22. Januar 2025
Eine Hymne für unsere Stadt und die Zukunft
Kreativität trifft Technologie: Jubiläums-Songmacher B61 erklärt seine Inspiration für die Hymne.

Die „Gütersloh-Hymne“ zu Güterslohs Stadtjubiläum erhält gerade viel Aufmerksamkeit. Eine unabhängige Jury u.a. aus Musikerinnen und Musikern aus Gütersloh hat die Ergebnisse des Wettbewerbs „Dein Song für Gütersloh“ bewertet und die „Gütersloh-Hymne“ vom Macher B61, der anonym bleiben möchte, zum Sieger gekürt. Der Song überzeugte durch seine musikalische Umsetzung und den thematisch treffenden Bezug. Der Macher B61 erklärt dazu: „Zunächst einmal möchte ich mich bedanken. Es freut mich, dass der Song so viele Menschen berührt und auch zum Nachdenken anregt. Dass ein Song über unsere Stadt für Gesprächsstoff sorgt, zeigt doch eins: Gütersloh bewegt!
Wie im Song KI eingesetzt wurde
Der Song wurde von mir komplett geschrieben, um Gütersloh lyrisch und emotional gebührend einzufangen. Ich habe bei der Produktion auch moderne Werkzeuge genutzt, darunter KI, aber diese sind genau das: Werkzeuge. Sie ersetzen nicht Kreativität, sondern unterstützen sie – so wie eine Kamera einem Fotografen hilft, einen Moment festzuhalten. Ein Blick in die Charts verrät, dass heutzutage ein Großteil der Hits digital entstehen. David Guetta etwa erweckt seine Schöpfungen am Laptop zum Leben und hat diesen sogar einmal als Teil seines Körpers bezeichnet. Niemand würde sich bei David Guetta beschweren, dass er die Instrumente gar nicht selbst eingespielt hat oder gar fordern, seine Werke als Laptop-Songs zu kennzeichnen. Übrigens hat David Guetta in einer Performance vor rund zwei Jahren bereits eine Stimme eingebaut, die mit Hilfe von KI generiert wurde.
Der Künstler „Butterbro“ hat es bereits mit einem KI-Lied in die Charts geschafft. Unabhängig davon, wie ich sein Werk finde, hat er im Gespräch mit dem WDR einige Aspekte sehr gut erklärt, die ich aufgreifen möchte: „Ich bin kein Freund der Prosa, die durch eine KI entsteht. Dafür ist sie einfach noch nicht gut genug, was den Spannungsaufbau angeht oder die Sauberkeit der Reime. Da lässt die Technik durchaus noch zu wünschen übrig. Der Text trägt ja einen großen Teil zur Qualität eines Songs bei, und da ist die KI noch nicht so weit.”
Einen ähnlichen Ansatz habe ich verfolgt: Ich habe den Text komplett selbst verfasst und die KI haarklein jedes Wort, jede Silbe, ja jeden Background-Gesang vorgegeben. Um es auf den Punkt zu bringen: Es war mein eigener Kopf, der auf die Idee kam, die grüne Welle auf dem Stadtring zum Thema zu machen oder „harten Korn“ auf “Hagedorn” zu reimen.
Ich habe der KI nicht nur den Text vorgegeben, sondern auch die gesamte Klangidee. Um ein weiteres greifbares Beispiel herauszugreifen: Mir war wichtig, dass das kultige „Hörsinnig gut“ von Radio Gütersloh aus den Nullerjahren gebührend eingefangen wird.
Und ebenso kann ich dieser Einschätzung Butterbros zustimmen: „Viele DJs benutzen Vocal-Synthesizer, die menschliche Stimmen ersetzen, und selbst Depeche Mode wurden in den 80er hart dafür kritisiert, dass sie ausschließlich elektronische Instrumente benutzten. Die Technisierung der Musik gibt es schon lange, neu ist nur der Grad der Automatisierung. Ich habe einfach ein paar große Schritte in viel kürzerer Zeit zusammengefasst. Was ist bei einer Musikproduktion überhaupt noch menschlich? Diese Frage ist immer schwieriger zu beantworten.“
Es ist ein Irrglaube, anzunehmen, dass es ausreicht, ein paar Stichworte in eine KI einzugeben, um aus dem Nichts ein gutes Lied hervorzaubern, das die Herzen berührt. Mir war wichtig, dass ich einen Hymnen-Vorschlag einreiche, der einen Professionalisierungsgrad hat, der eines Stadtjubiläums würdig ist. Daher habe ich die Vertonung mithilfe von KI realisiert. Dass diese Arbeitsweise das Interesse auf sich zieht, verstehe ich. Kunst hat sich immer weiterentwickelt, gerade auch durch den Einsatz neuer Technologien. Von Synthesizern in der Popmusik bis hin zu digitaler Bildbearbeitung – Kreativität lebt von Innovation. Digitale Innovationen verändern nicht nur die Kunst, sondern unsere alltäglichen Gewohnheiten: Ich lese die Tageszeitung beispielsweise auch nicht mehr in gedruckter Form, sondern zwischendurch auf dem Smartphone.
