Station 20: Neue Mühle

Die an der Herzebrocker Straße gelegene "Neue Mühle" ist die letzte Station des Wassererlebnispfades. In unmittelbarer Nähe fließt auch die Wapel in die Dalke.

Gasthaus Neue Mühle, 2006
Gasthaus Neue Mühle, 2006, Foto: Stadt Gütersloh

Die 1525/26 erbauten Gebäude wurden bereits 1549 in einer Fehde zerstört. Auf die Vergangenheit als gräfliche Zwangsmühle weist heute nur noch das Wappen des damaligen Herrn zu Rheda, Graf Moritz Kasimir I. zu Bentheim-Tecklenburg, aus dem Jahre 1731 hin. Sein Nachfahre Fürst Franz verkaufte 1883 den Mühlenbetrieb an die Müllerwitwe Brockmann. Als letzter Besitzer legte Heinrich Dirksmöller die Getreidemühle im Jahre 1930 endgültig still. Er führte lediglich die seit langem dazugehörende Gastwirtschaft „Neue Mühle" fort. Im März 2016 wurde die Gaststätte geschlossen.

Neben Informationen über die Geschichte der ehemaligen Grafenmühle dreht es sich an dieser Station um das Thema „Spiel und Spaß mit Wasser“. Ein besonderer Höhepunkt ist (oder besser: war) stets das alljährlich hier stattfindende „Radrennen über Wasser“.

Die Geschichte der Neuen Mühle (Kurzfassung)

Der Herr zu Rheda, Graf Konrad von Tecklenburg-Schwerin, ließ 1525/26 eine neue Mühle in der Mark des Dorfes Gütersloh errichten. Neben einem zu seiner Herrschaft gehörenden Erbpachthof an der Straße von Gütersloh in der Bauerschaft Pavenstädt nach Herzebrock entstand direkt an der Dalke gelegen die neue Wassermühle. Als Mahlgenossen wies Graf Konrad die Bäcker und Bauern der westlichen Hälfte des Kirchspiels Gütersloh der neuen Mühle zu. Die andere Hälfte gehörte zu Avenstroths Mühle, die ebenfalls dem Grafen unterstand.

Das Grundstück, auf dem die Mühlenanlage erbaut worden war, gehörte jeweils zur Hälfte dem Kloster Marienfeld und dem Herren zu Rheda. Da der Rhedaer Herr nicht die Zustimmung der anderen Erbeigentümer eingeholt hatte, entstand sofort ein Streit um die Mühle. 1549 erreichten die Auseinandersetzungen ihren Höhepunkt. Wiedenbrücker Truppen des Bischofs Franz von Osnabrück (1491-1553) überfielen das Dorf Gütersloh. Sie brannten die Neue Mühle vollständig nieder. Erst 16 Jahre später erzielte Graf Konrads Tochter, Anna zu Bentheim-Tecklenburg (1530-1582), eine gerichtliche Einigung mit Bischof Johann von Osnabrück (1529-1574). Der Bielefelder Rezess von 1565 (Teilungsvertrag) legte die Herrschaftsrechte der streitenden Parteien in der Region neu fest. Wenige Jahre später erfolgte der Wiederaufbau der Wassermühle.

Neue Mühle, Lageplan, 1921
Lageplan, 1921
LAV OWL, Signatur M1 EA 1255, fol. 67

Die Herren zu Rheda gaben die Mühle zur Bewirtschaftung in Pacht. Regelmäßig stand die Mühlenpacht neu zur Versteigerung an. 1730 ersteigerte Colon Johan Henrich Niemöller, Erbpächter des Bauernhofes direkt neben der Mühle, für einige Jahre die Pacht. Bis 1816 erwirkte die Familie - einschließlich Stiefeltern und ab 1784 gemeinsam mit Familie Detmer - mehrfach Vertragsverlängerungen. Ab 1816 setzte Graf Emil Friedrich I. zu Bentheim-Tecklenburg (1765-1837) andere Pächter in der Neuen Mühle ein. 1850 ersteigerte Müller Ernst Wilhelm Kramer aus Gütersloh die Pacht. Er übergab sie bald seinem Schwiegersohn Christoph Brockmann, der die Mühle bis zu seinem Tod 1882 betrieb. Die gesamte Anlage bestand zu dieser Zeit aus mehreren Gebäuden: einer Kornmühle mit angebautem Wohnhaus, einer Boke- und einer Ölmühle sowie einer großen Scheune.

Im Februar 1883 verkaufte Fürst Franz zu Bentheim-Tecklenburg (Regierungszeit 1872-1885) die Mühle an Witwe Anna Maria Katharina Brockmann, geborene Kramer. Im Jahre 1914 kaufte Müllermeister Heinrich Dirksmöller die Mühle, der daneben auch die Gaststätte „Neue Mühle“ betrieb. Als er 1923 eine tiefgreifende Modernisierung der Getreidemühle plante, sah er sich großen Widerständen seitens der benachbarten Bauern gegenüber. Er wollte die Wasserräder durch eine moderne Francis-Turbine ersetzen. Dazu benötigte er die Staurechte. Diese Rechte hatten die Nachbarn jedoch bereits vom Vorbesitzer erworben und weigerten sich nun, sie ihm abzutreten. Als 1930 noch immer keine Lösung in greifbare Nähe gerückt war, gab Müller Dirksmöller auf. Er legte den Mühlenbetrieb still. Die zur Mühle gehörende Gaststätte führte Heinrich Dirksmöller auch weiterhin fort. Nicht zuletzt zieht das jährliche Radrennen über Wasser auf der Teichanlage im Garten der ehemaligen Gaststätte viele Besucher an. Die Teiche entstanden bereits 1923-1925 und dienten von Anfang an ausschließlich dem Freizeitvergnügen. Sie wurden seinerzeit als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (sogenannte Notstandsarbeit) angelegt. Zwischen 1930 und 1936 wurden die Verläufe der Dalke und der Wapel völlig verändert, sodass die Dalke das ehemalige Mühlengebäude heute nicht mehr berührt.

Gaststätte Neue Mühle, 1940/1950
Gaststätte Neue Mühle (1940/1950), Stadtarchiv Gütersloh BB 07167

Autorin und Bildredaktion: Elisabeth Sommer, Historikerin, Gütersloh
http://www.esommerhistorikerin.de/services/index.html

Die Geschichte der Neuen Mühle

Vertiefende Einblicke in die Geschichte der Neuen Mühle bieten die folgenden Kapitel:

Quellennachweis:

  • Staatsarchiv Münster, Grafschaft Tecklenburg, Akten, Nr. 203.
  • Buschmann-Chronik der Stadt Gütersloh von 1844, Seite 104.
  • Fürstliches Archiv Rheda, Bestand: Rheda, E II M 228, Akten (Rha. 2) E III M 867,2.
  • Stadtarchiv Gütersloh, Sammlung Kornfeld.
  • Sammlung Heinrich Schierl, Privatbesitz.
  • Ilse Lohmann (Bearb.), Die „Neue Mühle“ im ehemaligen Kirchspiel Gütersloh, Bauerschaft Pavenstädt, Haus Nr. 10a, heute Herzebrocker Straße 298, in: Aus der Geschichte der Gütersloher Wassermühlen, o. O. 1996.

Autorin und Bildredaktion: Elisabeth Sommer, Historikerin, Gütersloh
http://www.esommerhistorikerin.de/services/index.html

Mühlenbau und Zerstörung (1525/26-1549)

Im Jahre 1525 befahl Graf Konrad zu Tecklenburg-Schwerin, im Kirchspiel Gütersloh in der Mark bei der Bauernschaft Pavenstädt eine Kornmühle zu errichten. Neben der Mühle ließ der Herr zu Rheda mehrere Häuser bauen - darunter auch ein „Lusthaus" für sich - und die alten Landwehre und Schlagbäume erneuern. Nach Aussagen des Reepschlägers (Handwerksberuf: Seilmacher) Heinrich Spackler von 1553 hatte das ganze Kirchspiel Gütersloh willig beim Bau der Mühle geholfen. Er selbst habe den Arbeitern Paderborner Bier, Käse und Butter gebracht. Da das Wasser für die Mühle aufgestaut werden musste, veranlasste Graf Konrad den Bau einer Holzbrücke über die Dalke in der Straße nach Herzebrock.

Graf Konrad zu Tecklenburg-Schwerin
Graf Konrad zu Tecklenburg-Schwerin, genannt "Der wilde Cord" (1493-1557), Fürstliche Kanzlei Rheda

Das Grundstück, auf dem die Mühle gebaut wurde, gehörte zur Hälfte dem Grafen und zur Hälfte dem Kloster Marienfeld. Damit unterstand es dem Bistum Osnabrück. Graf Konrad unterließ es, bei den Erbexen und Markgenossen (Mitbeerbter einer Mark) um die Bewilligung seines Vorhabens nachzusuchen. Der Mühlenbau führte deshalb sofort zum Einschreiten des Osnabrücker Bischofs. Bischof Franz versuchte zunächst auf rechtlichem Wege gegen die Mühle vorzugehen, schließlich beanspruchte Graf Konrad im Kirchspiel Gütersloh landesherrliche Rechte, die ihm nicht zukamen. 1549 eskalierte der Streit zu einer Fehde. Bischof Franz von Osnabrück schickte seine Wiedenbrücker Truppen in das Dorf Gütersloh, um die frühere Ordnung wiederherzustellen. 150 bewaffnete Reiter und Schützen fielen brandschatzend in den Ort ein. Auch die Mühle brannten die bischöflichen Truppen vollständig nieder. Räder und Mühlsteine wurden zerschlagen und ins Wasser geworfen.

Einen wirklichen Sieg für eine Seite erbrachte die Fehde nicht. Bischof Franz wechselte die Taktik: Künftig wollte er den Grafen durch zahlreiche Mandate mürbe machen. Auch hier war der Erfolg zunächst zweifelhaft. Zumindest kam es aber nicht zu erneuten Kampfhandlungen. Eine gütliche Einigung der Streitparteien blieb der Zeit der Regierung von Gräfin Anna zu Bentheim-Tecklenburg vorbehalten. Sie folgte ihrem Vater im Jahre 1557 als Herrin zu Rheda nach.

Quellennachweis:
Stadtarchiv Gütersloh, Sammlung Kornfeld.

Die Besitzer der Neuen Mühle (1525/26-1930)

Der erste Besitzer der Neuen Mühle war ihr Erbauer Graf Konrad zu Tecklenburg-Schwerin (1493-1557). Seine Nachfahren, die Grafen - ab 1817 Fürsten - zu Bentheim-Tecklenburg, besaßen die Neue Mühle ohne Unterbrechung bis 1883.

Wappen des Grafen Moritz Kasimir I. zu Bentheim-Tecklenburg
Wappen des Grafen Moritz Kasimir I. zu Bentheim-Tecklenburg

1882 standen Fürst Franz zu Bentheim-Tecklenburg und sein langjähriger Mühlenpächter Christoph Brockmann in Kaufverhandlungen. Ursprünglich sollte der Vertrag bereits am 18. November 1882 unterschrieben werden. Zu dieser Zeit war der Müller bereits sehr krank und bettlägerig, so dass ihn seine Frau zu dem vereinbarten Termin vertrat. Wegen noch offener Fragen verschob sich der Vertragsabschluss jedoch noch einmal. Bevor der Vertrag unterschriftsreif war, verstarb Müller Christoph Brockmann. Seine Witwe, Anna Maria Katharina Brockmann, geborene Kramer, kaufte die Neue Mühle wenig später am 9. Februar 1883 für 7.500 Mark. Wann sie die Mühle ihrem Sohn Ludwig Brockmann übertrug, ließ sich nicht feststellen. Er hatte bereits über einige Jahre hinweg viele geschäftliche Angelegenheiten im Auftrag seiner Mutter erledigt, bevor er die Mühle übernahm. Als Besitzer ist er erst im Jahre 1912 in den Quellen sicher genannt. Er verstarb im Frühjahr 1914. Seine Witwe verkaufte die Mühlenanlage im April 1914 an Müller Heinrich Dirksmöller. Der Gastwirt und Müllermeister Dirksmöller führte den Betrieb der Kornmühle bis zur Stilllegung im Sommer 1930 fort.

