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Gipfel zur Lärmproblematik bei Schützenfest-Partys

10.01.2020

Lauter als 55 Dezibel nach 24 Uhr? Alles eine Frage der Begründung.

Diskutierten mit Vertretern von Schützenvereinen und Kommunen im Kreishaus Gütersloh (v.l.): Hermann-Josef Pierenkemper, Dr. Elke Stöcker-Meier, Landtags-präsident André Kuper, Julia Möllerherm, Landrat Sven-Georg Adenauer und Bernhard Bußwinkel. Foto: Kreis Gütersloh
Diskutierten mit Vertretern von Schützenvereinen und Kommunen im Kreishaus Gütersloh (v.l.): Hermann-Josef Pierenkemper, Dr. Elke Stöcker-Meier, Landtags-präsident André Kuper, Julia Möllerherm, Landrat Sven-Georg Adenauer und Bernhard Bußwinkel. Foto: Kreis Gütersloh

Eines vorweg: Es ist kompliziert. Der eigentliche Sachverhalt nicht, aber die Umstände der Genehmigung und was dabei zu berücksichtigen ist. Im großen Sitzungssaal im Kreishaus Gütersloh ging es um Schützenfeste, ihre Genehmigung durch die Ordnungsämter vor Ort, Gerichtsurteile der jüngeren Vergangenheit und die Rücksicht auf Anlieger, denen der nächtliche Partyspaß mitunter zu laut ist. Im Mittelpunkt dabei: Nach 24 Uhr, so die Freizeitlärmrichtlinie des Länderausschusses, darf auch für besondere Feste ein Lärmpegel von 55 Dezibel – gemessen beim nächsten Anlieger – nicht überschritten werden. Aber es gibt nach dem Freizeitlärmerlass des Landes NRW Ausnahmen für Feste der Brauchtumspflege, über die sogenannten seltenen Ereignisse hinaus. „Mein Wunsch ist es, dass wir hier heute Abend raus gehen und eine gemeinsame Handhabe haben“, erklärte Adenauer in seiner Begrüßung, „und eine praxisgerechte Lösung für alle finden.“

Das Treffen der Schützenvereine, der Vertreter der Ordnungsämter der Kommunen und des Einladers Kreis Gütersloh hatte Landtagspräsident André Kuper angeregt, der zusammen mit dem Moderator des Abends, Landrat Sven-Georg Adenauer, auf dem Podium Platz nahm. Dort saß unter anderem auch Rechtsanwalt und Hauptreferent Hermann-Josef Pierenkemper. Ziel des Abends war es, die Planungssicherheit für Schützenvereine und die Ordnungsämter zu erhöhen. Auch aus der Landeshauptstadt waren Vertreterinnen des Umweltministeriums gekommen: Dr. Elke Stöcker-Meier und Julia Möllerherm vom Referat Immissionsschutz bei Lärm und anderen physikalischen Einwirkungen, sie sind die Autorinnen des Freizeitlärmerlasses. Für den Kreis Gütersloh als Experte auf dem Podium dabei: Bernhard Bußwinkel, Abteilungsleiter Bauen, Wohnen und Immissionen.

Streit bis zum Oberverwaltungsgericht Münster

Spätestens seit dem Jahr 2016 ist im Kreis Gütersloh und darüber hinaus das Thema präsent: Bis vor das Oberverwaltungsgericht Münster ging der Streit, nachdem ein Anlieger in Borgholzhausen gegen die Genehmigung der Schützenfest-Party geklagt hatte. Das Verwaltungsgericht Minden hatte die Party zunächst gekippt, das Oberverwaltungsgericht gab fünf Minuten vor dem geplanten Start der Party grünes Licht – allerdings unter Auflagen. Es sei zu vermuten, so Adenauer, dass das Gericht in dem Fall in Unkenntnis des frisch überarbeiteten Freizeitlärmerlasses geurteilt habe. Als vermittelnder Dienstleister trat damals übrigens der Messtrupp der Abteilung Bauen, Wohnen und Immissionen des Kreises Gütersloh in Erscheinung: Sie pegelten die DJ-Anlage ein: Einer stand mit dem Messgerät bei den Anliegern, der andere gab im Festzelt die Werte an den neben ihm stehenden DJ weiter. Der Kreis hatte wiederholt Amtshilfe für die kommunalen Ordnungsämter geleistet, sei es durch Beratung oder auch durch Lärmmessungen. So konnte Herr Roetmann die Veranstaltung mit vielen Hinweisen aus seinen Einsätzen zusätzlich bereichern. Fest steht, und das brachten mehrere Vertreter der Schützenvereine auf den Punkt: Mit einer Dezibelgrenze von 55 lasse sich nicht feiern – die erreiche man schon, wenn man nur zusammen steht, da sei die Musik noch gar nicht an. Eine Feier um 24 Uhr zu beenden, sei ebenfalls keine Alternative, so Pierenkemper. Das entspreche nicht dem Freizeitverhalten jüngerer Erwachsener, die in der Tendenz erst spät am Abend zu solchen Partys aufbrechen. Pierenkemper, Justiziar des Bundesverbands der historischen deutschen Schützenbruderschaften, hatte den Verein aus Borgholzhausen im besagten Prozess vertreten.

Freizeitlärmerlasses sieht Ausnahmen ausdrücklich vor

Aufgrund zahlreicher Klagen gab es bei den kommunalen Ordnungsämtern zunehmend Unsicherheiten, wie der ‚Freizeitlärmerlass‘ und das Landesimmissionschutzgesetz in Verbindung mit der Freizeitlärmrichtlinie sicher angewendet werden. Der Abend im Kreishaus gab aber entscheidende Hinweise, wie man in dem „ziemlichen Durcheinander“ (Adenauer) erfolgreich einen Antrag auf eine Schützenfestparty stellt und wie eine Ordnungsbehörde diesen rechtssicher genehmigt: „An den 55 Dezibel kommt man nicht vorbei“, meinte Dr. Elke Stöcker-Meier, die Leiterin des ‚Lärmreferats‘. Aber es gebe ja die Ausnahmeregelung. Letzen Endes komme es auf die Begründung an. Die überarbeitete Version des Freizeitlärmerlasses sieht Ausnahmen ausdrücklich vor. Diese erfolgen im Rahmen der grundsätzlich möglichen maximal 18 seltenen Ereignissen pro Jahr und Standort vor. Nur müssen die Vereine das, was sie alles an Lärmminderungsmaßnahmen vorsehen, auch in ein Konzept einbinden und zu Papier bringen. Ein entsprechender Leitfaden, wie der Erlass anzuwenden sei, solle noch überarbeitet werden. Auch die Anregungen von dem Abend im Kreishaus könnten dort noch berücksichtigt werden. Auch Pierenkemper redete den Vereinsvertretern ins Gewissen, der Begründung des Feierantrags mehr Aufmerksamkeit zu schenken: „Das historische Schützenwesen gehört zu dem immateriellen Weltkulturerbe. Ich habe noch keinen Antrag gesehen, in dem das aufgegriffen worden ist.“ Aber gerade das unterscheide ein Schützenfest von einer ‚normalen‘ Party. Es sei gemeinschaftsfördernd, habe historische Wurzeln, häufig sei der ganze Ort geflaggt, habe Tradition. Einig waren sich die Experten am Ende auch, dass sich nur Veranstaltungen mit Geschichte auf diesen Passus berufen dürfen und so eine Ausnahme von den strikten Dezibelwerten erwirken können. Der Freizeitlärmerlass NRW sichert hier den Schützenfesten als Feste der Brauchtumspflege einen Sonderstatus zu.