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Station 2: Ruthmanns Mühle

Ruthmanns Mühle befindet sich an der Stadtgrenze zu Verl am Kreuzungspunkt Sürenheider Straße/Dalke. Erbpächter Johann Conrad Ruthmann errichtete die Wassermühle 1823. Um die benötigte Wasserkraft zum Betrieb der Mühle zu erhalten, wurde die Dalke an dieser Stelle um 1,80 Meter aufgestaut.

Ruthmanns Mühle: Ansicht
Ruthmanns Mühle, Foto: Stadt Gütersloh

Mehr als 100 Jahre war sie an verschiedene Müllermeister verpachtet, bevor 1951 der letzte Müller die Mühle kaufte. Dieser brachte die technische Einrichtung umgehend auf den aktuellsten Stand. Erst 1973 legte er die Mühle still. Nahezu unverändert erhalten und funktionstüchtig wurde die Mühlentechnik 2007 unter Denkmalschutz gestellt. Mehr als 190 Jahre nach ihrer Erbauung ist die Getreidemühle noch immer voll einsatzfähig.

2001 baute die neue Eigentümerin, Familie Stickling, als Antrieb ein mittelschlächtiges Schaufelrad aus Edelstahl ein. Bei einem Durchmesser von 4 Metern und einer Breite von 80 Zentimetern erzeugt das Rad heute Strom bis zu 2,5 Kilowatt pro Stunde.

Der Wassererlebnispfad Dalke befasst sich an dieser Station neben der Geschichte und der Funktionsweise der Kornmühle Ruthmann mit den Themen Getreidearten und deren Verwendung sowie Getreideanbau im Raum Gütersloh.
Für den Unterricht in den Grundschulen wurden darüber hinaus spezifische Arbeitsmaterialien zum Thema „Vom Korn zum Brot“ erarbeitet. Nähere Einzelheiten dazu finden Sie hier.

Die nachfolgenden Bilder zeigen einen Ausschnitt aus der heute noch vorhandenen Mühleneinrichtung

Zur Geschichte von Ruthmanns Mühle

An der Sürenheider Straße steht direkt an der Dalke an der Grenze zwischen Avenwedde und Verl Ruthmanns Mühle. Die Wassermühle wurde 1823 von dem Erbpächter Johann Conrad Ruthmann errichtet. Mehr als 190 Jahre nach ihrer Erbauung ist die Getreidemühle noch heute voll funktionstüchtig.

Quellen:
Stadtarchiv Verl, A 40
NW Staatsarchiv Detmold, D 1 Nr. 9236, D 23 B Nr. 56920, M 1 I G Nr. 302, M 1 I U, Nr. 589
Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Archivamt Münster, Archiv Rheda, Bestand E VII, Nr. 118
Kreisarchiv Gütersloh, Nr. 527
Sammlung Heinrich Schierl, Avenwedde, 1999-2004
Die Glocke, 12. Mai 2004, 8. August 2007
Neue Westfälische, Nr. 113, 14. Mai 2004, Nr. 179, 4./5. August 2007
Westfalen Blatt, 27. Mai 2004, 30. Mai 2007, 2. August 2007, 18. September 2008
Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Westfälisches Amt für Denkmalpflege (Hg.), Wasserkraft in Westfalen. Bestandsaufnahme. Band 1: Kreis Gütersloh, Münster 1986
Nicola und Michael Stickling, Verl
Heinz Vogelgesang, Verl

Autorin und Bildredaktion: Elisabeth Sommer, Historikerin, Gütersloh
http://www.esommerhistorikerin.de/services/index.html

Ruthmanns Bokemühle

Am 24. August 1819 wurde Colon Johann Conrad Ruthmann (*1791, +1839) zu Avenwedde die Erlaubnis erteilt, eine Bokemühle anzulegen. Es war die erste Mühlenanlage, die er auf seinem Erbpachthof an der Dalke errichtete. Der Konzession war eine Ortsbesichtigung des Königlichen Bau-Conducteurs (Bau-Leiter, Bau-Ingenieur, zumeist ein königlicher Beamter) Althoff vorausgegangen. Nach sorgfältiger Prüfung hatte Althoff die geplante Anlage befürwortet. Die Mühle stand oberhalb der heutigen Getreidemühle in der sogenannten großen Wiese am Dalkefluss. Ein Stauwehr weist heute noch darauf hin. Die Bokemühle war mit 4 bis 6 Stampfen bestückt. Damit konnten Hanf und Flachs für die weitere Verarbeitung grob zerschlagen werden. Der Antrieb erfolgte über ein unterschlächtiges Wasserrad mit einem Räderwerk und einer Nockenwelle. Der Durchmesser des Wasserrades betrug 14 Fuß. Die Mühle war in einem einfachen Holzbauwerk untergebracht. Wie lange die Bokemühle betrieben wurde, ist heute nicht mehr bekannt. 1923 findet sie im Zusammenhang mit den Staurechten keine Erwähnung mehr, sodass sie wohl zu einem früheren Zeitpunkt bereits aufgegeben worden war.

Ruthmanns Getreidemühle

Nur wenige Monate später plante Johann Conrad Ruthmann bereits den nächsten Mühlenbau. Am 3. Januar 1820, wurde der Erbpächter der Strangmühle beim Land- und Stadtgericht zu Rheda vorstellig. Colon Peter Heinrich Markötter brachte vor, dass der Colon Ruthmann beabsichtigen würde, am Dalkebach eine Mahlmühle anzulegen. Da diese Mühle oberhalb seiner Mühle liegen sollte, entstünde ihm daraus ein Schaden. Der Schaden ergäbe sich, weil das aufzuhaltende Wasser an den Dämmen zuviel einsöge. Außerdem würden sich dadurch die Quellen verstopfen oder anderwärts ablaufen. Der Protest des Colon Markötter gegen den Mühlenbau blieb erfolglos.

In der Beilage zum Paderbornschen Intelligenzblatte Nummer 10 vom 10. Januar 1821 erschien eine Anzeige des Colon Johann Conrad Ruthmann, die sein Vorhaben öffentlich bekannt machte. Darin hieß es, dass Colon Ruthmann auf dem Dalkefluss bei der sogenannten Rutebrücke eine unterschlächtige Mahlmühle mit zwei Gängen anlegen wolle. Einsprüche jeder Art wären innerhalb einer Woche vorzubringen. Am 20. Mai 1822 erteilte ihm die Königliche Regierung zu Minden die nachgesuchte Konzession. In der Baugenehmigung wurden dem Antragsteller von Amts wegen genaue Vorgaben für den Bau und die Stauhöhe an der Dalke gemacht.

Die neue Mahlmühle wurde wenige hundert Meter unterhalb der heute verschwundenen Bokemühle auf Avenwedder Gebiet, direkt am Kreuzungspunkt Sürenheider Straße/Dalke errichtet. 1823, nur ein Jahr nach der Genehmigung, nahm die Getreidemühle ihren Betrieb auf. Ein unterschlächtiges Wasserrad trieb den Mühlstein an. Die Mühle bestand aus einem Schrot- und einem Mahlgang sowie einer Beutelkiste für die Feinmehlherstellung. Der Läuferstein des Mahlganges drehte sich mit ein Geschwindigkeit von 120 bis 140 Umdrehungen pro Minute.