Zeitraum

Name des Besitzers

1525/26-1883

Die jeweils amtierenden Grafen bzw. Fürsten zu Bentheim-Tecklenburg, Herren zu Rheda

1883-[1912]

Anna Maria Katharina Brockmann geborene Kramer aus Pavenstädt, Witwe des Müllers Christoph Brockmann, der 1857 die Mühlenpacht von seinem Schwiegervater Ernst Wilhelm Kramer übernommen hatte

[1912]-1914

Müller Ludwig Brockmann, Sohn der Eheleute Christoph Brockmann und Anna Maria Katharina Brockmann geborene Kramer; 1914 Witwe Ludwig Brockmann

1914-1930

Müller Heinrich Dirksmöller

Quellennachweis:
Fürstliches Archiv Rheda, Bestand Rheda E II M 228-235, E III M 867, 870, 871.
LA NRW OWL, Bestand M 1 BA 1255.

Friedensschluss (1565)

Die sich mit der Gründung der Neuen Mühle verschärfenden Streitigkeiten zwischen dem Grafenhaus zu Bentheim-Tecklenburg und dem Bischof von Osnabrück lösten sich 1565 - fast 40 Jahre nach dem Bau der Mühle. Nicht nur in Rheda, auch im Bistum Osnabrück hatte inzwischen ein Regierungswechsel stattgefunden. Am 27. März 1565 vereinbarten Bischof Johann von Osnabrück und Gräfin Anna zu Bentheim-Tecklenburg den Bielefelder Rezess. Unterhändler von beiden Seiten hatten in langen Verhandlungen eine neue Regelung der Herrschaftsverhältnisse im Kirchspiel Gütersloh und Umgebung ausgehandelt. Mit dem Vertrag wurden zugleich alle noch schwebenden Gerichtsprozesse der beiden Kontrahenten um Herrschaftsrechte in der Region aufgehoben.

Abschrift des Bielefelder Rezesses aus dem Jahre 1565
Abschrift des Bielefelder Rezesses aus dem Jahre 1565 (um 1860)
Fürstliches Archiv Rheda, Bestand: Rheda, Akten I (Rha.E.I), Signatur: Rh 2, S. 25

Das Hochstift Osnabrück erhielt die Bauernschaften Spexard, Avenwedde und Kattenstroth, die zum Kirchspiel Gütersloh gehörten, den Hof Schledebrück, das ganze Kirchspiel und die Bauernschaft St. Vit mit allen hoch-, mittel- und niedergerichtlichen Gerechtsamen (Vorrechte, Rechte), darunter Halsgerichtbarkeit, Landsteuern, Glockenschlag, Jagd- und Fischereirechte, den Zoll zu Wiedenbrück, 7 Mahlgäste, 2 Wiesen und einen Kamp, die dem rhedaischen freien Stuhl gehört hatten, sowie den Zehnt zu Gütersloh. Dies alles sollten sie „erb- und eigentümlich ohne Einspruch behalten, besitzen und gebrauchen".

Die Herrschaft Rheda erhielt die Kirchspiele und Bauernschaften Clarholz, Herzebrock, Emsbauer, Nord-Rheda, das Dorf Gütersloh samt den übrigen dazugehörenden Bauernschaften und Leuten mit der Jurisdiktion (Rechtsprechung, Gerichtsbarkeit) und allen Gerechtsamen, Landsteuern, Geschoss (Direkte Vermögenssteuer) und Halsgericht, Glockenschlag, freie Stühle, Zölle, Jagd- und Fischrechte und was sonst noch zur Hoch-, Mittel- und Niedergerichtsbarkeit gehörte. Die von den Wiedenbrückern (Osnabrücker Truppen) zerstörte Neue Mühle durfte wieder aufgebaut und betrieben werden.

Darüber hinaus verpflichteten sich beide Vertragspartner, „daß einer gegen den anderen nichts Tadligs oder Ungütlichs mit worten oder wercken handlen, thuen und fürnehmen, auch keiner in des andern Lande, Gebietes, und Hoheit Jagen und fischen“ würde. Um zukünftigen Grenzstreitigkeiten vorzubeugen, sollte eine Delegation die Grenzen zwischen den genannten Bauernschaften und Dörfern in Augenschein nehmen und den Befund schriftlich festhalten.

Mit dieser Vereinbarung war die jahrzehntelange Auseinandersetzung zwischen dem Grafenhaus zu Bentheim-Tecklenburg und dem Bistum Osnabrück zunächst einmal beendet. 4 Jahre später - 1569 - wurde die Wassermühle wieder aufgebaut.

Quellennachweis:
Fürstliches Archiv Rheda, Bestand Rheda, Akten I (Rha.E.I), Signatur: Rh 2, Bielefelder Recess, S. 25ff.

Lockerung des Mühlenbannes (1629-1769)

Offenbar gab es immer wieder Verstöße gegen den Mühlenbann. Dass bestimmte Mahlgäste oft nicht ihre Bannmühle aufsuchten, veranlasste Graf Moritz zu Bentheim-Tecklenburg (Regierungszeit 1625 - 1674) zu einer deutlichen Reaktion. Am 12. September 1629 schrieb der gräfliche Sekretär Johann Vortkamps einen Erlass. Am folgenden Sonntag verlas der Pastor der Kirche zu Gütersloh nach dem Gottesdienst die landesherrliche Verfügung. Den Dorfbewohnern wurde darin „vollernstlich (...) gebotten“, ihre jeweilige Bannmühle - die Neue Mühle bzw. Avenstroths Mühle - zum Mahlen ihres Getreides aufzusuchen. Andernfalls würden sie bestraft werden.

Die Mahlgenossen befanden sich in einer schwierigen Situation. Durch Bittschriften versuchten sie, ihren Landesherrn zu bewegen, ihnen den Besuch der Langertschen Mühle an der Lutter zu gestatten. Schließlich waren ihre Bemühungen erfolgreich. Am 16. März 1666 erlaubte Graf Moritz zu Bentheim-Tecklenburg 16 Mahlgenossen aus der Bauernschaft Blankenhagen, ihr Korn in der näher gelegenen Mühle des Meiers zur Langert mahlen zu lassen. Der Meier musste jedoch für seine zusätzlichen Mahlgäste eine jährliche Entschädigung von 25 Reichtstaler an das gräfliche Rentamt zu Rheda zahlen. Diese Regelung blieb mehr als einhundert Jahre bestehen. Abgesehen von dem kürzeren Weg bot der Wechsel noch einen weiteren Vorteil für die Bauern: Die Multer (Abgabe auf das Mahlgut zugunsten des Landesherrn) des Meiers zur Langert war bei 6 Müdden Korn um 2 Becher geringer als beim Müller der Neuen Mühle. Die Zahl der Mahlgenossen der Neuen Mühle war damit laut einer Auflistung von März 1675 auf 20 gesunken.

Graf Moritz Casimir II. zu Bentheim-Tecklenburg
Graf Moritz Casimir II. zu Bentheim-Tecklenburg (1768-1805)
Foto: Adelheid Eimer; Fürstlich zu Bentheim-Tecklenburgische Kanzlei, Rheda

Am 14. Oktober 1769 hob Graf Moritz Casimir II. zu Bentheim-Tecklenburg (Regierungszeit 1768 - 1805) die Ausnahmegenehmigung für die Blankenhagener Bauern auf. In der gräflichen Amtsstube zu Rheda wurde den 16 Bauern mitgeteilt, dass sie ihr Getreide wieder in der Neuen Mühle bzw. in Avenstroths Mühle mahlen lassen müssten. In den folgenden Jahren versuchten die Bauern, die Rücknahme dieser Verfügung auf dem Rechtsweg zu erwirken. Dabei bewiesen sie einen langen Atem. Fast 40 Jahre später, am 17. August 1798, reichten sie in dieser Sache Klage beim Reichskammergericht zu Wetzlar ein.

Für die betroffenen Bauern war der Weg zu Langerts Mühle in Blankenhagen wesentlich kürzer als nach Pavenstädt oder Sundern. Auch war die Fahrt mit Pferd und Wagen bei den unbefestigten Feldwegen, besonders bei schlechtem Wetter, sehr mühselig. Die Untersuchung des Königlich Preußischen Landmessers Carl Heinrich Wiepke zu Bielefeld vom 2. Mai 1798 führt die einzelnen Entfernungen exakt auf. Die größte Differenz ergab sich für Colon Strothotte an der Lutter. Zur Neuen Mühle in Pavenstädt waren es für ihn 9183 geometrische Schritte (17,29 Kilometer), zu Langerts Mühle in Blankenhagen hingegen lediglich 690 (1,3 Kilometer). Die Differenz betrug also 8493 Schritte. Doch auch eine Ersparnis von „nur“ 3810 geometrischen Schritten (7,17 Kilometer) ließ Colon Wester Sötebier meistens den Weg zu Langerts Mühle in Blankenhagen einschlagen anstatt nach Pavenstädt. Schließlich entschied das Gericht 1799 zugunsten der Bauern. Sie durften ihr Korn zum Mahlen wieder zur näher gelegenen Langertschen Mühle bringen.

Quellennachweis:

  • Fürstliches Archiv Rheda, Bestand Rheda, E II, Nr. 228.
  • Staatsarchiv Münster, Bestand: Grafschaft Tecklenburg – Akten, Nr. 203.
  • Stadtarchiv Gütersloh, Sammlung Kornfeld.
  • Immanuel Kant, Schriften zur Naturwissenschaft. Zweite Abteilung zur physischen Geographie, in: Immanuel Kant's Werke, sorgfältig revidirte Gesamtausgabe in zehn Bänden, Band 9, Leipzig 1839, S. 151.

Die Pächter der Neuen Mühle (1666-1883)

Als Eigentümer der Neuen Mühle sorgte der Herr zu Rheda stets dafür, dass die Mühlenanlage mit Getreidemühle, Ölmühle und Bokemühle verpachtet war. Die Pachtwechsel fanden regulär jeweils zu Ostern statt. Die Pachtzeit der Verträge variierte von 2 bis 10 Jahren im 18. Jahrhundert bzw. bis hin zu 30 Jahren im 19. Jahrhundert. Für die ersten Jahre weist die Überlieferung Lücken auf. Ab 1666 liegt dagegen eine nahezu geschlossene Überlieferung vor. In mehreren Fällen wurde mit dem Pächter ein Nachfolgevertrag geschlossen. Nicht immer bewirtschafteten die Pächter die Mühlen selbst, häufig stellten sie auch einen Müller an, der die Mühle für sie führte. Die Mühlenpacht wurde bis 1730 stets auf einer öffentlichen Versteigerung vergeben. In dem Jahr ersteigerte erstmals Johan Henrich Redecker, genannt Niemöller, Colon des benachbarten Erbpachthofes Niemöller, die Pacht der Neuen Mühle. Anschließend erwirkte er auf eine entsprechende Bittschrift hin, mehrfach eine Vertragsverlängerung. Unter Einbeziehung von Stiefelternschaften blieb die Mühlenpacht bis 1816 in der Hand der Familie Niemöller. Anschließend wurde die Mühlenpacht wieder an verschiedene Müller versteigert, bis die Neue Mühle im Jahre 1883 an die Witwe des letzten Pächters verkauft wurde.

