Zum Inhalt (Access key c)Zur Hauptnavigation (Access key h)Zur Unternavigation (Access key u)
 

Wenn Angestellte die Firmenregeln machen

23.09.2019

Referent beim Mittelstandsempfang der Stadt Gütersloh hinterfragt Hierarchien in Unternehmen.

Austausch mit der Gütersloher Wirtschaft beim Mittelstandsempfang der Stadt im Schenkenhof: (v.l.) Bürgermeister Henning Schulz, Referent Frank Roebers und der städtische Wirtschaftsförderer Rainer Venhaus.
Austausch mit der Gütersloher Wirtschaft beim Mittelstandsempfang der Stadt im Schenkenhof: (v.l.) Bürgermeister Henning Schulz, Referent Frank Roebers und der städtische Wirtschaftsförderer Rainer Venhaus.

Ein Unternehmen, in dem die Angestellten die Regeln ändern? In dem sie das Unternehmensleitbild formulieren, über die Höhe des Hotelzimmer-Budgets bei Dienstreisen bestimmen und festlegen dürfen, ob neue Kollegen eingestellt werden? Beim IT-Dienstleister Synaxon AG in Schloß Holte-Stukenbrock ist das gelebte Praxis. Mit der Einführung eines Unternehmens-Wikipedias im Jahr 2006 erregte der Vorstandsvorsitzende Frank Roebers weit über Ostwestfalen-Lippe hinaus Aufsehen. Im eigenen Haus musste er entgeisterte Führungskräfte überzeugen. Das Firmen-Wiki geriet zur Erfolgsgeschichte. „Wir haben unsere Attraktivität als Arbeitgeber dadurch so gefestigt, dass wir keine Probleme haben, auf dem knappen Markt der IT-Fachkräfte gute Leute zu bekommen“, so Frank Roebers.

Volles Haus im Restaurant Schenkenhof: Der spannende Vortrag von Frank Roebers stand im Zentrum des Mittelstandsempfangs 2019 der Stadt Gütersloh. 120 Gäste lauschten gebannt den Ausführungen des Juristen, Vorstandschefs und Dozenten an der Führungsakademie der Bundeswehr zum Spannungsfeld zwischen Hierarchie und Selbstorganisation in Unternehmen. Zu starre Hierarchien sind laut Roebers ein Problem: „Co-Piloten sterben lieber, als ihrem Kapitän zu widersprechen.“ Diese durch wahrhaftige Vorfälle in der Fliegerei belegbare These lasse sich auf Unternehmenslenker und ihre Angestellten übertragen. „Wir dürfen nicht erwarten, dass unsere Mitarbeiter uns widersprechen.“ Ein weitreichendes Mitspracherecht berge jedoch ein einzigartiges Potenzial, um Strukturen, Abläufe, Kostenfaktoren und die Identifikation mit dem Arbeitgeber zu verbessern. Bei der Synaxon AG sind mehrere tausend relevante Dokumente von Stellenbeschreibungen über Lieferverträge bis hin zum Unternehmensleitbild nicht nur für alle rund 200 Beschäftigten einsehbar – sie können auch von jedem bearbeitet werden, ganz so wie im großen Internet-Lexikon Wikipedia. Roebers: „Jeder darf alles sehen und jeder darf jede Regel ändern.“ Das tun die „Synaxoner“ eifrig: Bis heute sind rund 700.000 Einträge im Firmen-Wiki erfolgt. „Und wir als Vorstand haben nicht ein einziges Mal eingegriffen.“ Niemand habe die ungewöhnlich breite Beteiligungsmöglichkeit missbraucht, um gezielt einen Vorteil für sich herauszuschlagen. Dennoch, so ergänzte Roebers, seien Führungskräfte nicht überflüssig: Sie seien nach wie vor vor allem für strategische Fragen und das Management zuständig.

Spannende Projekte finden auch in Gütersloh statt, wie Bürgermeister Henning Schulz den Gästen des Mittelstandsempfangs deutlich machte. So geht es nun darum, nach dem Abzug der britischen Streitkräfte die Planungen für die künftige Nutzung der Mansergh Barracks an der Verler Straße voranzutreiben. Im Rahmen einer innovativen Werkstattwoche vom 24. bis zum 29. November auf dem Gelände entwerfen Planerteams Konzepte, die vor Ort in öffentlichen Bürgerforen diskutiert und von einer Jury bewertet werden. Ein weiterer Ort für kreatives Arbeiten und wirtschaftliche Kooperationen wird am 1. Oktober mit dem Digitalen Werkraum in der Stadtbibliothek eröffnet: „Ein offen zugängliches Angebot und ein Ort für alle, die gemeinsam und im Dialog Konzepte entwickeln, sich in ihrem digitalen Know-how und in ihren Fähigkeiten ergänzen und Dienstleistungen anbieten“, so Schulz. „Ich glaube an Vernetzung, an Meinungsaustausch, an Kommunikation über das, was in Gütersloh stattfindet“, erklärte der Bürgermeister und meinte damit nicht nur den Mittelstandsempfang der Stadt, sondern auch die nächste große Veranstaltung des Digitalen Aufbruchs Gütersloh: Am Freitag, 8. November, steht ab 17 Uhr beim Digitalen Forum im Theater das lebenslange Lernen im digitalen Zeitalter im Mittelpunkt. Schulz: „Wie auch bei der Auftaktveranstaltung vor einem Jahr wird eine Mischung aus Information, Best Practice, Diskussion und Unterhaltung geboten, mit der wir auch diesmal zum Nachdenken und zum Aktivwerden für den digitalen Wandel in der Stadt anregen wollen.“