Ruthmanns Mühle: Lageplan Staurechte
Lageplan, 1. Mai 1922
Staurechte des Landwirts Johann Heinrich Ruthmann Avenwedde, Avenwedde Flur 4, Verl Flur 5
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen,Detmold, Bestell-Nr. der Archivalie: LAVNRW OWL D 1 Nr. 9336

Streit um die Lohmühle

Auch weiterhin blieb Bauer Ruthmann hinsichtlich seiner Mühlen nicht untätig. Vom 28. März 1830 an konnte jeder Interessierte in der Wohnung des Wirtes Michelswirth zu Avenwedde eine Bekanntmachung von Kreis-Sekretär Reimers lesen. Colon Ruthmann beabsichtigte demnach, “mit seiner auf dem Wappelbache [!] belegenen Bockemühle eine Lohmühle dergestalt in Verbindung zu bringen, dass beide Mühlenwerke durch das vorhandene Bockemühle-Rad in Betrieb gesetzt werden können.” Einwendungen könnten direkt gegenüber Colon Ruthmann und dem Kreis-Sekretär Reimers innerhalb von 8 Wochen eingereicht werden. Der Vormund der Wiesbrockschen Minorennen (minderjährige Waisen), Colon Ellebrachthanhard aus Verl, erhob fristgerecht Einspruch gegen das Vorhaben. Da er bereits sehr betagt war und keine weiten Reisen mehr unternehmen konnte, wandte sich Ellebrachthanhard in dieser Sache an das Fürstliche Gericht zu Verl als obervormundschaftliche Behörde. Er führte aus, dass bereits die Bokemühle, wenn sie im Herbst in Betrieb sei, große Schäden an den Wiesen und Weiden der Wiesbrockschen Mündel verursachen würde. Sollte jetzt zusätzlich eine Lohmühle eingerichtet werden, müsste das Wasser ganzjährig aufgestaut werden. Dadurch verdürben sämtliche oberhalb des Staus gelegenen Grundstücke. Aufgrund dieses Widerspruchs nahm der Königliche Bau-Insprektor Reimann aus Herford eine Ortsbesichtigung vor. In seinem Bericht vom 23. Juli 1830 kam er jedoch zu dem Schluss, dass der Mühlenstau sogar positive Auswirkungen auf die Qualität der Wiesbrockschen Wiesen und Weiden haben würde. Voraussetzung dafür wäre jedoch, dass der Mühlenbesitzer die genehmigte Stauhöhe einhalten würde. Der Widerspruch des Vormundes wurde abgewiesen, Colon Ruthmann erhielt die Konzession. Die Kosten für die Ortsbesichtigung des Bau-Inspektors gingen zu Lasten des Beschwerdeführers Ellebrachthanhard.

Streitpunkt Stauhöhe

Inwieweit sich der Mühlenbesitzer Johann Conrad Ruthmann an die amtlichen Vorgaben für die Lohmühle hielt, ist nicht überliefert. Seine Getreidemühle hatte er durchgängig in Pacht gegeben. Zeitweise war sie an den Müller Hermann Eickelmann verpachtet, der mit Magdalena Ruthmann verheiratet war. Müller Eickelmann missachtete die genehmigte Stauhöhe wohl über einen längeren Zeitraum. Bau-Conducteur (Bau-Leiter, Bau-Ingenieur, zumeist ein königlicher Beamter) Althoff stellte in seiner Erklärung zum Ruthmann'schen Stau vom 24. Oktober 1843 fest, dass der Müller das Wasser der Dalke um 2 Fuß höher gestaut hätte, als es ihm nach der Genehmigung der Königlichen Regierung zu Minden gestattet worden war. Versandungen hätten zu einem beträchtlichen Anstieg der Sohle der Dalke geführt, sodass schließlich die ursprünglich höher gelegenen Wiesbrockschen Wiesen bei hohem Wasserstand sogar bei ruhendem Mühlenbetrieb ständig unter Wasser stünden und ebenfalls versandeten. Zum kunstgerechten Wiesenflößen gehörte es aber, so Althoff weiter, dass die Wasserfläche 2 bis 3 Fuß niedriger läge als die Wiese. Das Wasser, welches dann zum Wässern der Wiese über diese geleitet wurde, dürfte nirgends stillstehen, um den Pflanzen Nährstoffe zuführen und Giftstoffe wegspülen zu können. Nur auf diese Weise ließe sich durch das Flößen ein Nutzen für die Wiesen erreichen. Althoff stellte daher in seinem Bericht fest, dass das Stauwerk an dieser Mühle um 3 Fuß gesenkt werden müsste.

Pachtverhältnisse

Am 30. August 1854, mehr als 30 Jahre nach Errichtung der Getreidemühle, konnte der Erbpächter Ruthmann die Pachtzahlungen für seinen Hof und die Mühle für die Summe von 69 Talern ablösen. Grundlage für den Freikauf war das Ablösegesetz vom 2. März 1850. Demnach konnte mit einmaliger Zahlung der Jahrespacht an den Grundherrn der Besitz eines Hofes und des Zubehörs durch den Erbpächter erworben werden. Colon Caspar Heinrich Ruthmann (*1834, +1898) gab die Mühle weiterhin an immer wieder wechselnde Müller in Pacht. Um 1880 war die Mühle an Müller Wittenbrink verpachtet, im Jahre 1890 an Müllermeister Heinrich Schierl (*1865, +1941). Müllermeister Schierl beschäftigte zu dieser Zeit einen Arbeiter über 16 Jahre. Eine Erhebung der Königlichen Gewerbeinspektion zu Bielefeld bestätigte diese Angaben auch für das Jahr 1900. Die tägliche Arbeitszeit belief sich in dieser Zeit auf 12 Stunden.
Der Pachtvertrag mit Heinrich Schierl wurde am 1. April 1914 von dem Mühlenbesitzer Johann Heinrich Ruthmann (*1868, +1937) um weitere 12 Jahre verlängert. Zur Mühle gehörten der Westergarten, eine Wiese und vom Colon Prerich gekauftes Land bei der Mühle sowie der Ruthof, soweit der Pächter ihn bisher in Beackerung hatte. Die Pachtsumme betrug 1100 Mark jährlich, zahlbar in 2 Raten zum 1. April und 1. Oktober jeden Jahres. Reparaturen an der Mühle bis zu 15 Mark gingen zu Lasten des Pächters, wobei dieser aber angehalten war, diese frühzeitig durchzuführen. Von Sonnabend 7 Uhr bis Montag Mittag 12 Uhr durfte der Besitzer Heinrich Ruthmann das Wasser stauen, ohne dass Müllermeister Schierl dagegen Einwendungen vorbringen konnte. Das Getreide des Verpächters hatte der Pächter unentgeltlich zu mahlen. Sollte bei Wassermangel die Dampfmaschine zum Mahlen benutzt werden müssen, so hatte der Pächter als Entschädigung für die Heizung pro Stunde eine Mark an den Verpächter zu zahlen. Ein angebauter Schweinestall, ein weiterer Stall gegenüber der Mühle und der Geräteschuppen waren Eigentum des Pächters Heinrich Schierl. Bei einer anderweitigen späteren Verpachtung wären diese Gebäude angemessen abzulösen.