Die folgende Übersicht zeigt die Mühlenpächter und ordnet sie zeitlich ein.

Spalte 1

Spalte 2

Zeitraum

Name des Pächters

1666

Conrad (Cordt) Elßman (1635-1677; Untervogt, um 1668 rhedaischer Vogt zu Gütersloh)

1675

Lips Westheide

1687

Adrian Jungsohn

1697 - 1718

Müller Heinrich Düing (1658-1725; aus Oerlinghausen)

1718-1725, [1728?]

Meyer Johann Pavenstätt, der zuletzt einen „untüchtigen, fast liederlichen Müller“ bestellt hatte

1729 - 1731

Kruse, rhedaischer Kanzlist

1731 - 1737

Colon Johan Henrich Redecker genannt Niemöller aus Blankenhagen ∞ Anna Maria Niemöller

1739 - 1761

Colon Johan Henrich Redecker genannt Niemöller aus Blankenhagen ∞ Anna Maria Niemöller

1761 - 1776

Colon Johan Henrich Fenmer/Fennemer († 1776) führt die Mühle als Stiefvater von Johann Henrich Niemöller (1746-1795), 1761-1765 in erster Ehe verheiratet mit Anna Maria Niemöller verwitwete Johan Henrich Redeker genannt Niemöller, 1765-1776 in zweiter Ehe verheiratet mit Maria Elisabeth Brokman († 1786)

1776 - 1784

Colon Johan Herman Meyer, dritter Ehemann von Maria Elisabeth Brokman verwitwete Johan Henrich Neumüller (Fenmer, † 1776), führt die Mühlenpacht als Verwalter (Konduktor) anstelle von Johann Heinrich Niemöller (1746-1795), Sohn und Anerbe von Johan Henrich Redeker genannt Niemöller aus erster Ehe

1784 - 1788

Colon und Müller Johann Henrich Niemöller (1746-1795), Sohn und Anerbe von Anna Maria Niemöller aus erster Ehe mit Johan Henrich Redecker genannt Niemöller, gemeinsam mit seinem Schwager Christian Detmer (∞ Maria Elsabein Niemöller)

1788 - 1792

Colon Christian Detmer (Meyer oder Niemöller sind nicht genannt)

[1792]-1801

Nach dem Vertrag von 1801 haben die Gebrüder Johann Heinrich Niemöller (1779-1852), Friedrich Wilhelm Niemöller (1784-1838), Peter Gottlieb Niemöller (1789-1876), Erben von Johann Henrich Niemöller (1746-1795), und ihr Cousin Carl Heinrich Detmar (Sohn von Christian Detmer) die Neue Mühle in Pacht

1801 - 1816

Carl Heinrich Detmar (Ackerer) und Gebrüder Johann Heinrich Niemöller, Friedrich Wilhelm Niemöller und Peter Gottlieb Niemöller

1816 - 1821

Müller Bernhard Kramer aus Möhler, gemeinsam mit Ackermann Henrich Wiesmann, Kirchspiel Gütersloh, Landbauerschaft

1821 - 1827

Müller Johann Friedrich Bode, ehemaliger Mühlenknecht von der Füchtei-Mühle bei Rietberg

1827 - 1833

Müller Henrich Christoph Schäffer aus Bielefeld

1833 - 1834

Müller Matthias Graeveling, seit 1813 Eigentümer der Brocker Mühle zu Herzebrock

1834 - 1850

Müller Bernard Graeveling, Sohn von Matthias Graeveling

1850 - 1857

Müller Ernst Wilhelm Kramer aus Gütersloh

1857 - 1883

Müller Christoph Brockmann, Schwiegersohn von Müller Ernst Wilhelm Kramer, verheiratet mit Anna Maria Katharina Kramer. Witwe Brockmann kaufte die Wassermühlen im Februar 1883.

Folgt man der Pachtverlängerung von 1801 müssen die Brüder Johann Heinrich, Friedrich Wilhelm und Peter Gottlieb Niemöller sowie ihr Cousin Carl Heinrich Detmar die Pacht bereits einige Zeit innegehabt haben. Insgesamt behielten sie die Mühlenpacht bis Ostern 1816. Jetzt suchte Graf Emil Friedrich I. zu Bentheim-Tecklenburg einen neuen Pächter für die Mühlen. An Familie Niemöller wollte er die Pacht nicht wieder vergeben. Als die 3 Brüder im Jahre 1819 dem Fürsten - Graf Emil Friedrich war 1817 in den erblichen Fürstenstand erhoben worden - ein Kaufangebot unterbreiteten, wiesen seine Beamten dieses unter Hinweis auf den zu geringen Kaufpreis zurück.

Quellennachweis:

  • Fürstliches Archiv Rheda, Bestand Rheda, Signaturen E II M 228-235, E III M 867,1+2, 870, 871.
  • LAV NRW OWL, M 1 I U Nr. 637.
  • Familienarchiv Ekkehard Niemöller.
  • Niemöller, Ekkehard, Beiträge zur Geschichte der Familie Niemöller – Gütersloh, Band 3 (1973), 11 (2011).
  • Niemöller, Albert, Familie Johann Henrich Niemöller in Gütersloh, o. O. u. J.

Zur Familie Niemöller (1730-1816)

Von 1731 bis 1816 befand sich die Pacht der Neuen Mühle zu Pavenstädt in Händen von Mitgliedern der Familie Niemöller. Familie Niemöller besaß den direkt daneben gelegenen Erbpachthof zur Niemöllen. Sie waren Eigenbehörige und Erbpächter des Herrn zu Rheda. Der erste nachweisbare Angehörige der Familie, Drees Neumöller, verstarb um 1662. Nach dem westfälischen Jüngstenerbrecht trat sein jüngster Sohn Evert/Ebert in das Erbe ein und führte den Erbpachthof fort. Dessen älterer Sohn Johann Niemöller heiratete 1655 auf den Hof Johannsmann zu Isselhorst und nahm, der damaligen Gepflogenheit entsprechend, den Hofnamen als Familiennamen an. Sein jüngerer Bruder Heinrich Niemöller bewirtschaftete als Colon den väterlichen Erbpachthof zu Pavenstädt.

Heinrich Niemöller verstarb im Jahre 1717 kinderlos. Bereits 1710 hatte er seiner Nichte Anna Margaretha Johannsmann (1679-1730) aus Isselhorst, verheiratet mit Hermann Witthoff (1684-1730), den Hof Niemöller zum Besitz übertragen. Damit nahm dieser Zweig der Familie wieder den Geburtsnamen des Vaters und den Namen des Großvaters an. Ihre Tochter und Anerbin Anna Maria Niemöller (1710-1765) erbte mit dem Tod der Eltern im Jahre 1730 den Hof. Wenige Wochen später heiratete sie Johan Henrich Redecker (1694-1761). Er stammte vom Hof Redecker zu Blankenhagen und war ebenfalls eigenbehöriger Untertan des Grafen zu Bentheim-Tecklenburg und Herrn zu Rheda. Redecker nahm mit der Einheirat auf den Erbpachthof zugleich auch den Namen Niemöller an.

Neue Mühle nach 1930
Die Neue Mühle nach 1930, Stadtarchiv Gütersloh BB 07164

1730 gelang es Colon Johan Henrich Niemöller (Redecker), die Pacht der Neuen Mühle zu ersteigern. Zuvor hatte der Graf zu Bentheim-Tecklenburg und Herr zu Rheda die Mühlenpacht stets an andere Interessenten vergeben. Außer der Landwirtschaft und der Mühle betrieb Colon Niemöller auch eine Kornbranntwein-Brennerei. Im Oktober 1755 suchte er ein letztes Mal um Pachtverlängerung nach. In seiner Bittschrift sprach er von seinem „schwächlichen Zustande“ und dass er seinen jüngsten Sohn und Anerben Johann Henrich - der gerade 9 Jahre alt war - unterrichten lassen werde, mit einer Mühle umzugehen. Der Vertrag lief wie zuvor über 10 Jahre bis Ostern 1766. Der Pachtzins betrug jährlich 300 Reichstaler zuzüglich der einmaligen Zahlung eines Weinkaufgeldes von 50 Reichstalern.

Johan Henrich Niemöller (Redecker) verstarb am 14. Juni 1761. Seine Witwe Anna Maria Niemöller ging am 28. Oktober 1761 mit Johan Henrich Fenmer/Fennemer, genannt Niemöller/Neumüller, eine neue Ehe ein. Auf diese Weise konnte sie das Erbe für ihre unmündigen Kinder aus erster Ehe einschließlich der Mühlenpacht erhalten. Als Anna Maria Niemöller nur wenige Jahre später am 26. Dezember 1765 verstarb, war ihr Sohn aus erster Ehe und der Anerbe von Hof und Mühlenpacht, Johann Henrich Niemöller, 19 Jahre alt. Da der junge Johann Henrich Niemöller noch unmündig war, führte sein Stiefvater weiterhin sowohl den Erbpachthof mit Brennerei als auch die Mühle.

Ab April 1772 übernahm der Colon Johann Henrich Niemöller (1746-1795) den Erbpachthof von seinem Stiefvater Fenmer. Im gleichen Jahr heiratete Johann Henrich Niemöller Anna Catarina Ruhenstroth, Tochter eines Sunderaner Colon. 1780 bauten sie sich ein eigenes Wohnhaus nahe der Mühle. Im März 1977 wurde dieses Haus zusammen mit weiteren Häusern abgerissen.

Neue Mühle, Auszug aus dem Übergabeprotokoll von 1816
Auszug aus dem Übergabeprotokoll von 1816, Unterschriften der Gebrüder Niemöller (Söhne von Johan Henrich Niemöller, 1746-1795)und des neuen Pächters Bernhard Kramer
Fürstliches Archiv zu Rheda, Bestand Rheda, Signatur E III 867,1

Johann Henrich Niemöller und seine Frau Anna Catarina, geborene Ruhenstroth, hatten 8 Kinder. Ihre Söhne Johann Heinrich (1779-1852), Friedrich Wilhelm (1784-1838) und Peter Gottlieb (1789-1876) traten gemeinsam das väterliche Erbe an. Die Mühlenpacht teilten sie nach dem Tod ihres Onkels Christian Detmer mit ihrem Cousin, dem Ackerer Carl Heinrich Detmar. Die Verantwortung für den umfangreichen Betrieb an der Herzebrocker Straße hatten die 3 Brüder unter sich aufgeteilt: Johann Heinrich Niemöller führte die Landwirtschaft, Friedrich Wilhelm Niemöller den Mühlenbetrieb und Peter Gottlieb Niemöller die Kornbranntwein-Brennerei. Als sie im Frühjahr 1816 die gräfliche Mühlenpacht verloren, hatten die beiden älteren sich bereits im Dorf Gütersloh eigene Branntweinbrennereien aufgebaut. Johann Heinrich Niemöllers Brennerei lag an der Münsterstraße (heute Kaufhof-Parkhaus), Friedrich Wilhelm Niemöllers Brennerei befand sich an der Königstraße (heute Modehaus Finke). Der jüngste Bruder - Peter Gottlieb Niemöller - siedelte 1820 ins Dorf über und verlegte seine Kornbranntwein-Brennerei an die Blessenstätte (heute Elli-Markt). Damit hatten die Brüder Niemöller ihren angestammten Erbpachthof verlassen und sich als Unternehmer in dem aufstrebenden Gütersloh niedergelassen. 1818 kauften die Brüder Johann Heinrich Niemöller und Friedrich Wilhelm Niemöller Avenstroths Mühle in Sundern.

