 im Bahnhof Gütersloh zu sehen. Durch diesen 1,20 Meter hohen und 1,88 Meter breiten, damals ständig mit fließendem Wasser gefüllten Durchlass sind die von Hermann Wulfhorst weiter vorn erwähnten Diebe nach dem Ersten Weltkrieg von der Eisenbahnseite in die Fleischwarenfabrik Gebrüder Wulfhorst eingedrungen. Hier haben sie Schinken und Speck gestohlen und sind damit durch Kösters Flött wieder zurückgewatet.
Abb. 11
Die folgenden Bilder zeigen die übrig gebliebenen Teile von Kösters Flött im Juni, Juli und August 2010.
Abb. 12: Bei der Sanierung der Bahnsteige im Gütersloher Bahnhof ist unter der Asphaltschicht des Bahnsteigs 1 ein alter gemauerter Schacht von Kösters Flött sichtbar geworden (vorn).Auf diesem Bild vom 29.7.2010 ist hinten das ehemalige Zollgebäude neben der Güterabfertigung zu sehen. Unter den Bäumen das Wasserwerk.
Abb. 13: Kösters Flött ist ein alter Bachlauf, der zum Teil trocken ist. Auf dem Bahnhof unterquert er die Gleise in Kilometer 126,76.Hier ist am 5.8.2010 bei der Bahnsteigsanierung ein neuer Rahmen auf den Schacht gesetzt. Die Deckel liegen daneben. Heute ist der Bahnsteig an dieser Stelle gepflastert.
Abb. 14: Ein Blick in den Schacht von Kösters Flött auf Bahnsteig 1 am 5.8.2010. Der Bachlauf liegt sehr tief. Bei der Bahnhofserweiterung und Verlegung des TWE-Bahnhofs in den 1920er Jahren wurden die Bahnanlagen höher gelegt, so dass ein tiefer Schacht gebaut werden musste. Ein weiterer Schacht befindet sich gegenüber auf Bahnsteig 2.
(Als dieser tiefe Schacht auf Kösters Flött aufgemauert wurde, waren in den 1920er Jahren auch die Eisenbahnunterführungen Kirchstraße, Rosenstraße, Carl-Miele-Straße und Hülsbrockstraße im Bau)
Abb. 15: Der Schacht von Kösters Flött auf Bahnsteig 2 war nicht wie auf Bahnsteig 1 unter der Asphaltdecke verschwunden, sonder frei sichtbar. Am 15.8.2010 ist er hier sichtbar. Bei der Einmessung vor Beginn der Bahnsteigsanierung wurde er mit „S 1“ beschriftet.
Abb. 16: Ein Mitarbeiter der Firma Wittfeld, die die Bahnsteige sanieren, hält den Deckel des Schachtes hoch. Einige Steine sind schon abgenommen
Abb. 17: Am 15.8.2010 ein Blick in den Schacht auf Bahnsteig 2. Wasser führt Kösters Flött an dieser Stelle nicht mehr. Auf dem Kanallageplan der Stadt vom Juni 2010 ist bei der Unterquerung der Bahnanlagen eingetragen: „Alter gemauerter Kanal Kösters Flött“.
Abb. 18: Das Bild zeigt einen Kanaldeckel von Kösters Flött in der Einfahrt des Wasserwerks am Langen Weg. Hinter dem Tor ist das höher liegende ehemalige Zollgebäude an der Ladestraße neben der stillgelegten Güterabfertigung zu sehen. Etwas weiter hinter dem zweiten Schacht auf dem Gelände des Wasserwerks, in Fließrichtung nach unten bis zur Grenze des Nachbargrundstücks, ist Kösters Flött zugemauert.
Abb. 19: Hier der zweite Schacht auf dem Gelände des Wasserwerks mit etwas Wasser, das bei Bedarf in Richtung Langer Weg abfließt.
Die folgenden 2 Bilder wurden am 11.06.2010 im Garten des Hauses Siegfriedstraße 19 aufgenommen.
Abb. 20: Hier hält der Zeitzeuge Werner Honigmund eine Messlatte in eine Schachtöffnung des verrohrten Bachlaufs, der hier 1,15 Meter tief ist und zu der Zeit einen Wasserstand von 20 Zentimeter hat.
Abb. 21: Auf diesem Bild ist ein abgedeckter Schacht in der nördlichen Grundstücksecke zu sehen. Hier knickt der Bachlauf im rechten Winkel ab und kommt von rechts aus Richtung Carl-Bertelsmann-Straße durch das Grundstück der ehemaligen Spedition Titgemeyer.
Herr Honigmund kann sich noch sehr gut an den an dieser Stelle offen Bachlauf erinnern und ist der Meinung, dass der Bach in den 1960er Jahren in diesem Bereich verrohrt wurde.
Der Garten des Grundstücks Siegfriedstraße 19 liegt wesentlich tiefer als die Siegfriedstraße, so dass man nur einen ungefähren Anhalt über die Höhenlage des Bachlaufs hat.