Ruthmanns Mühle, 1924
Foto: Privatbesitz Familie Stickling

1923 ging der Ruthmann'sche Hof von Johann Heinrich Ruthmann senior, wohnhaft zu Avenwedde Nummer 19, in den Besitz seines Sohnes des Landwirts Heinrich Ruthmann junior (*1896, +1938), wohnhaft zu Verl Nummer 205, über.
1941 pachtet Müllermeister Hermann Schierl (*1900, +1951) die Getreidemühle. Er war der Sohn des oben genannten Müllermeisters Heinrich Schierl. Hermann Schierl führte den Mühlenbetrieb bis 1950 fort, als er aus gesundheitlichen Gründen seine Berufstätigkeit aufgeben musste. Nach seinem frühen Tod im Februar 1951 verließ seine Familie die Mühle und siedelte sich andernorts in Avenwedde an.
1951 verkaufte die Witwe Heinrich Ruthmanns die Mühle an Müllermeister Walter Kaatz. Bis 1973 betrieb er die Getreidemühle, als er in den Ruhestand trat. 2002 vermachte er die Mühle seinen Nachbarn Michael und Nicola Stickling zu Verl.

Technischer Fortschritt

Im Jahre 1909 wurde das Wasserrad der Getreidemühle durch eine Francis-Turbine ersetzt. Parallel zu dieser Neuerung konnte die Mahlmühle bei Wassermangel fortan auch mit Dampfkraft angetrieben werden. In diesem Falle wurde die Kraft durch eine Transmissionswelle von der gegenüber am linken Dalkeufer liegenden Sägemühle (siehe Abschnitt „Ruthmanns Sägemühle“) in die Getreidemühle übertragen. Damit war der Mühlenbetrieb erstmals unabhängig vom Wasserstand der Dalke.
Mit dem Ausbau des Stromnetzes in Avenwedde auf 100 Volt wurde dem Mühlenbesitzer Ruthmann im Jahr 1918 die Erlaubnis zur Stromerzeugung erteilt. Von jetzt an konnten die Bauerschaften Avenwedde Süd und Ost von der Mühle mit Strom beliefert werden. Nicht zuletzt infolge des technischen Fortschritts war die Ruthmann'sche Getreidemühle bereits im Jahre 1920 sehr gut ausgelastet. Neben dem Pächter waren 2 weitere Müller und ein Arbeiter in der Mahlmühle beschäftigt.
1929 wurde der Schrotgang auf Elektromotor mit einer Leistung von circa 12 PS umgestellt. Jetzt konnte bei Wassermangel sogar elektrisch gemahlen werden. Seit 1945/46 konnte auch der Mahlgang elektrisch betrieben werden. Die Turbine wurde überholt und bei entsprechender Wassermenge eingesetzt. Der Mahlgang wurde mit besonders geeigneten französischen Steinen ausgelegt.
Im Jahre 1960 ersetzte der neue Besitzer Walter Kaatz das alte Mühlengebäude durch einen Neubau. Im gleichen Zuge wurde die maschinelle Ausstattung modernisiert. Das erst vor wenigen Jahren erneuerte Steinmahlwerk wurde auf eine Walzenmühle umgestellt. Das dabei eingesetzte Mahlwerk aus Wittenberg wurde gebraucht von einer Mühle in Ostdeutschland gekauft. Die Getreidemühle arbeitete jetzt mit der modernsten Technik zur Feinmehlherstellung. Die Tagesleistung erreichte gut eine Tonne Feinmehl. Die technische Anlage der Getreidemühle bestand zu diesem Zeitpunkt aus einer Francis-Turbine sowie einem Elektromotor als Antrieb, einem Doppelwalzenstuhl im Durchmesser von 60 Zentimeter, einem Doppelgrießstuhl mit 40 Zentimeter Durchmesser, einem Vorschneider, einem vierteiligen Plansichter mit 11 Sieben, einer Reinigungsanlage mit Aspiration und Trieur sowie einer Schälmaschine.

Ruthmanns Mühle: Längsschnitt
Ruthmann's Mühle: Längsschnitt Turbine, Mai 1922
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen,Detmold, Bestell-Nr. der Archivalie: LAVNRW OWL D 1 Nr. 9336.

Ruthmanns Mühle: Grundriss
Ruthmanns Mühle: Grundriss, Mai 1922
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen,Detmold, Bestell-Nr. der Archivalie: LAVNRW OWL D 1 Nr. 9336.

Staurechte und Torfstechen

923 wurden die Staurechte für die beiden Stauwerke an der Dalke auf den Erben Heinrich Ruthmann junior (*1896, +1938), wohnhaft zu Verl Numeer 205, übertragen. Dabei handelte es sich zum einen um das Recht, die angrenzenden Wiesen zu flößen. Hierzu durfte das Wasser bis zu einer Höhe von 85,93 Meter über Normalnull aufgestaut werden. Zum anderen handelte es um das wenige hundert Meter weiter flussabwärts gelegene Stauwerk der Getreidemühle. Hier hatte der Bauer Ruthmann das Staurecht bis zu einer Höhe von 84,76 Meter über Normalnull.

Die Wiesengrundstücke rechts und links entlang der Dalke waren Heide- und Niedermoorflächen. Diese boten sich geradezu zum Torfstechen an. Noch in den dreißiger Jahren wurde daher zu beiden Seiten der Dalke, rechtsseitig sogar bis zur heutigen Siekstraße, Torf gestochen. Für die körperlich schweren Arbeiten wurden im Frühjahr und Sommer Saisonarbeiter beschäftigt. Im Herbst wurde der getrocknete Torf als gefragtes Brennmaterial an ärmere Leute verkauft. Das Torfstechen hatte zur Folge, dass sich das Bodenniveau um etwa einen bis eineinhalb Meter absenkte. Zum Ausgleich wurde die Fläche mit etwas Mutterboden wieder aufgefüllt.