Quellennachweis:

  • Fürstliches Archiv zu Rheda, Bestand Rheda, Signaturen E II M 229, M 230.
  • Stadtarchiv Gütersloh, DS 3797, 3798, Sammlung Kornfeld.
  • Familienarchiv Ekkehard Niemöller.
  • Niemöller, Ekkehard, Beiträge zur Geschichte der Familie Niemöller – Gütersloh, 11 (2011).
  • Niemöller, Albert, Familie Johann Henrich Niemöller in Gütersloh, o. O. u. J.

Der Kampf ums elterliche Erbe, 1761-1784

1761 verstarb Johan Henrich Niemöller (Redecker) nach längerer, schwerer Krankheit. Die Mühlenpacht lief noch bis 1766. In dem 1755 vereinbarten Vertrag mit dem Grafen zu Bentheim-Tecklenburg konnte er auch die Nachfolge seines jüngsten Sohnes Johann Henrich Niemöller (1746-1795) als Mühlenpächter sichern. Nach seinem Tod heiratete seine Witwe Anna Maria Niemöller in zweiter Ehe Johann Henrich Fenmer. Durch die Eheschließung trat Fenmer in das Colonat und die laufende Mühlenpacht ein. Wie sein Vorgänger war auch er ein Eigenbehöriger des Grafen zu Bentheim-Tecklenburg. Im Februar 1765 verstarb Anna Maria Niemöller. Als Stiefvater führte er die Landwirtschaft, die Kornbranntwein-Brennerei sowie die Neue Mühle des unmündigen Anerben jetzt allein. Im gleichen Jahr erhielten der neue Colonus Niemöller/Neumüller (Fenmer) und seine zweite Ehefrau Maria Elisabeth Brokman die Mühlenpacht für sechs Jahre bis Ostern 1772 zugesprochen.

1771 bewarb sich der Colon Niemöller (Fenmer) fristgerecht um die erneute Pachtverlängerung. Zu seiner Empfehlung wies er darauf hin, dass er die Mühle vor Schaden bewahrt und die Mahlgäste so behandelt habe, dass keine einzige Klage gegen ihn vorgebracht worden sei. Seiner Bitte, ihm und seiner Frau die Mühle auf weitere 6 Jahre zu den alten Bedingungen zu verpachten, wurde entsprochen. Es erfolgte eine Vertragsverlängerung bis Ostern 1778. Inzwischen war die jährliche Pacht auf 350 Reichstaler und der Weinkauf auf 100 Reichstaler angestiegen. Später wurde der Pachtzins bei laufendem Vertrag noch einmal etwas angehoben, da zwischenzeitlich einige Mahlgenossen der Langert'schen Mühle wieder der Neuen Mühle zugeordnet wurden. In diesen Verträgen war der Anerbe des Erbpachthofes Niemöller als Mühlenpächter nicht genannt. Alle Verträge liefen auf Fenmer (Neumüller), Brokmann und ab 1776 Meyer, dem dritten Ehemann von Maria Elisabeth Brokman.

1772 schlossen Johan Henrich Fenmer und sein Stiefsohn Johann Henrich Niemöller (1746-1795) einen Vertrag. Der Anerbe des Erbpachthofes Niemöller, Johann Henrich Niemöller, war zu diesem Zeitpunkt bereits 26 Jahre alt. Ein Jahr fehlte ihm noch, bis er die volle Verantwortung für die Erbschaft selbst übernehmen konnte. Am 2. April 1772 übergab Fenmer vereinbarungsgemäß den Erbpachthof Niemöller und die Pacht der Neuen Mühle an den jungen Niemöller. Im Gegenzug verpflichtete dieser sich, Fenmer und seiner Frau Maria Elisabeth, geborene Brokman, sowie ihren 3 Kindern die Leibzucht zu gewähren. Doch auch nach Vertragsabschluss führte der Stiefvater Fenmer weiterhin die Mühle, wenn auch offiziell jetzt als Verwalter. Als Johan Henrich Fenmer, genannt Niemöller, 1776 verstarb, heiratete seine Witwe zunächst Friedrich Krone, der jedoch bald darauf ebenfalls das Zeitliche segnete. Obwohl zwischen dem Anerben Johann Henrich Niemöller und Maria Elisabeth Brokman keinerlei verwandtschaftliches Verhältnis bestand, blieb diese auf dem Anwesen wohnhaft. Der Vertrag von 1772 räumte ihr auch als Witwe das Leibzuchtrecht des Erbpachthofs Niemöller ein.
Die Witwe beschränkte sich jedoch nicht auf die Leibzucht. Um, wie Maria Elisabeth Brokman in einer Bittschrift an Graf Moritz Casimir II. zu Bentheim-Tecklenburg angab, den Lebensunterhalt für sich und ihre 3 Kinder aus erster Ehe (Fenmer) zu sichern, beabsichtigte sie, noch 1776 eine dritte Ehe zu schließen. Gemeinsam wollten sie die Mühlenpacht fortführen. Ihr Bräutigam Johann Herman Meyer, wiederum ein Eigenbehöriger des Grafen zu Bentheim-Tecklenburg, hatte aber noch einen Einwand gegen die Heirat: Die noch verbleibende Pachtzeit für die Neue Mühle von 2 Jahren sei zu kurz. Es bleibe ihm nicht genügend Zeit, das Vertrauen der Mahlgäste und die Zufriedenheit des Grafen zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund bat die Witwe Neumüller den Grafen, den Pachtvertrag vorzeitig um 2 Jahre bis Ostern 1780 zu verlängern. Graf Moritz Casimir II. zu Bentheim-Tecklenburg erfüllte die Bitte der Witwe, und die Ehe kam zustande. Anschließend wurde die Pacht noch einmal um 4 weitere Jahre bis 1784 verlängert.

Zunächst konnte Johann Henrich Niemöller sein Recht auf die Mühlenpacht gegenüber Maria Elisabeth Brokman nicht durchsetzen. Maria Elisabeth Brokman und ihr dritter Ehemann Colon Johan Herman Meyer schlossen 1783 gemeinsam mit Colon Christian Detmer/Detmar mit der gräflichen Rentei einen weiteren Verlängerungsvertrag über die Pacht der Neuen Mühle ab. Christian Detmer war mit Johann Henrich Niemöllers älterer Schwester Maria Elsabein Niemöller (1744-1794) verheiratet. Bevor der genannte Vertrag jedoch Ostern 1784 in Kraft trat, zog sich Meyer auf das Altenteil (Leibzucht) auf Niemöllers Hof zurück. Meyer, der mit dem jungen Mühlenpächter Niemöller in keinerlei verwandtschaftlichem Verhältnis stand, beanspruchte die Vereinbarungen aus dem Vertrag zwischen Johan Henrich Fenmer und Johann Henrich Niemöller aus dem Jahre 1772 für sich. Johann Henrich Niemöller (1746-1795) versuchte nach dem Tod der Witwe Fenmer, geborene Brokman († 1786), ihren dritten Ehemann, Johann Herman Meyer, per Gericht zu zwingen, die Leibzucht des Niemöller'schen Kolonats aufzugeben. Der Rechtsstreit endete schließlich in einem Vergleich: Johann Herman Meyer blieb dort bis zu seinem Tod.



Quellennachweise:

  • Fürstliches Archiv zu Rheda, Bestand Rheda, Signatur E II M 229, fol. 47.
  • Familienarchiv Ekkehard Niemöller.
  • Niemöller, Ekkehard, Beiträge zur Geschichte der Familie Niemöller – Gütersloh, Band 11 (2011).
  • Niemöller, Albert, Familie Johann Henrich Niemöller in Gütersloh, o. O. u. J.

Ein unerwarteter Konkurrent (1747)

Am 28. Juli 1747 ließ Herman Adolff Dieckman, einen Brief an Graf Moritz Kasimir I. zu Bentheim-Tecklenburg (Regierungszeit 1710 - 1768) schreiben. Er habe gehört, die Neue Mühle zu Pavenstädt im Kirchspiel Gütersloh stehe zur Neuverpachtung an. Als Empfehlung für sich führte er an, dass er zuvor eineinhalb Jahre die Brocker Mühle und anschließend 13 Jahre die Königlich Preussische Hausmühle nahe Isselhorst bewirtschaftet habe. Er biete eine jährliche Pacht in Höhe von 300 Reichstalern, 40 Reichstaler pro Jahr mehr als der bisherige Pächter Niemöller zahle. Anfang September teilte die gräfliche Kanzlei dem überraschten Colon Niemöller mit, dass er die Mühle für den höheren Betrag auch weiterhin pachten könne.

Im Oktober 1747 legte Müller Dieckman ein neues Angebot vor. Er erhöhe die Summe um weitere 20 Reichstaler bei einer Laufzeit von 8 Jahren. Von den 320 Reichstalern Pachtzins wolle er 100 Reichstaler sofort bei Antritt der Pacht in bar bezahlen. Für die Restsumme biete er an, Bürgen zu stellen. Für den Zustand der Mühle wie auch die Zufriedenheit der Mahlgenossen wolle er eine hinreichende Kaution hinterlegen. Er beabsichtige, die Mühle selbst zu beziehen und sei deshalb in der Lage, etwas mehr zu bezahlen als jemand, der dieselbe durch fremde Knechte betreiben lassen müsse. Er begründete sein starkes Interesse an der Mühlenpacht damit, dass sein letzter Vertrag ausgelaufen sei und er noch kein neues Unterkommen gefunden habe.

Johan Henrich Niemöller wehrte sich gegen seinen unerwarteten Konkurrenten mit aller Kraft. Er sprach persönlich in der gräflichen Kanzlei zu Rheda vor und fasste seine Argumente in einem ausführlichen Brief zusammen. Zunächst wandte er ein, dass von der vereinbarten Pachtzeit von 10 Jahren erst 7,5 Jahre verstrichen seien. Auch sei die Pachtsumme mit 260 Reichstalern jährlich bereits jetzt hoch genug. Letztlich erklärte er sich jedoch bereit, einen Betrag von 300 Reichtstalern zahlen zu wollen, auch wenn er dafür jährlich 20 Reichstaler von seinem Kotten zuschießen müsse. Er sei dazu bereit, weil er durch Überschwemmungen großen Schaden an seinem Grund fürchte, wenn die Mühle an einen fremden Müller vergeben werde. Dies könne leicht geschehen, weil der Stau bei der letzten Instandsetzung einen halben Fuß höher gelegt worden sei. Zudem berichtete er, dass er Müller Dieckman unlängst persönlich beim Meyer zu Hollen getroffen habe. Dieser habe ihm dort ins Gesicht gesagt, dass er 100 Pistolen verwetten und gegen jeden 3 Mariengroschen setzen wolle, dass er (Niemöller, Anmerkung Elisabeth Sommer) die Mühle nicht behalten werde. Damit habe Dieckman seiner Meinung nach bewiesen, dass er nur aus Bosheit sein Angebot sogar auf 320 Reichstaler erhöht habe. Niemöller betonte noch einmal, dass mit 260 Reichstalern eine Pachtsumme erreicht sei, die nur zulasten der Mahlgäste überschritten werden könne.