Abb. 22: Hier beginnt das letzte offene Stück von Kösters Flött. Es liegt zwischen Karl-Rogge-Weg und dem Tennisplatz am Stadtpark. Hinter dem Gestrüpp ist noch soeben ein Betonrohr zu sehen. Damit endet vorerst die Verrohrung des Bachlaufs für circa 30 Meter.
Abb. 23: Hier ein Teil des circa 30 Meter langen offenen Stücks von Kösters Flött zwischen Karl-Rogge-Weg und Tennisplatz nach dem Ende der Verrohrung (siehe vorheriges Bild) Wenige Tage vor dieser Aufnahme haben Mitarbeiter des Grünflächenamtes das Gestrüpp neben dem Bachlauf gemäht, so dass ich dieses Bild machen konnte. Ist das Grün an dieser Stelle wieder gewachsen, kann man hier nichts erkennen.
Abb. 24: Dieses Bild zeigt ein leichtes Gefälle des offenen Teils am Karl-Rogge-Weg. Ein Zeichen, dass das Wasser in Kösters Flött ständig fließt. Der Leiter des Grünflächenamts der Stadt Gütersloh, Herr Winkler sagte, dass auch im trockenen Sommer Kösters Flött in diesem Bereich ständig Wasser führt. Auch dies ist darauf zurückzuführen, dass im Wasserwerk am Langen Weg nicht mehr gepumpt wird.
Abb. 25: Am Ende des Tennisplatzes am Karl-Rogge-Weg beginnt der letzte Teil der Verrohrung. Anschließend knickt der Bachlauf nach rechts Richtung Dalke ab und wird dann unter die Dalke hindurch in den Eselsbach geführt.
Abb. 26: Hinter der Feuchtwiese am Karl-Rogge-Weg wird über einen Stau etwas Dalkewasser in den hier beginnenden, tiefer liegenden Eselsbach geleitet. Foto aufgenommen am 3. 6. 2010 vom hölzernen Steg, der über die Feuchtwiese bis an die Dalke führt.
Abb. 27: Hier ist das Stauwerk von der Südseite aus zu sehen. Geradeaus fließt der Eselsbach diagonal durch das Bild, von links mündet Kösters Flött in den Eselsbach. Hinten die Tennisplätze am Karl-Rogge-Weg.
Abb. 28: Nur wenige Meter weiter stadteinwärts unterquert Kösters Flött die Dalke und wird dann durch einen Bogen einige Meter weiter in den Eselsbach geführt.
Abb. 29: Auf diesem Bild sind zu sehen: oben links die Feuchtwiese am Karl-Rogge-Weg, daneben hinten zwischen den Bäumen, die Dalke mit der Brücke Oststraße, rechts oben der Reitplatz von Meier Merklinghaus, dann wieder links das Stauwerk für den Beginn des Eselsbaches, darunter der Durchlass von Kösters Flött unter die Dalke hindurch mit dem Ablauf in den Eselsbach.
Abb. 30: Nach diesem Durchlass knickt der Eselsbach vor dem Grundstück Emilienstraße 5 nach rechts ab und mündet nach wenigen hundert Metern wieder in die Dalke.
Abb. 31: Ein Ausschnitt aus dem Kanallageplan der Stadt vom Juni 2010 zeigt die Einleitung von Kösters Flött, nachdem er die Bahnhofsanlagen unterquert hat, in den 1971 neu verlegten Entwässerungskanal der Eisenbahn zur Dalke. Auf dem Plan ist mit einem Pfeil die Einleitung auf dem Langen Weg markiert.
Er wird weiter geführt in die Carl-Bertelsmann-Straße, knickt dann nach links bis zur Straße Am Türmchen ab, wird durch diese Straße bis zur Siegfriedstraße und weiter in Richtung Neuenkirchener Straße geführt, wo er dann am Wohnpark Dr. Murken in die Dalke mündet.
(Die handschriftlichen Eintragungen wurden vom Textautor nachträglich angebracht)
Kösters Flött ist heute als „Sonstiges Gewässer“ im Sinne des Landeswassergesetzes Nordhein-Westfalen“ eingestuft.
Text und Bildunterschriften: Rudolf Herrmann
Bildquellen:
Abbildung 1 bis 11: Stadtarchiv Gütersloh
Abbildung 12: Rudolf Hermann, 29.07.2010
Abbildung 13 und 14: Rudolf Hermann, 05.08.2010
Abbildung 15 bis 17: Rudolf Herrmann, 15.08.2010
Abbildung 18 und 19: Rudolf Herrmann, 22.06.2010
Abbildung 20 und 21: Rudolf Herrmann, 11.06.2010
Abbildung 22 - 25: Rudolf Herrmann, 20.06.2010
Abbildung 26: Rudolf Herrmann, 03.06.2010
Abbildung 29 bis 30: Rudolf Herrmann, 02.06.2010
Abbildung 31: Stadt Gütersloh, Fachbereich Tiefbau, Juni 2010
Die Umweltstiftung Gütersloh bedankt sich bei Herrn Rudolf Herrmann für die Freigabe des Text- und Bildmaterials zur Veröffentlichung an dieser Stelle.