Verkauf der Getreidemühle und der Ländereien

1950 gab Familie Ruthmann den Mühlenbetrieb auf. Nach dem Ausscheiden von Müllermeister Hermann Schierl hatte sich kein neuer Pächter gefunden. Im April 1951 kaufte Müllermeister Walter Kaatz die stillgelegte Mühle von Luise Franziska Ruthmann, geborene Rettig, Witwe von Johann Heinrich Ruthmann aus Verl. Ursprünglich gehörten noch verschiedene Grundstücke an beiden Ufern der Dalke und ein Teil von Ruthmanns Hof zum Pachtumfang der Mühle. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wurden nur noch das Fachwerkhaus als Wohnhaus des Müllers und der Bauerngarten als Zubehör zur Mühle hinzugerechnet. 1915 bis 1938 ist Johann Heinrich Ruthmann (*1896, +1938), in den Quellen überwiegend nur Heinrich Ruthmann genannt, als Besitzer der Mühle und des Ruthmann'schen Hofes nachweisbar. Im Anschluss daran nennen die Grundbücher bis 1961 den Diplom-Landwirt Gerhard Ruthmann aus Melsungen als Eigentümer verschiedener Flurstücke. 1960 verkaufte die Witwe Johann Heinrich Ruthmanns die ehemals zur Mühle gehörenden landwirtschaftlichen Flächen an einen Avenwedder Landwirt. Dazu gehörten auch Wasser- und Staurechte zum Flößen der Grundstücke mit Dalkewasser. Die Parzellen lagen sowohl in der Gemeinde Avenwedde als auch in Verl. Die Rechte von Müllermeister Walter Kaatz als Besitzer der Ruthmann'schen Mühle berührte dieser Verkauf nicht, wie ausdrücklich festgehalten wurde.

Stillgelegt und neues Leben

1973 stellte Walter Kaatz aus Altersgründen den Mühlenbetrieb ein. Bis heute blieb die Anlage nahezu unverändert erhalten. Da sie den klassischen Stand der Mühlentechnik bis etwa 1950 repräsentiert, wurde die technische Ausstattung im Jahre 2007 unter Denkmalschutz gestellt. Die Mühle arbeitet mit einem zentralen Antrieb durch einen Elektromotor statt mit elektrischen Einzelantrieben. Sie verfügt noch nicht über eine elektronische Steuerung. Die Kraftübertragung erfolgt durch Riementransmission. Becherwerke und Blechfallrohre statt Druckluft-Fördersysteme sorgen für den Vertikaltransport. 2001 setzte Walter Kaatz' Nachbar Michael Stickling ein neues mittelschlächtiges Schaufelrad aus Edelstahl ein. Der Durchmesser beträgt 4 Meter, die Breite 80 Zentimeter. Schaufelkreuz und Schaufelkranz sind verschraubt. Das Wasserrad wiegt insgesamt eine Tonne. Mit einer Drehzahl von 7 Umdrehungen pro Minute hält das Wasser der Dalke 30 Schaufeln in gleichmäßiger Bewegung. Über einen asynchronen, achtpoligen Generator wird elektrische Energie mit einer Leistung von bis zu maximal 2,5 Kilowatt pro Stunde erzeugt.
Mit dem Versprechen, die Mühle sowie das angrenzende Fachwerkhaus und den Bauerngarten zu erhalten, vermachte Müllermeister Kaatz im Jahre 2002 die stillgelegte Mühle Familie Michael und Nicola Stickling. Zunächst versetzte Familie Stickling die Maschinen der Getreidemühle wieder in einen betriebsbereiten Zustand, sodass wieder gemahlen werden konnte. Anschließend wurde das ehemalige Wohnhaus der Müllerfamilie renoviert. Heute bietet Familie Stickling für Schulklassen, besonders dritten Klassen der Grundschule, und anderen Besuchergruppen nach Voranmeldung Besichtigungen der Mühle an. Bei diesen Gelegenheiten kann der Mahlvorgang komplett vorgeführt werden. Darüber hinaus öffnet Familie Stickling die Mühle für Besucher am Pfingstmontag, dem deutschen Mühlentag. Bei Interesse steht Familie Stickling rund ums Mahlen gerne Rede und Antwort.

Ruthmanns Sägemühle

Um das Bild von Ruthmanns Mühle zu vervollständigen, sei hier noch kurz auf die Ruthmann'sche Sägemühle eingegangen. An dem nur wenige hundert Meter langen Teilstück der Dalke, das die Ruthmann'schen Wiesen durchfließt, war sie die vierte Mühle des Bauern Ruthmann. Aufgrund der lückenhaften Quellenlage lassen sich jedoch nur wenige Angaben zur Sägemühle machen. Sie lag der Getreidemühle direkt gegenüber auf dem linken, zur Stadt Verl gehörenden Ufer der Dalke. Wann diese Mühle gebaut wurde, lässt sich heute nicht mehr sicher feststellen. Eine Erhebung des Gewerbe-Aufsichtsamtes aus dem Jahre 1849 schließt eine frühere Errichtung aus. Ein Briefkopf aus dem Jahre 1909 weist sie zweifelsfrei Johann Heinrich Ruthmann, wohnhaft Avenwedde Nummer 19, als Besitzer und Betreiber zu. Es handelte sich bei der Unternehmung um eine Dampf- und Wassermühle mit Sägewerk und Holzhandlung. Als Gründer kommt in erster Linie Caspar Heinrich Ruthmann (*1834, +1898) in Frage. Möglich wäre auch eine Gründung durch dessen Sohn Johann Heinrich Ruthmann (*1868, +1937) der von seinem Vater den Ruthmanns Hof und die Getreidemühle erbte. Der Betrieb war, ebenso wie die Getreidemühle, durchweg verpachtet. Als der letzte Pächter 1939 als Soldat zur Wehrmacht eingezogen worden war, stand der Betrieb bis 1947 still.
1947 übernahm ein Schwiegersohn von Johann Heinrich Ruthmann (*1896, +1938) das Sägewerk und die Holzhandlung. Obwohl erst im Oktober 1933 die Aufstellung und Inbetriebnahme eines feststehenden Dampfkessels - einer sogenannten Dampflokomobile – genehmigt worden war, ersetzte der neue Inhaber die Lokomobile durch einen modernen Schwerkraftmotor. Der Schwerkraftmotor hatte eine Leistung von bis zu 40 PS. Er konnte sowohl mit Teeröl als auch mit Gas betrieben werden. An die Anlage war ein Stromgenerator angeschlossen, der für den Eigenbedarf Energie erzeugte. Das Horizontalgatter wurde mit einem 2,50 Meter langen, gegenläufigen Sägeblatt ausgerüstet. Das Sägeblatt hatte jeweils zur Hälfte eine rechts- bzw. linksseitige Schnittrichtung. Das heißt, die Zähne des Sägeblattes zeigten stets zur Mitte des Blattes. Auf diese Weise gab es keine Probleme mit dem Auswurf der anfallenden Sägespäne: sie fielen beidseitig des Holzstammes herab. Damit konnten Bäume von bis zu 150 Zentimeter Durchmesser bearbeitet werden. Mit mehreren Kreissägen mit Durchmessern von 80 bis 100 Zentimetern wurden dünnere Stämme gesägt. Die Schnittgeschwindigkeit variierte von 0,5 bis 20 Meter pro Stunde. Holzsparren konnten bis zu einer Länge von 10 bis 12 Meter geschnitten werden. Das Holz wurde im Sauerland gekauft und selbst abgeholt. Auf einem großen Holzplatz linksseitig der Mühle, wo heute eine Wiese ist, lagerte es bis zur weiteren Verarbeitung. Zur Bearbeitung wurden die Stämme auf Loren einer Rollbahn geladen und per Schwerkraft vom Holzplatz zum Sägewerk transportiert. 2 Arbeiter fanden in der Sägemühle eine Beschäftigung. Neben dem Zuschnitt von Bauholz fertigte das Sägewerk Ruthmann für einen lokalen Haushaltsgeräte-Hersteller Holzstäbe für Holzbottichwaschmaschinen aus Eichenholz. Bis zu 10.000 Faßdauben trockneten ungefähr ein halbes Jahr, bevor sie weiterverkauft werden konnten.
Im Jahre 1949 wurde der Betrieb der Sägemühle eingestellt. In den fünfziger Jahren wurden die Anlagen weitestgehend abgerissen, darunter auch ein 25 Meter hoher Schornstein.