Die Mahlgenossen der Neuen Mühle unterstützten Colon Niemöller. Die Bäcker und Brauer schickten eine Bittschrift an die gräfliche Kanzlei. Gemeinsam sprachen sie sich für seinen Verbleib als Mühlenpächter aus. Johan Henrich Niemöller habe sie stets zu ihrer Zufriedenheit bedient und ihnen nie Anlass zu den geringsten Klagen gegeben. Sie fürchten nun aber, Schaden zu erleiden, falls die Mühle für einen höheren Pachtzins an einen neuen Müller vergeben werde.

Am 25. September 1747 empfahl der gräfliche Beamte W. Krieger seinem Landesherrn, die Pacht trotz des einträglicheren Angebots von Müller Dieckman weiterhin in den Händen von Johan Henrich Niemöller zu belassen. Der neue Pachtzins solle jedoch 300 Reichstaler jährlich betragen. Als Grund führte er an erster Stelle an, dass die Mahlgenossen „seine[r] (des Niemöllers, Anmerkung Elisabeth Sommer) Frömmigkeit mehr trauen“ als der des Dieckman. Darüber hinaus sei Colon Niemöller ein Untertan und Eigenbehöriger des Grafen.
Schließlich bestätigte Graf Moritz Casimir I. zu Bentheim-Tecklenburg Johan Henrich Niemöller als Pächter. Am 30. Oktober 1747, eineinhalb Jahre vor Vertragsende, verlängerte er den Pachtvertrag. Für einen jährlichen Pachtzins von 300 Reichstalern behielt Colon Niemöller die Neue Mühle bis 1760 in Pacht.

Quellennachweis:
Fürstliches Archiv Rheda, Bestand Rheda, E II M 229.

Anlegen einer Mühlenwaage (1782)

Immer wieder gab es Beschwerden der Bauern, dass der Müller der Neuen Mühle ihnen nicht genügend Mehl aus ihrem Getreide zurückgebe. Um dieses Problem dauerhaft zu lösen, wurde in der gräflichen Rentei im Dezember 1782 die Anschaffung einer Mühlenwaage erwogen. Bislang wurde die Multer mit einem Becher von dem Getreidesack abgenommen. Weder der Sack Korn noch der Inhalt des Bechers wurden gewogen. Ob der Becher die ordnungsgemäße Größe hatte, wurde nur selten überprüft.

Amtsvogt Goebel sah in einer Mühlenwaage ein Mittel, um die Mahlgäste abzusichern, die richtige Menge Mehl zurückzubekommen. Jedoch lagen auf der Benutzung einer Waage Abgaben an die königliche Kasse. Deshalb würde eine Waage, so meinte Goebel, vor allem einen Nutzen für die königliche Kasse darstellen. Der Amtsvogt sprach sich daher dafür aus, dem Bauern Niemöller die Mühle in Erbpacht zu überlassen, damit die Klagen wegen der Multer aufhören. Bei gutem Erfolg könne das gleiche Vorgehen auch bei Avenstroths Mühle angewendet werden.

Eine andere Stimme wies darauf hin, dass eine Waage zusätzliche Kosten verursachen würde. Es müsse ein Waagemeister unterhalten werden, der ein Gehalt von 20 bis 30 Taler bekommen müsse. Es sei daher besser, die Mühle auf 20 Jahre zu verpachten und einen zuverlässigeren Müller als den derzeitigen zu bestellen.
Als Landesherr entschied sich Graf Moritz Casimir II. zu Bentheim-Tecklenburg gegen eine langfristige Verpachtung der Neuen Mühle. Er ordnete die Anschaffung von Mühlenwaagen an. In die Praxis umgesetzt wurde diese Anordnung nicht. Weder das Ostern 1784 noch das Ostern 1816 aufgenommene Inventar der Mühle weisen eine Waage aus.

Quellennachweis:
Fürstliches Archiv Rheda, Bestand Rheda, Signatur E II M 233.
Staatsarchiv Münster, Bestand Fürstbistum Osnabrück, Osnabrückisches Amt Reckenberg, Nr. 104.

Pachtwechsel und Mühlenübergabe (1784)

Am 12. April 1783 verpachtete Graf Moritz Casimir II. zu Bentheim-Tecklenburg die Wassermühlen zu Pavenstädt für 4 Jahre - von Ostern 1784 bis Ostern 1788 - an die Coloni Johann Herman Meyer und Christian Detmer. Detmer war mit Maria Elsabein Niemöller verheiratet. Zuvor hatte Colon Meyer die Mühlen allein in Pacht. Als dritter Ehemann der Witwe Maria Elisabeth Fenmer, genannt Neumüller, geborene Brokman, war er in ein bestehendes Pachtverhältnis eingetreten. Der neue Vertrag lief von Ostern 1784 bis Ostern 1788. Beide Pächter verpflichteten sich, jährlich eine Pacht von 450 Reichstalern zu bezahlen. Zusätzlich gingen alle Reparaturen einschließlich der Unterhaltung und Anschaffung der Mühlsteine auf ihre Kosten. Ausgenommen hiervon waren lediglich die Flutwerke und die Radstühle. Diese Kosten trug die gräfliche Rentei zu Rheda. Als Pfand für die regelmäßige Bezahlung der Pacht und die vereinbarte Unterhaltung der Mühle stellten die Pächter ihr Hab und Gut.

Ostern 1784 trat Johann Henrich Niemöller (1746-1795) endlich die Mühlenpacht an, die ihm sein Vater Johann Henrich Redecker, genannt Niemöller, bereits 1755 vertraglich gesichert hatte. Gemeinsam mit seinem Schwager Colon Christian Detmer übernahm er anstelle von Johann Herman Meyer als Pächter die Neue Mühle. Den Vertrag von 1783 händigte Colon Meyer seinem Nachfolger nicht aus. Als Ostern 1816 die Mühle an den Nachpächter Kramer übergeben wurde, konnten Niemöllers Söhne den gräflichen Beamten lediglich das Übergabeprotokoll vorlegen.

Auszug aus dem Inventar der Mühlenanlage vom 20. April 1816
Auszug aus dem Inventar der Mühlenanlage vom 20. April 1816
Fürstliches Archiv Rheda, Bestand Rheda, Signatur E III M 870

Am 20. April 1784 übergab Johan Friederich Emmerich als Vertreter des Grafen zu Bentheim-Tecklenburg die Neue Mühle an die beiden Pächter. Als Zeugen waren der Kornschreiber Johan Diederich Henrich Pothman und Meister Büscher aus Wiedenbrück anwesend. Die gesamte Anlage wurde besichtigt und der Befund schriftlich festgehalten. Anhand der angelegten Inventare konnten beim Pachtwechsel eventuelle Kosten für Reparatur oder Ersatz von verschlissenem Handwerkszeug dem scheidenden Pächter in Rechnung gestellt werden. Zunächst wurde das Inventar der Mahlmühle aufgenommen. Die Mühlsteine der 3 Mahlwerke waren alle ganz und nicht gesprungen oder schadhaft. Die Lager- und Läufersteine wurden genau vermessen, um beim nächsten Pächterwechsel die Abnutzung verrechnen zu können. Vieles in der Mahlanlage befand sich in gutem Zustand. Was repariert oder ersetzt werden musste, wurde im Einzelnen schriftlich festgehalten. Unter anderem musste das Wasserrad der mittleren Mahlmühle noch vor dem nächsten Winter repariert oder ersetzt werden. Das Mühleninventar nennt in der Stube einen eingemauerten eisernen Ofen. Wahrscheinlich handelte es sich bei der Stube um einen Aufenthaltsraum für die Mahlgäste, der im Winter beheizt wurde. In vielen Mühlen warteten die Mahlgenossen in einem abgetrennten Raum auf ihr fertiges Mahlgut. So behinderten sie die Mühlenknechte nicht bei ihrer Arbeit. Das Inventar verzeichnete verschiedene blaue und weiße Mühlsteine, Werkzeuge für die Steinbearbeitung, einen kupfernen Multerbecher, ein kleines Hebeisen, 2 Ölfässer, 2 blecherne Trichter sowie einen alten Ölkessel. Auch das Inventar der Bokemühle und der Ölmühle war nur zum Teil in Ordnung, einiges bedurfte der Reparatur, anderes musste erneuert werden.

Die Mühlenpacht hatten die beiden Pächter - Niemöller und Detmer - in einer gesonderten Vereinbarung unter sich aufgeteilt. Im ersten Jahr bewirtschaftete Johann Henrich Niemöller die Mühle und legte gegenüber seinem Schwager Christian Detmer Rechnung. Im zweiten Jahr betrieb Colonus Detmer die Mühle mit Rechnungslegung gegenüber Colonus Niemöller. Im dritten Jahr setzte Mühlenpächter Detmer den Betrieb ohne Gewinn- und Verlustrechnung gegenüber seinem Partner fort, der im vierten Jahr zu denselben Bedingungen von Johann Henrich Niemöller geführt wurde. Die Instandhaltungskosten trugen beide Pächter während der gesamten vier Jahre gemeinsam.

Niemöller und Detmer verlängerten die Mühlenpacht noch zweimal, bis ihnen 1792 ihre Söhne Johann Heinrich Niemöller, Friedrich Wilhelm Niemöller, Peter Gottlieb Niemöller und Carl Heinrich Detmar als Mühlenpächter nachfolgten. Das legt zumindest die Pachtverlängerung von 1801 nahe. Insgesamt behielten sie die Mühlenpacht der Neuen Mühle bis Ostern 1816. Jetzt suchte Graf Emil Friedrich I. zu Bentheim-Tecklenburg einen neuen Pächter für die Mühlen. An Familie Niemöller wollte er die Pacht nicht wieder vergeben. Als die 3 Brüder im Jahre 1819 dem Fürsten - Graf Emil Friedrich war 1817 in den erblichen Fürstenstand erhoben worden - ein Kaufangebot unterbreiteten, wiesen seine Beamten dieses mit dem Hinweis auf einen zu geringen Kaufpreis zurück.


Quellennachweis:

  • Fürstliches Archiv Rheda, Bestand Rheda, Signatur E II M 230, E III M 867,1.
  • Stadtarchiv Gütersloh, DS 3707.

Die Getreidemühle (1784-1850)

Die wichtigste Mühle der Neuen Mühle war die Getreidemühle. Das Mühlengebäude schloss sich direkt an das Wohnhaus an. Die gesamte „Gebäulichkeit“ erstreckte sich über eine Breite von 32,5 Fuß (10,2 Meter) und eine Länge von 48,5 Fuß (15,2 Meter). Die Längsseite bestand aus 8 Gefachen. Die Wandhöhe bis zur Dachtraufe betrug 12,5 Fuß (3,9 Meter). Die Wände des Fachwerks waren größtenteils mit Ziegelsteinen ausgemauert, die Giebel mit Brettern verkleidet. Die Grundmauern des Wohn- und Mühlenhauses befanden sich im Jahre 1850 in einem guten Zustand. Die Decken des unteren Zimmers waren „geweißelt“, der Heuboden mit eichenen Dielen belegt. An der nördlichen Seite befand sich ein Anbau, der eine Stube mit einer Breite von 11 Fuß (3,45 Meter) bildete. Das Schrägdach des Anbaues war mit dem Dach des Wohnhauses verbunden. Bei der Mühlenübergabe an den neuen Pächter im Jahre 1850 befand sich das Gebäude im Wesentlichen in einem guten Zustand. Lediglich die Grundschwellen waren nicht mehr so gut, aber noch zufriedenstellend.

