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Kleiner Spieltisch bespielt Glocken am Rathaus

13.08.2018

In einem Büro im fünften Stock des Rathauses steht ein unscheinbarer Eckschrank. Öffnet man die alte Schranktür, hat man etwas vor sich, das aussieht wie ein kleines Klavier.

Ralf Manche (Gebäudemanagement) zeigt die ‚Herbstrolle‘ des Glockenspiels am Rathaus.
Ralf Manche (Gebäudemanagement) zeigt die ‚Herbstrolle‘ des Glockenspiels am Rathaus.

Und tatsächlich: Unter der Klappe befinden sich 35 schwarze und weiße Tasten. Ein Klavier hat gewöhnlich mehr als doppelt so viele. Und es gibt weitere Unterschiede: Ein Uhrwerk befindet sich unter den Tasten, links und rechts sind kleine Schalter angebracht und am unteren Ende ragen Kabel in die Wand. Denn: mit den 35 Tasten steuert dieser Holzkasten die 35 Glocken an der Wand des Rathauses.

„Das läuft normalerweise alles automatisch ab“, erklärt Ralf Manche vom Gebäudemanagement. Das Glockenspiel und der Spieltisch im fünften Stock wurden während des Rathausneubaus im Jahr 1969 installiert. Seitdem spielt das Glockenspiel bereits automatisch– vollständig analog: „Im Spieltisch drehen sich handgefertigte Papierrollen mit Ausstanzungen an bestimmten Stellen“, sagt Manche. Das Prinzip sei ähnlich wie bei Lochkarten oder kleinen Spielzeugakkordeons. Die gespielten Melodien wechseln mehrmals im Jahr. Frühling, Sommer, Herbst, Advent und Winter, für jede Jahreszeit gibt es eine Rolle mit drei verschiedenen Melodien. Denn das Glockenspiel erklingt dreimal pro Tag, um 10.00, 12.30 und 18.00 Uhr. Aber wofür dann die 35 Tasten, wenn doch alles automatisch abläuft? Das Glockenspiel kann auch manuell über den Spieltisch gespielt werden. Mit 35 Tasten sei es zwar nicht ganz so einfach zu spielen, aber es sei schon häufiger vorgekommen, dass Musiker das Glockenspiel ‚live‘ gespielt hätten, so Manche.

Rechnet man mit drei Einsätzen pro Tag, so hat das Glockenspiel schon ganz schon häufig die 2216 Kilogramm Bronzeguss schwingen lassen. Mehr als 51 000 Mal hätte das Glockenspiel seit seiner Premiere im Jahr 1971 dann in etwa gespielt. Das erste Stück war damals „Freude schöner Götterfunken“, auch heute noch Teil des Kanons und bald wieder jeden Morgen im Herbst zu hören.

1971 wollte man, so berichten es Zeitungsartikel aus dem Stadtarchiv, die Melodien noch jede Woche wechseln und verschiedene Berufsgruppen abwechselnd ansprechen. Für Kassierer in den Banken, die Stadtgärtner oder die Schaffner sollten passende Melodien gespielt werden. Diese Praxis hat sich jedoch nicht durchgesetzt.

Momentan läuft die ‚Sommer-Playlist‘ mit eher klassischen Sommerhits in dem kleinen unscheinbarem Eckschrank im fünften Stock des Rathauses: ‚Geh aus mein Herz‘ morgens, ‚Ich geh durch den grasgrünen Wald‘ zum Mittag, und ‚Kein Feuer, keine Kohle‘, abends.