Aus dem Leben einer Müllerfamilie

Im Jahre 1890 pachtete Müllermeister Heinrich Schierl (1865-1941) aus Friedrichsdorf die Mühle des Colon Johann Heinrich Ruhtmann. Über 3 Generationen der Familie Ruthmann und über 2 Generationen der Familie Schierl blieb die Getreidemühle in der Pacht der genannten Familie. Nach dem frühen Tod von Hermann Schierl, geboren 1900, verließ seine Familie im Jahre 1951 die Mühle und siedelte sich andernorts in Avenwedde an.

Zur Familie Schierl
Müllermeister Heinrich Schierl (1865-1941) stammte von Schierls Hof, der nahe des heutigen Fasanenweges in Friedrichsdorf lag. Der Begriff „Schierl“ bezeichnete eine feuchte Niederung, die für den Ackerbau nur wenig geeignet war. Um 1637 übernahm Heinrich Wiedenstroth (1610-1680) den Hof von Dreis Heißmann, genannt Schierl, und seiner Frau Greta Redecker anstelle ihres verschollenen Sohnes Evert. Heinrich Wiedenstroth war ein Neffe oder Großneffe von Elsche Wiedenstroth, der Mutter von Dreis Heißmann. Mit der Hofübertragung nahm Heinrich Wiedenstroth, wie es damals üblich war, für sich und seine Kinder auch den Hofnamen als Familiennamen an. Er wurde später „der Alte Schierl“ genannt.

Ein Nachfahre dieser Familie Wiedenstroth, genannt Schierl, Müllermeister Heinrich Schierl, pachtete im ausgehenden 19. Jahrhundert Ruthmanns Mühle. Mit seiner zweiten Frau Katharina Schierl, geborene Harkötter, hatte er 3 Söhne: Bernhard, Josef und Hermann. Zeitweise arbeiteten alle Söhne gemeinsam mit ihrem Vater in der Mühle. Die Müllerfamilie wohnte in dem Fachwerkhaus bei der Mühle. Zum Leben und Arbeiten in der Mühle gehörten 2 Pferde, 2 Kühe, mehrere Schweine, Hühner und Fasane. Unerlässlich waren natürlich Katzen, die den Mäuse- und Rattenbestand der Mühle in Grenzen hielten. Zur Mühle gehörten auch Äcker für den Getreideanbau, ein paar Wiesen, teilweise mit Obstbäumen bestanden, und ein Bauerngarten. Sie dienten der Selbstversorgung.

Neben seiner Arbeit und der Familie widmete sich Müllermeister Heinrich Schierl seinem Hobby - der Jagd. Als Jäger pflegte er engen Kontakt mit Gleichgesinnten und wurde recht häufig als Gast zur Jagd eingeladen. Der Gewehrschrank befand sich in der Mühle. Die Munition bewahrte der Müller jedoch an einem anderen Ort auf. Diese lagerte auf einem Boden über der Destillieranlage im Schuppen hinter dem Schweinestall. Ein Versteck, das sich bei dem Brand im Herbst 1946 als recht gefährlich erweisen sollte.

Heinrich Schierls Sohn, Müllermeister Hermann Schierl (1900-1951), übernahm 1941 die Pacht der Ruthmann'schen Mühle. Er war ein begeisterter Musiker und spielte Schlagzeug und Bandoneon. In der Familie Schierl gehörte Hausmusik als fester Bestandteil zum Leben. Als Mitglied einer Dreimannkapelle sorgte Hermann Schierl bei vielen Festlichkeiten für die musikalische Unterhaltung. Sein Sohn Heinrich, 1934 in der Mühle geboren, erlernte ebenfalls das Müllerhandwerk. Auch er war sehr musikalisch und spielte Geige und Schlagzeug. Als Schlagzeuger gehörte er zu den Red Rockers, einer klassischen Viermannband mit Gitarre, Bass, Akkordeon und Schlagzeug.

Ruthmanns Mühle, Familie Schierl
Foto mit Bernhard, Hermann, Josef, Katharina und Heinrich Schierl sowie einem Jagdkollegen von Heinrich Schierl vor Ruthmanns Mühle. Privatbesitz Familie Schierl.

Eine Geburt in der Mühle
Müllermeister Hermann Schierl (1900-1951) heiratete im November 1932 Klara Niewöhner aus Avenwedde. Zwischen 1934 und 1943 wurden den Eheleuten 4 Kinder geboren. Alle Geburten fanden wie damals üblich zuhause statt, hier also im Fachwerkhaus neben der Mühle. Eine lange Erholungszeit konnte sich die Mutter vor und nach den Geburten nicht gönnen. Die Arbeit drängte, und trotz Haushaltshilfe musste die junge Mutter möglichst schnell wieder mit zupacken. Am Morgen des 12. Juli 1942 wollte die werdende Mutter noch schnell die Deele wischen, als Wehen bereits die Geburt ihrer Tochter ankündigten. Telefonisch wurde die Hebamme gerufen. Sie kam mit ihrem „Hebamme pättkenschnüwer“, einem kleinen Miele-Motorrad, sofort zu ihr heraus gefahren. Die Hebamme stellte jedoch fest, dass es hier noch eine Weile dauern würde. Eine andere werdende Mutter wartete bereits dringend auf sie, sodass sie zunächst weiterfuhr. Gerade als sie dort unabkömmlich war, wurde es bei Klara Schierl ernst. Per Telefon erteilte die Hebamme die wichtigsten Anweisungen, und nur mit letzter Not kam sie gerade noch passend zur Geburt der kleinen Tochter.

Kriegszeiten
Spürbare Einschränkungen im Mühlenbetrieb brachte der Zweite Weltkrieg mit sich. Während des Krieges durfte nur auf Mahlkarten gemahlen werden. Außerdem stand nur ein bestimmtes Kontingent an Getreide zum Vermahlen zur Verfügung. Folglich stand die Mühle zwischenzeitlich immer wieder still. Um das Überleben der Müllerfamilie zu sichern, musste verstärkt auf die Selbstversorgung durch die zur Mühle gehörenden Äcker und Wiesen zurückgegriffen werden.