Partie an der Neuen Mühle, um 1930
Partie an der Neuen Mühle, Mühlengebäude (um 1930), Stadtarchiv Gütersloh, BB07168

Das Stauwerk der Kornmühle war aus Eichenholz gefertigt. Es war im Jahre 1803/04 vollständig neu gebaut worden und fand sich 1850 in sehr schlechtem Zustand. Die Verschalung war fast völlig mürbe und bedurfte innerhalb der nächsten 4 bis 6 Jahre einer Erneuerung. Der Radstuhl war um 1816 zum letzten Mal ausgewechselt worden.
Das Inventar der Getreidemühle weist drei Kornmahlgänge aus. Jeden Mahlgang trieb ein eigenes Wasserrad an. Verarbeitet wurden Roggen, Gerste, Hafer und Buchweizen. Andere Getreidearten konnten auf dem leichten Sandboden um Gütersloh nicht angebaut werden.

Die Mühlenanlage ergänzte eine Scheune. Darin konnten Gerätschaften aufbewahrt und Vorräte bzw. Mahlgut zwischengelagert werden. Laut dem Mühleninventar von 1850 betrug die Länge der Scheune 36 Fuß (11,30 Meter), die Breite 29 Fuß (9,10 Meter) und die Höhe des Stapelwerks 11 Fuß (3,45 Meter). Die Scheune war in Fachwerk gebaut und 7 Gefache hoch. Die Fachwerke an der vorderen (südlichen) Seite waren aus Ziegeln, dagegen die an der östlichen, nördlichen und westlichen Seite aus Leimen gearbeitet. Die Scheune war auf Grundmauern errichtet. Der Boden war nicht belegt und lag offen. Die Giebel waren mit Brettern verkleidet.


Quellennachweis:

  • Fürstliches Archiv Rheda, Bestand Rheda, Signatur E II M 230, E III M 867,1+2.
  • Ilse Lohmann (Bearb.), Die „Neue Mühle“ im ehemaligen Kirchspiel Gütersloh, Bauerschaft Pavenstädt, Haus Nr. 10a, heute Herzebrocker Straße 298, in: Aus der Geschichte der Gütersloher Wassermühlen, o. O. 1996.
  • Staatsarchiv Münster, Grafschaft Tecklenburg, Akten, Nr. 203

Die Ölmühle (1784-1850)

Die Ölmühle war in einem Fachwerkgebäude untergebracht, das 21 Fuß (6,59 Meter) breit und 25 Fuß (7,84 Meter) lang war. Das Fachwerk hatte 4 Gefache, die Wände waren teils aus Leimen (unklar, möglicherweise Lehm- und Stroh-Mischung), teils aus Brettern gearbeitet. Das Gebäude hatte keine Grundmauern. 1844 brannte die Ölmühle vollständig nieder. Für die Schadensregulierung sorgte die Aachen-Münchener Societät. Wahrscheinlich wurde die Mühle sehr schnell wieder aufgebaut. Das Übergabeprotokoll von 1850 führt sie bereits wieder auf. Darin hielten Rentmeister Schröder und Gerichtsschreiber Breme ausdrücklich fest, dass das Stauwerk und der Radstuhl zuletzt im Jahre 1826 neu gebaut worden waren. Beides befinde sich noch in gutem Zustande. Demnach waren sie von dem Brand wohl verschont geblieben.

Im 19. Jahrhundert waren die deutschen Öle von einer geringeren Qualität als die Produkte des benachbarten Auslandes. Häufig schmeckte das Öl leicht verbrannt oder unangenehm nach dem Geruch ihrer Ursprungspflanzen. Deshalb wurden überwiegend technische Öle hergestellt, die als Lampenöl, Schmierstoff oder auch als Grundstoff für die Seifenherstellung verwendet wurden. Nach dem Pressen blieb die ausgepresste Fruchtmasse zurück. Dieser Ölkuchen ergab ein eiweiß- und energiereiches Futtermittel für Klein- und Großvieh und war deshalb eine begehrte Tiernahrung. Je nach Region wurden in Westfalen zur Ölgewinnung verschiedene Früchte eingesetzt. Im Gütersloher Raum wurde Öl für den menschlichen Verzehr aus Raps, Rübsen, Leinsamen (Flachs), Nüssen, Bucheckern und Hanf gepresst.

Traditonell wurde das Öl in 3 mechanischen Schritten aus den Samenkernen gewonnen: Zerkleinern - Erwärmen - Auspressen. Je nach Art der zu verarbeitenden Ölfrucht wurde der Samen zerkleinert oder zerquetscht. Raps wurde z. B. in der Schrotmühle geschrotet, Bucheckern wurden im Kollergang zerrieben.

2 Inventare der Ölmühle bieten Hinweise auf ihre Funktionsweise. Ein Wasserrad trieb einen Kollergang mit 2 Ölsteinen und einem Lagerstein an. Dabei stehen die beiden kleineren Ölsteine senkrecht auf dem unteren Lagerstein. Die beiden senkrechten Läufersteine drehen sich einmal um die eigene Achse und gleichzeitig gemeinsam um die Mittelachse des Lagersteins. Daneben trieb das Wasserrad auch 2 Stampfen und das Presswerk an. Demnach verfügte die Ölmühle über 2 unterschiedliche Möglichkeiten, die Samen grob aufzuschließen: die holländische mittels des Kollergangs und die deutsche mittels der Stampfen.

Erfolgte die erste Pressung geeigneter Saaten wie Hanf oder Nüsse noch im kalten Zustand, so ergab sich ein mildes, haltbares Speiseöl. Für weitere Pressungen wurde die Fruchtmasse auf einem Ofen „laulich milchwarm“ erwärmt. Dabei musste die Ölmaische ständig umgerührt werden, damit sie sich nicht festsetzte oder anbrannte. Das leichte Erwärmen verflüssigte die in den Pflanzenzellen gespeicherten Öle etwas. Dieses Verfahren erhöhte die Menge des gewonnenen Öles und vereinfachte die Arbeit des Ölschlagens.

Im dritten Arbeitsschritt wurde die erwärmte Ölmaische schichtweise in Öltücher eingeschlagen. Die gefüllten Tücher wurden in die mit kleinen Löchern versehenen Ölschreine gelegt. Jetzt erfolgte das Pressen in der Öllade, dem Presswerk. Das Öl trat durch die Löcher aus und wurde sogleich aufgefangen. Ein Teil des Öles blieb jedoch stets in den vollgesogenen Öltüchern zurück. Die Reinigung der Öltücher erfolgte durch Ausschlagen. Die aus Pferde- oder Kuhschwanzhaaren gewirkten fingerdicken Haartücher konnten schon wegen ihrer Unbiegsamkeit nicht gewaschen werden. Nicht benötigte Tücher wurden in klarem, kalten Wasser eingelegt. So trockneten sie nicht aus, und das darin verbliebene Öl wurde nicht ranzig. Diese einfache Vorgehensweise hatte sich zur Reinhaltung der Tücher bewährt.

Möglicherweise wurde die Ölmühleder Neuen Mühle um 1900 stillgelegt. Ein genauer Zeitpunkt der Einstellung des Betriebes ließ sich bisher nicht ermitteln.

Quellennachweis:

  • Fürstliches Archiv Rheda, Bestand: Rheda, Akten (Rha. 2) E III M 867,2, 869.
  • Ueber verschiedene Gegenstande bei der Ölbereitung mit besonderer Hinsicht auf das im Herzogtum Westphalen übliche Verfahren, aus Mitteilungen von dem Hofkammerrath Hrn. Arndt in Arnsberg ausgezogen, in: Neues Kunst- und Gewerbeblatt, hg. von dem polytechnischen Verein für das Königreich Bayern, 10. Jahrgang, oder des Neuen Kunst- und Gewerbeblattes, 2. Band, Nr. 12, München 1824, S. 71-85.

Die Bokemühle (1784-1851)

In einer Bokemühle wurden Flachs und Hanf durch Stampfen grob zerkleinert, um die Pflanzenfasern für die weitere Verarbeitung vorzubereiten. Aus Flachs - lateinisch linum - wurde Leinen, aus Hanffasern sehr widerstandsfähige Textilien, Schiffstaue und Papier hergestellt.

Die Bokemühle der Neuen Mühle befand sich in einem Fachwerkgebäude von 22,5 Fuß (7 Meter) Breite und 32,5 Fuß (10,2 Meter) Länge. Das Gebäude war 10 Fuß (3,13 Meter) hoch. Die Wände waren überwiegend aus „Zaunwerk“ gearbeitet und teilweise mit Brettern zugedeckt. Grundmauern fehlten. Das Dach fand sich bei der Besichtigung im April 1850 in einem gutem Zustand. Der Radstuhl war zuletzt im Jahre 1826 neu gebaut worden. Die Flutwerke bedurften bei der Mühlenübergabe 1850 dringend einer Erneuerung. Diese Baumaßnahme wurde bis 1851 abgeschlossen. Eine Brücke vor der Bokemühle war erst 1831 neu gebaut worden und zur Zeit der Übergabe 1850 noch in gutem Zustand.

Flachsrotte, 1923
Flachsrotte, 1923
Eduard Schoneweg, Das Leinengewerbe in der Grafschaft Ravensberg. Ein Beitrag zur niederdeutschen Volks- und Altertumskunde, erweiterte zweite Ausgabe, Osnabrück 1985, Abbildung 3.

Neben der Bokemühle befand sich eine Rotte. Um die Hanf- und Flachsfasern im Stampfwerk „schlagen“, das heißt zerkleinern zu können, mussten die Stengel zuerst von ihrem holzigen Kern – dem „pik“ - befreit werden. Dies geschah in einem kleinen Wassertümpel oder Teich. Dazu wurden die Bündel schichtweise in das Wasser gelegt und anschließend von oben mit Steinen beschwert, so dass sie nicht an die Oberfläche steigen konnten. Nach 7 bis 10 Tagen war der holzige Pik so weit verrottet, dass die feineren Fasern sich abgelöst hatten. Jetzt konnten die Flachsbündel wieder herausgenommen und nach dem Trocknen in der Bokemühle „gebokt“ werden. Verblieben die Bündel zu lange oder nicht lange genug in der Rotte, litt die Qualität des gewonnenen Leinens. Wichtig war auch die Qualität des Wassers: Es sollte nur einen geringen Kalkgehalt aufweisen.

Nach dem Inventar bestand die Bokemühle der Neuen Mühle aus 2 Bokebänken. Die vordere wie auch die hintere Bank war mit je 6 Bokestampfern bestückt. Ein Wasserrad trieb über 2 Kammräder 2 Wellen mit mehreren Zapfen an, die die Stampfer auf und ab bewegten. Die Stelle, an der die Stampfer auf den Bokstapel - einem vierkantig geschälten Baum - niedergingen, war etwa einen Fuß tiefer ausgefräst als der Rest des dicken Balkens. An dieser Stelle war die sogenannte Nuss eingelassen, ein Stück besonders hartes Endholz, das dem schweren Stoß von oben besser standhielt.

Flachs boken, vor 1923
Flachs boken, vor 1923
Eduard Schoneweg, Das Leinengewerbe in der Grafschaft Ravensberg. Ein Beitrag zur niederdeutschen Volks- und Altertumskunde, erweiterte zweite Ausgabe, Osnabrück 1985, Abb. 7.

