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„Wir nähern uns einem globalen Konflikt“

11.05.2022

EU-Ostpolitik-Experte Cornelius Ochmann zum Krieg Russlands gegen die Ukraine – Vortrag auf Einladung der Stadt Gütersloh anlässlich des Europatags.

Der Krieg Putins gegen die Ukraine war das topaktuelle Thema bei der Vortragsveranstaltung der Stadt Gütersloh anlässlich des Europatags, durchgeführt in Kooperation mit der Europa-Union und der Deutsch-Polnischen Gesellschaft: (v. links) Jürgen Jentsch (Vorsitzender Kreisverband Gütersloh der Europa-Union), Susanne Zimmermann (Stadt Gütersloh, Leiterin Zentrale Öffentlichkeitsarbeit und Repräsentation), Referent Cornelius Ochmann und Lucyna Minkus (Deutsch-Polnische Gesellschaft Gütersloh).
Der Krieg Putins gegen die Ukraine war das topaktuelle Thema bei der Vortragsveranstaltung der Stadt Gütersloh anlässlich des Europatags, durchgeführt in Kooperation mit der Europa-Union und der Deutsch-Polnischen Gesellschaft: (v. links) Jürgen Jentsch (Vorsitzender Kreisverband Gütersloh der Europa-Union), Susanne Zimmermann (Stadt Gütersloh, Leiterin Zentrale Öffentlichkeitsarbeit und Repräsentation), Referent Cornelius Ochmann und Lucyna Minkus (Deutsch-Polnische Gesellschaft Gütersloh).

Sollten im Publikum Gäste gewesen sein, die noch eine zarte Hoffnung hegten, Putins Krieg gegen die Ukraine könne in absehbarer Zeit ein Ende finden, so dürften diese am Ende eines hochinteressanten und aufschlussreichen Vortragsabends ernüchtert gewesen sein. Als Experte für die Beziehungen der Europäischen Union nach Osteuropa machte Referent Cornelius Ochmann deutlich: „Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Eskalation weitergeht, und wir nähern uns einem globalen Konflikt.“ Ochmann sprach auf Einladung der Stadt Gütersloh anlässlich des Europatags über „Europa in der Krise?“. Die Veranstaltung fand in Kooperation mit dem Kreisverband Gütersloh der Europa-Union und der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Gütersloh im Kleinen Saal der Stadthalle statt und traf auf ein ausgesprochen interessiertes und rege fragendes Publikum.

„Ich freue mich, nach neun Jahren wieder in Gütersloh zu sein“, dankte Cornelius Ochmann für die Einladung. Heute geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, war er von 1994 bis 2013 bei der Bertelsmann Stiftung tätig, außerdem Berater des Auswärtigen Amtes in Fragen der EU-Ostpolitik. Ochmann ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass der seit Februar tobende Angriffskrieg des russischen Präsidenten gegen die Ukraine die Europäische Union und die Welt für immer verändern werde. Wladimir Putin setze nun um, was sich über zirka 15 Jahre abgezeichnet habe. 2007 Putins Rede beim G8-Gipfel in München, seine Warnung in Richtung NATO, sich noch weiter nach Osten auszudehnen: „Da war klar: Dieser Mann will die Entwicklungen der 1990er Jahre zurückdrehen.“ Zu der Zeit arbeitete Ochmann in Moskau: „Ich habe gespürt, wie sich die russische Wahrnehmung Europas verändert hat.“ 2008 der Überfall Russlands auf Georgien, 2014 die Besetzung der Krim in der Ostukraine, von Ochmann so bewertet: „Eigentlich brach 2014 der Krieg gegen die Ukraine aus.“ Die Ukraine hatte begonnen, mit ihrer demokratischen Entwicklung, Meinungs- und Reisefreiheit, mit dem Bestreben, Teil der EU zu werden, zu einer Bedrohung für Putin zu werden. 2021 der Aufsehen erregende Aufsatz Putins, in dem er die Historie fälscht und der Ukraine das Existenzrecht als eigener Staat abspricht: „Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte uns Experten und den Politikern klar sein müssen, dass dies eine Entwicklung ist, die nicht aufzuhalten ist“, so Ochmann. Doch wer nach Putins Rede beim G8-Gipfel 2007 einen Krieg vorausgesagt habe, wie der kürzlich verstorbene Experte für Russland und Sicherheitspolitik Hannes Adomeit, der sei ins Abseits gestellt worden.

Und nun? „Führt Putin Krieg gegen ganz Europa“, stellt Cornelius Ochmann fest. „50.000 Tote. 13 Millionen Menschen sind auf der Flucht, die meisten davon in Polen. Wenn das so weitergeht, wird Europa in absehbarer Zeit wirtschaftlich und sicherheitspolitisch zusammenbrechen“, so die düstere Prognose. In jedem Fall müsse man sich einstellen auf jahrelange Instabilität und Auseinandersetzung mit den Folgen dieses Krieges. Die Eskalation werde weitergehen, die Ära des Kalten Krieges zurückkommen. Und nicht nur innerhalb Europas seien die Auswirkungen spürbar, wie Ochmann betont: „Wir nähern uns einem globalen Konflikt.“ China und Indien verhielten sich ganz anders als Europa, kauften immer mehr Waffen und Erdöl in Russland ein; das traditionell von russischer Propaganda stark beeinflusste Afrika sowie Brasilien hätten sich den Restriktionen gegen Russland nicht angeschlossen. „Das wird die internationale Lage verschlechtern.“ Für die deutsche Politik sieht Ochmann jetzt vor allem zwei Aufgaben als dringlich an: die Energieversorgung unabhängig machen von russischen Öl-, Gas- und Kohlelieferungen – „weil wir mit diesem Geld in den vergangenen 20 Jahren die russische Aggression gegen uns selbst finanziert haben“ – und die Bundeswehr stärken – „so schnell wie möglich“.

„Die Gründungsmotive der Europäischen Union – die Wahrung von Frieden und Sicherheit – sind aktueller denn je“, ließ der kurzfristig verhinderte Bürgermeister Norbert Morkes in seinem Grußwort mitteilen, das Stadt-Pressesprecherin Susanne Zimmermann vortrug und das mit dem Aufruf des Bürgermeisters schloss, am 15. Mai wählen zu gehen und die Demokratie zu stärken. Jürgen Jentsch, Vorsitzender der Europa-Union im Kreis Gütersloh, forderte Reformen in der EU, um nationale Vetos zu verhindern und eine europäische Handlungsfähigkeit in allen Politikbereichen zu garantieren: „Nur gemeinsam können wir unsere Werte verteidigen und so der Ukraine beistehen.“