Während des Zweiten Weltkrieges und in der frühen Nachkriegszeit bis circa 1950 wurde in Ruthmanns Mühle nicht nur Korn gemahlen, es wurde auch unter der Hand Schnaps gebrannt. In einem Schuppen hinter dem Schweinestall befand sich versteckt eine Destillieranlage. Immer wenn jemand auf dem Stuhl vor der Schuppentür saß, wurde darin heimlich Schnaps gebrannt. Jetzt war dort der Zutritt für Dritte verboten. Als Rohstoff zum Schnapsbrennen dienten das eigene Korn - vor allem Roggen - und Rübenkraut aus Runkelrüben. Beides enthielt einen hohen Anteil an Stärke, die in der Destillieranlage zu Alkohol vergoren wurde. Auf einem Ofen wurde ein Bottich mit möglichst dichtem Deckel, gefüllt mit Rübenkraut- oder Getreidemaische, zum Kochen gebracht. Eine mit dem Bottich verbundene Rohr- und Glaskonstruktion in Form einer Schnecke fing den heißen Dampf auf und kühlte ihn ab. Am Ende der Leitung tropfte der fertige Alkohol in eine Flasche. Es wurden jedes Mal gleich etwas größere Mengen Alkohol hergestellt, sodass bei jedem Destillationsvorgang circa 100 Liter Schnaps für den Eigenbedarf und 20 Liter zum Verkaufen gebrannt wurden. Man benötigte den Schnaps als Tauschgrundlage für den florierenden Schwarzmarkt und als Geschenk für Verwandte und Freunde oder als Anerkennung für kleine Gefälligkeiten.

Feuer bei der Mühle
An einem Sonntagabend im Herbst 1946 ereignete sich in unmittelbarer Nähe zur Mühle ein Unglück. Plötzlich explodierte im Schuppen hinter dem Schweinestall der Ofen mit einem lauten Knall und einer hellen Stichflamme. Im Nu stand der Schuppen in Flammen. Das Feuer drohte auf das Wohnhaus der Müllerfamilie überzugreifen. In Windeseile wurden die Kinder aus dem Fachwerkhaus geholt. Nur in Decken gehüllt, wurden sie in Sicherheit gebracht. Die Müllersleute und die Nachbarn packten mit an, um aus der Dalke genügend Löschwasser heranzubringen. Natürlich durfte die Feuerwehr nicht alarmiert werden, um die Schnapsbrennerei nicht zu verraten. Doch die Flammen waren am dunklen Himmel weithin sichtbar, sodass die Männer der Freiwilligen Feuerwehr sofort alarmiert wurden und zum Löscheinsatz ausrückten. Ein besonderes Gefahrenpotenzial bei diesem Brand bildete die Jagdmunition von Heinrich Schierl, der wenige Jahre zuvor verstorben war. Die Munition lag noch immer in dem Schuppen auf einem Boden über der Destillieranlage, die immer wieder kleinere und größere Explosionen verursachte.

Die genaue Brandursache wurde nie festgestellt. Möglicherweise war der Ofen überhitzt, oder es war Alkohol in das Feuer gelaufen. Der Feuerwehr wurde als Ursache gesagt, dass englische Besatzungstruppen auf die Mühle geschossen und die Munition getroffen hätten. Trotz allem war der Schaden des Feuers überschaubar. Der Schuppen war abgebrannt, Destillieranlage und Ofen waren zerstört, doch Wohnhaus und Mühle waren unversehrt geblieben. Der Schuppen wurde mitsamt der Destillieranlage wieder aufgebaut, sodass weiter Schnaps gebrannt werden konnte.

Nachkriegszeit
Nach Kriegsende quartierten sich vorübergehend amerikanische Soldaten in der Mühle ein. Die Müllerfamilie konnte jedoch wohnen bleiben, und die Soldaten nahmen sich nur, was sie benötigten. Bereits nach wenigen Tagen zogen sie weiter. Als Flüchtlinge aus dem Osten in Avenwedde ankamen, wurden ein Pärchen und 2 Familien in das Wohnhaus der Müllerfamilie einquartiert. Jetzt wurde es etwas eng, die Zimmer wurden aufgeteilt und die Küche nutzten alle gemeinsam. Damals gab es in dem Haus noch kein Bad, sodass das ganze Wasser mit einem Topf von der Pumpe geholt werden musste. Zum Baden wurde eine Zinkwanne in der Küche aufgestellt. Die Wäsche wurde auf einem Waschbrett in der Dalke gespült.

Ein besonderes sommerliches Vergnügen bereitete der Mühlenteich an Ruthmanns Mühle. Bis in die 50er Jahre hinein war der Teich bei den Avenwedder Bürgern als Badeteich sehr beliebt. Nur mit Unterhose oder Schlüpfer bekleidet, ging man ins erfrischende Wasser. Kabinen zum Umkleiden gab es nicht. Je nachdem, wie voll es gerade war, konnten sogar ein paar Schwimmzüge gemacht werden. Heute werden in den Teichen Fische gehalten.

Quellen:
Nach Erzählungen von Mitgliedern der Familie Schierl, Interview vom 11.05.2010.

Autorin und Bildredaktion: Elisabeth Sommer, Historikerin, Gütersloh
http://www.esommerhistorikerin.de/services/index.html

So funktioniert eine Kornmühle

Das Prinzip, Getreidekörner zwischen 2 Steinen oder im Mörser zu zerkleinern, ist bereits lange vor Christi Geburt angewendet worden. Im Laufe der Zeit wurde es ständig weiterentwickelt und verbessert, bis im 6. Jahrhundert nach Christus erstmals Mahlsteine durch Wasserräder angetrieben wurden. Auch die Nutzung des Windes zum Antrieb von Mühlen führte dazu, dass seit dem Mittelalter neben dem Mahlgang auch die übrigen Funktionselemente zum Reinigen, Transportieren und Sieben des Mahlgutes mechanisch betrieben werden konnten.

Vor der Verarbeitung in der Mühle muss das Korn gereinigt werden. Damit wird ausgeschlossen, dass schädliche Stoffe wie Mutterkorn(1), Unkrautsamen oder Schimmelpilze mit vermahlen werden. Außerdem werden die Maschinen in der Mühle vor Beschädigungen durch Metallteile oder Steine geschützt. Die Reinigung erfolgt durch Separatoren(2), hier trennt sich „die Spreu vom Weizen“. Eine bessere Ausbeute erzielt man, wenn das Getreide mit Feuchtigkeit benetzt wird und diese in einer mehrere Stunden dauernden Abstehzeit sich gleichmäßig im Korn verteilen kann.

Der bedeutendste Teil der Mehlgewinnung erfolgt anschließend im Mahlgang(3). Zwischen einem Bodenstein und einem aufliegenden Läuferstein werden die Körner aufgespalten und zerkleinert. Der Antrieb der Steine erfolgt direkt über das Wasser- oder Windrad mit einem Winkelgetriebe mit einem quer sitzenden Kammrad und einem Treiber, der den Läufer bewegt. Der Bodenstein ruht dabei. Bei diesem Arbeitsgang entsteht Schrot(4), von dem anschließend die Kleie(5) getrennt werden muss, um das Mehl zu erhalten.

Die Schalenteile und die Kleie werden im Sichter ausgesondert, der Transport dorthin erfolgt meist über Elevatoren(6), Schneckenbänder oder durch Pneumatik. Durch die gleichmäßige Rüttelbewegung wird das Mehl über Siebe getrieben und ausgesondert. Dieser Arbeitsvorgang löst auch das bekannte Klappern einer Mühle aus.