Das Boken war sehr arbeitsintensiv. Eine Person gab neue Bündel an und nahm die fertigen Bündel ab, während weitere Personen je einen Stampfer bedienten. Auf einem kleinen Hocker vor dem Stampfen sitzend, legten diese mit beiden Händen kleine Flachsbündel unter die herunterschlagenden Stempel. Dabei mussten sie sehr vorsichtig sein, um von den zentnerschweren Stempeln nicht verletzt zu werden. Sie achteten darauf, dass die Fasern durch das Stampfen nicht zu heiß wurden, weil sie dann ihre Geschmeidigkeit verloren und brüchig wurden. Wenn die Bokemühle in Betrieb war, wurde so lange gearbeitet, bis die ganze Fuhre Flachs gebokt war. Ein Leerlaufen hätte einen Schaden für die Stampfer und den Bokstapel bedeutet.

Eine Bokemühle war nicht ganzjährig in Betrieb. Nur im Herbst und im Winter wurde gebokt. Die Arbeit verrichteten stets die Leute des Bauern. Der Bauer mietete die Bokemühle tageweise an. Um die Mietzeit möglichst kurz zu halten, ließen die Bauern ihre Mägde und Knechte oftmals auch nachts durcharbeiten.

Wie bei der Ölmühle ist auch bei der Bokemühlenanlage der Neuen Mühle der Zeitpunkt nicht bekannt, an dem der Betrieb eingestellt wurde. Auf einer Fotografie von 1907 ist das Gebäude der Bokemühle noch zu erkennen. Dass sie zu der Zeit noch in Betrieb war, ist möglich. Im benachbarten Ravensbergischen gab es laut Schoneweg im Jahre 1894 noch sehr viele Bokemühlen, die bis 1911 jedoch weitestgehend verschwunden waren. Eine ähnliche wirtschaftliche Entwicklung im benachbarten Gütersloh erscheint naheliegend.

Quellennachweis:

  • Fürstliches Archiv Rheda, Bestand Rheda, Signatur E II M 230, E III M 867,1+2, 870.
  • Eduard Schoneweg, Das Leinengewerbe in der Grafschaft Ravensberg. Ein Beitrag zur niederdeutschen Volks- und Altertumskunde, erweiterte zweite Ausgabe, Osnabrück 1985.

Versteigerung der Mühlenpacht (1816, 1821)

Freitag, den 12. Januar 1816 erschien in der Lippstädtischen Zeitung, Ausgabe Nummer 7, eine Anzeige der gräflichen Kanzlei zu Rheda. Die Neue Mühle zu Pavenstädt mit 3 Kornmahlgängen, einer Öl- und einer Bokemühle sollte am Donnerstag, dem 15. Februar 1816, nachmittags um 2 Uhr auf 6 oder 12 Jahre öffentlich an den Meistbietenden versteigert werden. „Pachtlustige“ wurden eingeladen, sich zu dem Termin in der „Behausung des Herrn Gastwirts Riese“ einzufinden. Die Bedingungen seien vorher bei dem unterzeichnenden Hofrat F. Gerstein zu Rheda jederzeit einsehbar.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Gebrüder Niemöller und Carl Henrich Detmer die Neue Mühle in Pacht. Eine weitere Verpachtung an die bisherigen Pächter lehnte Graf Emil Friedrich I. zu Bentheim-Tecklenburg jedoch ab. Für die stattliche Summe von 655 Reichstalern jährlich ersteigerte Müller Bernhard Kramer aus Möhler die Mühlenpacht. Nur 9 Wochen später, am 20. April desselben Jahres, übernahm er bereits die Mühle.

Neue Mühle, Boke- und Kornmühle, 1907
Links die Bokemühle und rechts die Kornmühle der Neuen Mühle (1907)
Stadtarchiv Gütersloh, BB 07169

Jedoch hatte sich Müller Kramer hinsichtlich der zu erwartenden Einnahmen aus der Mühle verschätzt. Der Pachtvertrag wurde auf seine Bitte hin vorzeitig aufgelöst und die Neue Mühle zur Neuverpachtung ausgeschrieben. Am 5. Mai 1821 trafen sich an der Neuen Mühle mehrere Bieter und einige interessierte Zuschauer. Als Mitbieter waren anwesend: die Brüder Friedrich Wilhelm Niemöller und Peter Gottlieb Niemöller, Friedrich Bode aus der Strangmühle zu Avenwedde, Friedrich Bode aus der Füchtei-Mühle bei Rietberg, Müller Graeveling von Mohl, Müller Stoffel von Marienfeld, der scheidende Pächter Bernhard Kramer und Colon Maas bei Pavenstädt. Bernhard Kramer gab mit 355 Reichstalern das höchste Gebot ab. Diese Summe erschien den Beamten des Fürsten zu Rheda zu gering. Daher setzten sie einen weiteren Versteigerungstermin am 30. Mai an.

Der neue Versteigerungstermin wurde in der Lippstädter Zeitung und im Paderborner Intelligenzblatt bekannt gemacht. Daraufhin fand sich eine größere Zahl von Bietern zur Versteigerung ein. Mit 400 Reichstalern bot Müller Johann Friedrich Deitert aus Isselhorst die höchste Summe, gefolgt von Müller Kramer mit 395 Reichstalern. Der Pächter der Brocker Mühle namens Graevelink bot 390 Reichstaler. Die fürstlichen Beamten schickten ihrem Landesherrn einen ausführlichen Bericht. Gegen Deitert hegten sie Bedenken wegen dessen Zahlungsfähigkeit. Kramer habe sich bereits als schlechter Pächter erwiesen. So scheine es ihnen ratsam, den Graevelink näher zu sondieren. Dieser habe erklärt, die Mühle für 390 Reichstaler, aber nicht für mehr, bestellen zu wollen. Ein höherer Pachtertrag sei ihrer Meinung nach derzeit nicht zu erzielen. Fürst Emil Friedrich zu Bentheim-Tecklenburg wies seine Beamten an, Erkundigungen über Johann Friedrich Deitert aus Isselhorst einzuziehen. Gegebenenfalls solle die Neue Mühle auf 6 Jahre für 390 Reichstaler an Graevelink verpachtet werden.

Die Bedenken gegen Müller Deitert aus Isselhorst konnten nicht ausgeräumt werden. Müller Graevelink zog sein Angebot zurück. So bekam schließlich Mühlenknecht Friedrich Bode aus der Füchtei-Mühle bei Rietberg den Zuschlag für jährlich 390 Reichstaler. Am 30. Juni 1821 räumte der vorherige Pächter Bernhard Kramer die Mühle, und der neue Pächter Bode übernahm die Mühlenanlage.

Quellennachweis:
Fürstliches Archiv Rheda, Bestand Rheda E III M 867,1, 870.

Zur Wirtschaftlichkeit einer Wassermühle (1816-1821)

Am 20. April 1816 erfolgte die Übergabe der Mühlenanlage an den Pächter Bernhard Krämer. Zur Mühlenanlage gehörten eine Kornmühle mit 3 Mahlgängen, eine Öl- und eine Bokemühle. Bereits am 9. November desselben Jahres sah der Müller sich veranlasst, bei seinem Verpächter Graf Emil Friedrich I. zu Bentheim-Teckenburg einen jährlichen Nachlass von 55 Reichstalern auf den Pachtzins zu erbitten. Der Nachlass wurde ihm gewährt.

Im folgenden Jahr - 1817 - stand die Getreidemühle 6 Wochen still. Müller Kramer bat deshalb um einen Pachtnachlass von 30 Reichstalern. Er beklagte Einnahmeverluste, weil er wegen des Stillstandes den ostseeischen Roggen nicht habe mahlen können. Bewilligt wurde ihm eine Minderung um weitere 20 Reichstaler. Im Sommer 1819 suchte eine Dürre das Land heim, die nicht zuletzt auch dem Mahlgeschäft sehr schadete. Fürst Emil Friedrich I. zu Bentheim-Tecklenburg legte daraufhin einen neuen Pachtszins in Höhe von 550 Reichstalern fest.

Situationsplan Neue Mühle, 1921
Situationsplan Neue Mühle, die Öl- und Bokemühle links sind bereits stillgelegt, 1921
LAV OWL, Bestand M1 EA 1255, fol. 67 (Randzeichnung M 1:20000)

Aufgrund seiner weiterhin anhaltenden finanziellen Schwierigkeiten bat Bernhard Kramer am 23. Mai 1820 darum, vorzeitig aus dem Pachtvertrag entlassen zu werden. Er begründete sein Gesuch wie folgt: Neben der jährlichen Pacht von 550 Reichstalern müsse er die Kosten für alle Reparaturen und die Mahlsteine übernehmen. Bei Vertragsabschluss im Jahre 1816 sei kein Gedanke daran gewesen, dass in dieser Gegend neue Mühlen eingerichtet werden sollten. Gegenwärtig sei aber nicht allein zu Rheda und zu Oelde eine neue Windmühle gebaut worden, sondern auch der Meyer zu Langert beabsichtige gerade, eine neue Ölmühle zu errichten. Das führe zu vorhersehbarem Schaden. Zudem habe der Wassermangel infolge der vorhergehenden Dürre das Mahlgeschäft stark beeinträchtigt. Wegen der geringen Kornpreise habe sich außerdem der etwaige Gewinn sehr stark vermindert. Darüber hinaus seien die meisten Brantweinbrauereien wegen der hohen Abgaben beinahe gänzlich eingestellt worden. Er sei daher nicht mehr in der Lage, den mit der „Domainen-Verwaltung Seiner Durchlauchten eingegangenen Pachtungs-Vertrag als ehrlicher Mann zu erfüllen“.

Die Domainen-Verwaltung lehnte eine vorgezogene Pachtentlassung aus rechtlichen Gründen ab. Diese Begründung war jedoch nur vorgeschoben. Tatsächlich sprachen sich die fürstlichen Beamten und Räte wegen der schlechten Perspektive für eine Neuverpachtung gegen die Vertragskündigung aus. Fürst Emil Friedrich I. verringerte die Pachtsumme für die verbleibenden 2 Jahre um weitere 25 Reichstaler. Dennoch entsprach der Fürst im folgenden Jahr dem Wunsch des Müllers. Am 14. Juni 1821 - 10 Monate vor dem regulären Vertragsende - übergab Bernhard Kramer die Mühlenanlage den fürstlichen Beamten. Dem scheidenden Müller blieb noch eine offene Zahlung von 75 Reichstalern an rückständiger Pacht. Am 17. September wurden ihm darauf 25 Reichstaler erlassen. Mit Bezahlung des noch offenen Betrages war das Kapitel „Neue Mühle“ für Bernhard Kramer nach mehr als 5 schwierigen Jahren endgültig abgeschlossen.

Um wie viel zu hoch die Pachtsumme in diesem Falle lag, zeigte die schließlich doch noch erfolgte vorzeitige Neuverpachtung vom 31. Mai 1821. Die dabei erzielte Pacht für die Neue Mühle belief sich auf gerade einmal 390 Reichstaler jährlich. Das waren 60 Prozent der ursprünglich vereinbarten 655 Reichstaler. War die Jahrespacht zu hoch abgeschlossen, konnte sie aus dem Mahlgeschäft allein nicht mehr erwirtschaftet werden. Vor allem witterungsbedingte Einnahme-Ausfälle und vermehrt auftretende größere Reparaturen sorgten schnell für deutliche Gewinneinbußen der Mühlenpächter. Letztlich trugen die Mühlenpächter das Geschäftsrisiko allein. Sie konnten nur hoffen, dass die Verpächter ihnen in Krisenzeiten mit Pachtnachlässen entgegen kamen.

Quellennachweis.
Fürstliches Archiv Rheda, Bestand Rheda E III Nr. 867,1.