Wenn man sich für den kleinteiligen Weg entscheidet, den ich gewählt habe, muss man in Musikgenres trittfest sein. Die Klangidee der Hymne wird durch zig Genres geprägt. Ich habe den Song abschnittsweise erarbeitet und digital aneinandergenäht, weil die KI eine lange Hymne nicht in einem Stück fehlerfrei realisieren kann. Beispielsweise kommt eine KI nicht gut mit ungewöhnlichen Worten wie „Järve-Sauna“ oder unseren einmalig-schönen Stadtteilnamen zurecht. Hierfür braucht es menschliche Tugenden. Es erfordert Timing, Ideen, künstlerisches Feingefühl, Detailarbeit und ganz viele Tassen Kaffee, um am Ende einen stimmigen Song zu komponieren. Das gilt auch hier.
Als Beispiel, dass ich die Zügel in der Hand halte, möchte ich hervorbringen, dass ich einige provokante Zeilen der ursprünglichen Fassung in der Jubiläumsversion nahtlos abgeändert habe.
Warum KI eingesetzt wurde
Wie oben beschrieben, war es mir wichtig, einen Song mit einem hohen Professionalisierungsgrad einzureichen. Außerdem beschäftige ich mich viel mit dem Themenbereich KI und bin überzeugt, dass es wichtig ist, Innovationen auch wirklich zu nutzen. Denn eins ist klar: KI wird nicht mehr von der Bildfläche verschwinden und die Arbeitswelt der Zukunft prägen.
Ich respektiere alle anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Wettbewerbs und ihre kreativen Ansätze. Die Ausschreibung hat uns ausdrücklich ermutigt, alle verfügbaren Mittel zu nutzen, um einen innovativen Beitrag zu leisten. Der Einsatz von KI war im Rahmen der Ausschreibung erlaubt, und ich bin froh, dass die Jury den Fokus auf das Ergebnis gelegt hat – auf die Wirkung des Songs und seine Verbindung zu Gütersloh.
Wer mit dem Song erreicht werden soll
Eines vorab: Ich habe an dem Wettbewerb teilgenommen, weil ich daran Spaß hatte, meinen Gefühlen zu meiner Stadt Ausdruck zu verleihen und nicht um zu gewinnen.
Dieser Song ist für alle, die wie ich an den kleinen, besonderen Momenten dieser Stadt hängen. Mir ist es wichtig, unsere Stadt zum Jubiläum nicht auf ein unrealistisches Podest zu heben. Deshalb habe ich auch keine Scheu, im Lied klar zu benennen, dass unser Rathaus wie ein Plattenbau aussieht.
Außerdem soll das Lied neugierig machen. Es soll auf Gütersloh neugierig machen. Es soll aber auch auf unsere Zukunft neugierig machen, von der KI einen erheblichen Teil ausmachen wird. Musik, Journalismus und viele weitere Felder haben und werden große Veränderungen durch KI erfahren. Ich glaube übrigens nicht, dass wir Gefahr laufen, von KI ersetzt zu werden. Wir laufen viel größere Gefahr, von Menschen ersetzt zu werden, die KI einsetzen. Aus meiner Sicht wird Gütersloh seit jeher von Neugier und Ehrgeiz geprägt. Hätten Carl Miele und Reinhard Zinkann keine Lust am Wandel gehabt, würde Miele heute sicherlich nicht die besten Waschmaschinen der Welt bauen. Hätte Reinhard Mohn nicht angepackt, hätte sich ein nach dem Krieg zerstörter Verlag nicht zu einem der weltweit größten Medienkonzerne entwickelt. Wenn man in die jüngere Vergangenheit blickt, finde ich es sagenhaft, dass Thomas Hagedorn in den Neunzigerjahren als Einzelkämpfer noch Einfamilienhäuser abgerissen hat und sein Unternehmen heute die Zukunft einer gesamten Branche prägt. Es soll gar nicht größer klingen als es ist, aber ich bin einfach stolz in Gütersloh zu leben und hoffe, dass die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt in den kommenden 200 Jahren ähnliche Geschichten schreiben. Meine Hymne soll einen kleinen Teil dazu beitragen, um Lust auf unsere gemeinsame Zukunft zu machen.“
Die „Gütersloh-Hymne“ und weitere eingereichte Vorschläge sind zu hören auf unserer Jubiläumsseite www.200jahreguetersloh.de und auf dem städtischenKulturportal
www.kulturportal-guetersloh.de.