Je nach gewünschter Mehlqualität werden die Mahlvorgänge mehrmals wiederholt (Passagen). Dabei durchläuft das Schrot unterschiedliche Walzenstühle(7). Moderne Mühlen haben Kapazitäten, mit denen über 200.000 Tonnen Getreide pro Jahr vermahlen werden können. Insgesamt bestehen heute in Deutschland noch etwa 600 Mühlen, die Hälfte davon weisen eine Jahresvermahlung von über 500 Tonnen auf. Jeder Deutsche nimmt pro Jahr über 70 Kilogramm von diesen Erzeugnissen zu sich.


(1) Mutterkorn: Das Mutterkorn ist eine längliche, kornähnliche Dauerform des Mutterkornpilzes. Es wächst in den Ähren von Roggen und einigen anderen Getreidegattungen wie Triticale, Weizen, seltener auf Gerste oder Hafer und anderen Gräsern, und enthält stark giftige Stoffe.
(2) Separator: Zentrifuge
(3) Mahlgang: Ein Mahlgang ist eine der ersten Zerkleinerungsmaschinen der Menschheit, bestehend aus 2 Mühlsteinen (Boden- und Läuferstein) in einer Holzbütte, zwischen denen durch Drehbewegung Mahlgut zerkleinert wird. Sie ist technisch durch den Walzenstuhl verdrängt worden.
(4) Schrot: grob gemahlene Getreidekörner
(5) Kleie: Abfallprodukt beim Mahlen von Getreide: Sammelbegriff für die bei der Getreideverarbeitung nach Absieben des Mehles zurückbleibenden Rückstände aus Schalen und Keimlingen
(6) Elevator: Hebe-/Förderwerk
(7) Walzenstuhl: Im Walzenstuhl wird das Getreide gemahlen. Dabei wird der Mehlkern von der Getreideschale getrennt, indem das Mahlgut zwischen 2 gegenläufigen Walzen mit rauer Oberfläche zerkleinert wird.

Vom Getreide zum Brot als ein wichtiges Grundnahrungsmittel

Die Anfänge des Getreideanbaus liegen in der Steinzeit. Wildgräser wurden kultiviert und es entstanden daraus die ersten Getreidearten Gerste, Hirse, Hafer, Reis und Weizen. Bei uns in Mitteleuropa wird seit etwa 6.500 Jahren Getreide angebaut. Diese Arten zählen damit zu den ältesten Kulturpflanzen der Erde.

Zunächst nutzte man die ganzen oder gemahlenen Getreidekörner eingeweicht als Brei zur täglichen Ernährung. Ab etwa 3.000 Jahren vor Christus wurde der Getreidebrei auch auf heißen Steinen gebacken – das Fladenbrot entstand. Die Ägypter entdeckten circa 2.000 Jahre vor Christus den Sauerteig. So konnte erstmals gelockertes Brot gebacken werden. Erst ab dem 8. Jahrhundert kam das Brot nach Mitteleuropa als Speise für die Privilegierten. Es dauerte Jahrhunderte bis es auch für das „gemeine“ Volk zum Grundnahrungsmittel wurde.

Heute verzehren die Deutschen pro Kopf und Jahr rund 76 Kilogramm Getreide. 75 Prozent entfallen dabei auf Weizen und 14 Prozent auf Roggen, gefolgt von Mais, Reis, Hafer und Gerste in absteigenden Mengen. Die geringsten Anteile haben Dinkel und Hirse und die getreideähnlichen Produkte Amarant, Quinoa und Buchweizen. Fast 90 Prozent des Getreides wird in Form von Brot, Brötchen und Kleingebäck verzehrt. Die Deutschen sind mit 230 Gramm pro Tag oder 4 Scheiben Brot plus einem Brötchen „Europameister“ im Brotverzehr.

Die Herstellung von Getreidemehlen erfolgt in der Mühle über die Arbeitsschritte Reinigen und Mahlen mit dem sich mehrmals wiederholenden Zerkleinern und Sieben.

Die wichtigsten Bestandteile von Brot sind Mehl, Wasser, Salz und Teiglockerungsmittel (Backhefe und Sauerteig). Weitere Zusätze charakterisieren die zahlreichen unterschiedlichsten Brot- und Brötchenerzeugnisse, für deren Vielfältigkeit Deutschland in der ganzen Welt bekannt ist.

Quelle: Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Baden-Württemberg: „Blickpunkt Ernährung/Brennpunkt Lebensmittel“

Getreidearten und ihre Verwendung

1. Die wichtigsten Arten im Raum Gütersloh

Roggen(Secale cereale)
Geschichte und Herkunft:
Der Roggen ist die wahrscheinlich jüngste Getreideart, denn er wird erst seit etwa 2.500 Jahren genutzt. Er stammt aus Kleinasien von einer wilden Roggenart - dem Bergroggen - ab. In Deutschland tauchen Roggenkörner in archäologischen Ausgrabungen erst relativ spät auf, nämlich 3.000–3.500 Jahre nach dem Beginn der Ackerbaukultur. Weil er im Gegensatz zum Weizen in kürzerer Zeit reift, ist er zum wichtigsten Getreide Norddeutschlands, Polens und Russlands geworden. In Deutschland wurden 2012 etwa 3,9 Millionen Tonnen Weizen auf einer Anbaufläche von rund 710.000 Hektar geerntet.
Inhaltsstoffe:
Lysin, Kalium, Magnesium, Calcium, Phosphor, Fluor, Kieselsäure, Jod, Foliumsäure und Eisen. Vitamine der B-Reihe.
Verwendung:
Brot (Vollkorn- und Schwarzbrot) Getreidegerichte, Knäckebrot, Alkoholherstellung
Besonderheit:
Wirkt blutreinigend und regt die Darmfunktion an. Durch hohen Anteil von Klebereiweiß gut geeignet zur Brotherstellung. Roggenmehl erhält seine gute Backfähigkeit jedoch erst im Sauerteig. Die Säure sorgt für eine längere Haltbarkeit der Roggenbrote. Der Roggen verträgt raues Klima und hat wenige Ansprüche an die Bodenqualität. Die Roggenhalme ragen bis 2 Meter in die Höhe und sie sind so elastisch gebaut, dass sie der Wind nur selten umknickt. Wird fast ausschließlich als Winterroggen angebaut (Aussaat im Herbst, überwintert als grüne Pflanze).