Aus dem Prozess gegen Bauer Sessbrügger (1855, 1856)

Regelmäßig ergaben sich mit den Nachbarn einer Wassermühle und dem Müller Streitigkeiten wegen der Aufstauung des Wassers. Für die Mühlen entstand bei unsachgemäßer Öffnung oder Schließung der Flutwerke stets die Gefahr von Schäden an der Mühlenanlage. Manches Mal musste der Betrieb sogar eingestellt werden. Auch bei der Neuen Mühle gab es derartige Streitigkeiten, die häufig bis vor Gericht führten. In den Jahren 1855 und 1856 kam es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Fürsten zu Bentheim-Tecklenburg und dem Bauern Sessbrügger aus der Bauernschaft Ems. Colon Sessbrügger hatte mehrfach die Flutschützen der Neuen Mühle eigenmächtig geöffnet, wenn das Wasser drohte, seine Wiesen und Äcker zu überfluten. Darüber hinaus hatte er das Wasser ebenfalls eigenmächtig gestaut oder verlangt, es zu stauen, wenn er zusätzliches Wasser für die Bewässerung seines Grundstücks benötigte.

Neue Mühle, Bachquerschnitte
Bachquerschnitte 1:200, 1921
LAV OWL, Bestand M 1 BA 1255, fol. 67

Die Verhandlungen fanden vor der Königlich Preußischen Kreisgerichts-Kommission zu Rheda statt. Im ersten Prozess 1855 wurde unter anderem ein Mühlenknecht der Neuen Mühle zur Sachlage angehört. Am 24. Juli 1855 befragte die Gerichtskommission den Mühlenknecht Friedrich Wilhelm Appelbaum aus Pavenstädt. Zu seiner Person gab der Zeuge an, 34 Jahre alt und evangelisch zu sein. Er sei bei Müller Kramer angestellt und beaufsichtige den Betrieb der Neuen Mühle seit 1852. Zur Sache führte er aus, dass je nach Wasserstand und Einstellung der Flutschützen (offen oder geschlossen, Anmerkung Elisabeth Sommer) die Grundstücke unterhalb der Mühle unter Wasser gesetzt würden. Bei diesen Grundstücken handele es sich um die Gärten des Fürsten zu Rheda bzw. die dem Colon Maas gehörenden Wiesen und „Kämpe“. Blieben diese Grundstücke verschont, treffe es die Grundstücke des Bauern Sessbrügger. Das Wasser komme jeweils aus dem Oelbach (gemeint ist wohl die Wapel, Anmerkung Elisabeth Sommer), der Dalke oder der Ems.

Neue Mühle, Urmesstischblatt 1837
Urmesstischblatt 1837, Lageplan mit Colon Sessbrügger
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Bezirksregierung Köln, Abt. 7, Geobasis NRW:
Geobasisdaten des Landes NRW © Geobasis NRW 2011

Bei einem weiteren Gerichtstermin am 30. Oktober 1855 anerkannte der Beklagte Colon Sessbrügger, dass er nicht befugt sei, die Flutschützen an der Kornmühle des Klägers selbst zu öffnen oder die an dessen Öl- und Bokemühle befindlichen Flutwerke selbst zu schließen oder deren Schließung zu verlangen. Mit diesem Eingeständnis war der Streit vorerst beendet.
Im Mai des folgenden Jahres trafen sich die Kontrahenten jedoch erneut vor der Königlichen Kreisgerichts-Kommission zu Rheda. Wiederum sollten 2 Mühlenknechte der Neuen Mühle befragt werden. Es erschien jedoch nur der Mühlenknecht Heinrich Baumotte aus Sundern. Heinrich Baumotte war 26 Jahre alt, evangelisch und arbeitete im dritten Jahr als Knecht beim Müller Kramer in der Neuen Mühle. Mühlenknecht Friedrich Wilhelm Appelbaum ließ sich zu dem anberaumten Termin als krank entschuldigen. 4 Wochen später wurde er von einer Gerichtsdeputation an seinem Krankenbett in der Neuen Mühle zu Pavenstädt vernommen. Als Aufseher der Neuen Mühle bestätigte er, dass Colon Sessbrügger bei hohem Wasserstand wiederholt verlangt habe, die Flutschleusen zu schließen bzw. zu öffnen, oder dieses selbst gemacht habe.

Am 29. September 1856 erging in der Sache das Urteil der Königlich Preußischen Kreisgerichts-Kommission. Der Beklagte Colon Sessbrügger habe die Kosten des Gerichts zu tragen. Die Begründung lautete: Der Klageantrag sei dahin gerichtet, den Beklagten für nicht befugt zu erkennen, bei hohem Wasserstande die Schließung der an der Fürstlichen Öl- und Bokemühle zu Pavenstädt befindlichen Flutwerke zu verlangen, noch solche selbst zu schließen oder die Flutschützen an der Kornmühle selbst zu öffnen. Der Beklagte habe zugegeben, dass er ein solches Recht nicht habe. Daher sei der Klageantrag in der Hauptsache zurückgezogen. Der Urteilsspruch beendete diesen Streit. Auf einen weiteren Prozess ließ es Colon Sessbrügger nicht mehr ankommen. Zukünftig beachtete er die geltende Rechtslage.

Quellennachweis:
Fürstliches Archiv Rheda, Bestand Rheda, E III M 869.

Stilllegung der Mahlmühle (1930)

1914 kaufte der Müllermeister und Gastwirt Heinrich Dirksmöller die Neue Mühle ohne Staurechte für die Dalke von der Witwe von Ludwig Brockmann. Die Staurechte hatte Müller Brockmann bereits früher an die Landwirte Meier Rassfeld zu Gütersloh und Arnold Ruwisch (vormals Hof Sessbrügger) zu Nordrheda-Ems verkauft. Noch bis Mitte der 1960er Jahre nutzten die Bauern das Wasser von Wapel und Dalke zum Flößen ihrer Wiesen.
Um 1921 vergrößerte Dirksmöller das Gebäude der Kornmühle nach Norden hin auf das Doppelte. Im Jahre 1923 wollte Heinrich Dirksmöller die Mühle modernisieren und das Wasserrad der Getreidemühle durch eine moderne Francis-Turbine ersetzen. Um die Turbine betreiben zu können, benötigte der Müller die Staurechte. Der entsprechende Antrag bei der Mindener Bezirksregierung löste eine langwierige Auseinandersetzung aus. Auf der einen Seite standen seine Nachbarn Arnold Ruwisch und Meier Rassfeld, auf der anderen Seite Heinrich Dirksmöller. Als dritter Streitgegner trat die Stadt Gütersloh auf. Die Stadt wollte die Dalke für Abwässer nutzen.

Neue Mühle, 1930er Jahre
Gaststätte „Neue Mühle“ (1930er Jahre)
Stadtarchiv Gütersloh, BB 27298

Es kam nicht mehr zur Modernisierung der Neuen Mühle. Auf einer Postkarte teilte Müller Dirksmöller dem Vorsitzenden des Bezirksausschusses zu Minden mit, dass er den Antrag auf Genehmigung von Wasserrechten an der Dalke zum Einbau einer Turbine in seiner Mühle zurücknehme. Heinrich Dirksmöller gab am 11. Juni 1930 den Mühlenbetrieb endgültig auf. Anschließend führte er nur noch die Gastronomie in der Neuen Mühle weiter.

Quellennachweis:
LA NRW OWL, Bestand M 1 BA, Nr. 1255.

Die Neue Mühle heute

Bei der Neuen Mühle erinnert außer dem Namen heute fast nichts mehr daran, dass an dieser Stelle für zum Teil mehrere Jahrhunderte bis zu drei Mühlen ihren Dienst verrichtet haben. Auch dass die Dalke einmal unmittelbar rechts am Gebäude vorbei floss, lässt sich kaum noch erahnen.

Am ehemaligen Gaststättengebäude der Neuen Mühle findet der Besucher einen eindeutigen Hinweis auf die ehemaligen Mühlen: Das (unter Denkmalschutz stehende) Wappen der früheren Reichsgrafen und heutigen Fürsten zu Bentheim-Tecklenburg. Die unter dem Wappen angebrachte Erläuterungstafel gibt einige kurze Informationen zur Geschichte der ehemaligen Grafenmühlen. Weitere ausführliche Informationen zur Mühlengeschichte finden Sie auf den Seiten dieser Station.

Wappen des Grafen Moritz Kasimir I. zu Bentheim-Tecklenburg
Wappen des Grafen Moritz Kasimir I. zu Bentheim-Tecklenburg
Erläuterung Wappen Neue Mühle

Die Gebäude der ehemaligen Kornmühle beherbergten bis März 2016 ein Ausflugslokal mit Gaststätten- und Restaurantbetrieb. Nach dem Tode des letzten Gaststättenbetreibers wurde das Grundstück von seiner Witwe im Winter 2015/2016 veräußert.
Über die künftigen Nutzungsabsichten hat der neue Grundstückseigentümer bisher noch nichts verlauten lassen.

Radrennen über Wasser

Eine traditionsreiche Veranstaltung war das "Radrennen über Wasser", das jedes Jahr auf der zur Neuen Mühle gehörenden Teichanlage stattfand. Veranstalter dieser "Gaudi" war der Verein ToyRun4Kids e.V. Mit den Erlösen wurden Einrichtungen für Kinder aktiv unterstützt. Die für den 20. und 21. August 2016 geplante 53. Auflage des Radrennens wurde jedoch wegen zu geringer Anmeldezahlen abgesagt. In einer Pressemitteilung hat der Verein mitgeteilt, dass es das Rennen in seiner bekannten Form auch künftig nicht mehr geben werde.

Die Geschichte des Radrennens über Wasser reicht zurück bis in das Jahr 1954, in dem diese Veranstaltung erstmalig unter der Regie des Radsportvereins Möve und des Radsportvereins Gütersloh stattfand. Nähere Informationen über dessen Ursprünge liegen leider nicht vor.

Fest verbunden mit dem „Radrennen über Wasser“ ist der langjährige Vorsitzende des Radsportvereins Gütersloh, Engelbert Mörchen, der diese immer am letzten Wochenende der Schulferien stattfindende Veranstaltung über viele Jahre moderiert und zu einem Familienfest etabliert hat. Ende der 90er Jahre musste Herr Mörchen jedoch aus gesundheitlichen Gründen aufgeben und so fand 1997 zunächst das letzte „Radrennen über Wasser“ statt. Da sich niemand fand, der diese Veranstaltung weiterführte, war damit das Ende dieses beliebten Spektakels zunächst besiegelt.

Neue Mühle, Radrennen über Wasser

Es dauerte dann bis zum Jahr 2005, bis der Verein ToyRun4Kids e.V. unter seinem Vorsitzenden Hans-Jörg Milse wieder ein Radrennen über Wasser veranstaltete. Trotz Kälte und Regen wurde die Veranstaltung wieder ein voller Erfolg. Seitdem (bis 2015) gehörte das „Radrennen über Wasser“ wieder zum jährlichen Programm auf dem Teich der Neuen Mühle.

Neue Mühle, Radrennen über Wasser
Neue Mühle, Radrennen über Wasser

Weitere Informationen finden Sie auf der Seite www.radrennen-wasser.de.

Bildrechte: ToyRun4Kids e.V., Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung

 
 
 

Anschrift

Stadt Gütersloh
Der Bürgermeister
Berliner Straße 70
33330 Gütersloh

Kontakt und Informationen

T: +49 5241 / 82-1
F: +49 5241 / 82-2044
Kontaktformular

Social Media

 
 

Sprachversion

Englische Sprachversion öffnen
Französische Sprachversion öffnen
Leichte Sprache öffnen