30. September 2024
„Alles für die Tonne?“: 14. Erzählcafé wirft einen Blick auf die Geschichte des Gütersloher Umweltschutzes
Historiker Dr. Christian Möller und seine Gäste berichten von ihren Erlebnissen und Erfahrungen.
Dass in der Umweltgeschichte Güterslohs nicht „alles für die Tonne“ ist, zeigte das 14. Erzählcafé des städtischen Fachbereichs Kultur, das sich am 16. September mit der Geschichte des Umweltschutzes in Gütersloh beschäftigt hat. Moderator Dr. Christian Möller, Umwelthistoriker, Autor der Stadtgeschichte und stellvertretender Leiter des Historischen Museums Bielefeld, begrüßte im Lesecafé der Stadtbibliothek unter dem Titel "Alles für die Tonne?!" seine vier Podiumsgäste sowie zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Publikum. Neben Maria Unger (Bürgermeisterin a.D.) diskutierten Michael Hammon (Rechtsdezernent und Leiter der damaligen AG Umweltschutz a.D.), Jürgen Wrona (Mitbegründer der BUND-Kreisgruppe Gütersloh und der Initiative „Das bessere Müllkonzept e.V.“), Beate Gahlmann (Fachbereich Umweltschutz, Stadt Gütersloh) sowie das Publikum über Naturschutz, Recycling und die in den 1990er Jahren geplante Müllverbrennungsanlage. Auch Vertreter des Jugendparlaments, darunter Sebastian Westerbarkey, beteiligten sich rege.
„Es gab noch kein Umweltrecht, das entstand erst“, urteilt der Jurist Michael Hammon, der ab 1985 als Leiter des neugegründeten Umweltamtes der Stadt Gütersloh tätig war. Auch Beate Gahlmann war damals noch Lokalpionierin: In einer Zeit vor Google und Co. war es ihre Aufgabe, Informationen über Umweltschutz zusammenzustellen und Vorträge zu dem Thema zu halten. Ihr Motto „Wer aufgibt, hat verloren“ motivierte sie dazu, auch jetzt, nach drei Jahrzehnten Tätigkeit im Umweltschutz, nie aufzugeben. Ihrer Meinung nach war die Stadt Gütersloh Vorreiterin auf dem Gebiet der Umweltinformation und dem Sammeln von Daten rund um den Umweltschutz. Heutige Selbstverständlichkeiten wie etwa das Geoinformationssystem seien im Zuge dieser Bewegung entstanden und würden bis heute wertvolle Daten liefern, so Gahlmann weiter. Maria Unger verwies auch auf die Gründungsjahre der Umweltstiftung 2002/2003, die etliche Meilensteine im Bereich Umweltschutz umgesetzt hat, sowie auf die kostendeckende Einspeisevergütung, die mit einer Rot-Grünen Mehrheit 1994 eingeführt wurde. Nach der städtischen Perspektive berichtete der ehemalige Journalist und spätere Umweltlobbyist Jürgen Wrona aus der zivilrechtlichen Form des Engagements für mehr Umweltschutz in Gütersloh. „Aus Mangel an Alternativen hat man damals die BUND-Kreisgruppe gegründet“, so Wrona.
Besonders die Geschehnisse rund um die Planungen für eine Müllverbrennungsanlage der Firma „Waste Management“ in den 1990er Jahren, sorgten bei Podiumsgästen und Publikum für Diskussion. Nach der Aufgabe der Mülldeponie in Halle – „Der ganze Dreck nach Künsebeck“ – musste eine neue Lösung für die Abfallentsorgung gefunden werden. Der falsche Standort und die zu großen Müllmengen zogen den Unmut der Zivilbevölkerung nach sich. Die Kreistagssitzung, in der über den Bau entschieden wurde, war von 80.000 Unterschriften protestierender Bürgerinnen und Bürger und einer Hundertschaft der Polizei begleitet worden. Wrona stellt rückblickend fest: „Was hier in Gütersloh gelaufen ist, das hatte atomrechtliche Dimensionen!“
Sebastian Westerbarkey vom Gütersloher Jugendparlament urteilte hingegen über den aktuellen Stand der Umweltbewegung: „Die Interessen sind mittlerweile woanders“. Er beklagte, dass die Ideen der Jugend nicht ausreichend berücksichtigt würden: „Klima darf nicht nur Vorträge sein“. Eine seiner Forderungen ist die Wiedereinführung des kostenlosen ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr) für Schülerinnen und Schüler.
Auch das Podium nahm aktiv an der Diskussion teil. Vertreterinnen und Vertreter des ehemaligen Wurzelwerks, der GNU und weiterer Umweltbewegungen teilten ihre Erinnerungen und Erfahrungen aus der Umweltgeschichte Güterslohs. Ein Wunsch, der immer wieder auftaucht: „Die Gesellschaft muss wieder lernen, miteinander zu arbeiten – nicht gegeneinander“, so Michael Hammon.
Das Fazit von Moderator Dr. Christian Möller: „Gütersloh ist in vielen Teilen progressiv gewesen“. Maria Unger betonte, wie wichtig es sei, junge Menschen stärker einzubinden: „Wir müssen mehr auf die Jugend hören“. Dies bestärkt auch Jürgen Wrona: „Nehmt eure Zukunft in die Hand. Wenn ihr es nicht tut, die Alten tun‘s mit Sicherheit nicht mehr.“
Das Erzählcafé ist ein Format der Erinnerungskultur in Gütersloh, organisiert vom Fachbereich Kultur gemeinsam mit dem Stadtarchiv. Das Video für das 14. Erzählcafé ist ab sofort unter www.kulturportal-guetersloh.de verfügbar.
Zum Thema Umweltgeschichte ist bis zum 31. Dezember im Stadtmuseum Bielefeld noch die Ausstellung „ODER kann das WEG?“ zu sehen. Mehr Informationen unter www.historisches-museum-bielefeld.de