Roggen, Ähre
Roggen, Ähre

Triticale
Geschichte und Herkunft:
Triticale ist eine Kreuzung aus Weizen (Triticum) und Roggen (Secale). Daher auch der Name als Mischung aus TRITIcum und seCALE. Triticale wurde ursprünglich gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Schweden und Schottland gezüchtet, um die hohe Qualität des Weizens auch in kühlen Gegenden zu nutzen. In Deutschland lag die Anbaufläche 2012 bei rund 371.400 Hektar. Geerntet wurden rund 2,3 Millionen Tonnen.
Inhaltsstoffe:
Eiweiß, Lysin, Kalium, Magnesium
Verwendung:
Neben der überwiegenden Anwendung (>50 Prozent) als Futtergetreide kann Triticale auch für die menschliche Ernährung (Backwaren, Bier, et cetera) genutzt werden. Die einzelnen Triticale-Sorten sind unterschiedlich geeignet.
Besonderheit:
Bei der Kreuzung wurden die guten Leistungs- und Qualitätseigenschaften des Weizens mit der Anspruchslosigkeit und Krankheitsresistenz des Roggens kombiniert. Triticale ist sehr winterhart und wird im Herbst ausgesät.

Triticale, Ähre
Triticale, Ähre

Gerste (Hordeum vulgare und H. distichon)
Geschichte und Herkunft:
Die Gerste kommt aus Asien und ist die vermutlich älteste Getreideart neben dem Weizen, die der Mensch in Kultur nahm. Während des Mittelalters war die Gerste als ertragreiches Viehfutter geschätzt. Die Gerste ist heute in der ganzen Welt verbreitet und ist ein anspruchloses und widerstandsfähiges Getreide. Kultiviert werden heute vor allem 2 Arten in verschiedenen Sorten: Die mehrzeilige Gerste (H. vulgare, mit dicker Ähre aus 4 oder 6 Grannen- bzw. Körnerreihen, überwiegend als Wintergerste im Herbst ausgesät) dient hauptsächlich als Futtergetreide, die zweizeilige Gerste (H. distichon, mit flachgedrückter Ähre und 2 Grannen- bzw. Körnerreihen, überwiegend als Sommergerste im Frühjahr ausgesät) wird - im Gütersloher Raum nur selten - als Braugerste angebaut. Die deutschlandweite Gerstenernte lag 2012 bei etwa 10,4 Millionen Tonnen.
Inhaltsstoffe:
Fett, Eiweiß, Kohlehydrate, Kieselsäure, Vitamine B1, B2 und E
Verwendung:
Gerste wird überwiegend als Tierfuttermittel verarbeitet. Eine Rolle in der menschlichen Ernährung spielen Suppeneinlagen (Graupen, Rollgerste) oder Grütze. Großabnehmer sind Brauereien, die Gerste als Rohstoff für die Malzherstellung verwenden (Biomalz, Malzkaffee, Bier).
Besonderheit:
Durch den hohen Kieselsäuregehalt lindernd bei Bindegewebsschwäche, Bandscheibenleiden und Gelenkerkrankungen. Gerstenschleim wirkt beruhigend bei Reizungen der Schleimhäute von Magen und Darm.

Gerste, Ähre
Gerste, Ähre

Mais (Zea mays)
Geschichte und Herkunft:
Die Heimat des Mais liegt vermutlich zwischen Mexiko und Peru. Bereits 1525 wurden in Spanien die ersten Felder mit Mais bebaut, nachdem Christoph Kolumbus die Pflanze in der Karibik entdeckt und mit nach Europa gebracht hatte. In Europa galt Mais zunächst als exotische Zierpflanze. Als Getreide wurde er erst im 17. Jahrhundert angebaut. Heute nimmt Mais unter den weltweit angebauten Getreidearten den zweiten Platz ein.
Inhaltsstoffe:
Fette, Vitamine, Mineralstoffe
Verwendung:
Hauptsächlich zur Futtermittelerzeugung (in Industrieländern). Produkte aus Mais für die menschliche Ernährung sind: Maismehl (viel verwendet in Entwicklungsländern), Cornflakes (Maisflocken), Popcorn und Maiskolben (Gemüse).
Darüber hinaus hat die Pflanze eine große Bedeutung als Energiepflanze zur Herstellung von Biokraftstoffen (Bioethanol, vor allem in Nordamerika) und als Energiemais zur Herstellung von Maissilage als Biogassubstrat. In Deutschland wurden 2013 rund 4,4 Millionen Tonnen Körnermais auf einer Anbaufläche von etwa 497.000 Hektar geerntet.
Besonderheit:
Verlangt zum Gedeihen große Mengen an Dünger. Zum Schutz gegen Schädlingsbefall sind Pestizide erforderlich.

Mais
Mais, Foto: Adobe Stock

2. Weitere Getreidearten

Weizen (Triticum aestivum)
Geschichte und Herkunft:
Der Weizen ist das wichtigste Getreide der Erde. Er ist eine der ältesten Kulturpflanzen und wird in Europa seit 6.000 bis 7.000 Jahren angebaut. Die Wildformen stammen aus Vorder- und Mittelasien bzw. aus Äthiopien. Weizen ist als wichtigste Getreideart das bedeutendste Brotgetreide und auf der ganzen Welt verbreitet. Er gedeiht am besten im mittleren warmen Klima auf feuchten lehmhaltigen Böden und stellt hohe Ansprüche an Licht und Wärme. Pro Jahr werden davon weltweit rund 650 Millionen Tonnen, davon 22,4 Millionen Tonnen (2012) in Deutschland geerntet.
Inhaltsstoffe:
Kalium, Phosphor, Magnesium und Kieselsäure, Stärke, Eisen. Vitamine B1, B2, B6, die im Körper zu A umgesetzt werden. Die wertvollsten Bestandteile befinden sich im Keim und in den Randschichten.
Verwendung:
Vorwiegend für Brot, Brötchen, Feingebäck und Stärkepulver. Für Teigwaren und Nudeln wird Hartweizen (Triticum durum) verwendet.
Besonderheit:
Guter Geschmack (mild), leicht verdaulich. Hervorragende Backeigenschaften durch hohen Kleberanteil. Weizen wird in Gütersloh kaum angebaut, weil er höhere Ansprüche an Klima, Boden und Wasserversorgung als andere Getreidearten stellt. Wird fast ausschließlich als Winterweizen im Herbst ausgesät und überwintert als grüne Pflanze.

Weizen, Ähre
Weizen, Ähre

Dinkel (Triticum spelta)
Geschichte und Herkunft:
Dinkel ist ein enger Verwandter des heutigen Weizens und kommt aus Südwestasien und Nordafrika. Er war in den vorigen Jahrhunderten die meist verbreitete Weizenart in Europa. Jedoch ist der Anbau wegen der schwierigen Ernte und des stark schwankenden Ertrags zurückgegangen. Dinkel wird nur in wenigen Gebieten Europas angebaut z. B. in Baden-Württemberg. Deshalb wird es auch das „schwäbische Korn“ genannt. Er verträgt jedoch gegenüber dem Weizen raueres Klima und ist resistenter gegen Krankheiten. Die Anbaufläche in Deutschland beträgt rund 50.000 Hektar.
Inhaltsstoffe:
Eiweiß, Kalium, Phosphor, reichlich Eisen
Verwendung:
Zum Kochen und Backen, Eierpfannkuchen aus Dinkelmehl, Verwendung in Brot- und Backwaren sowie Teigwaren, jedoch verfügt Gebäck aus Dinkelmehl über eine geringe Frischhaltung und wird schon nach kurzer Zeit trocken und hart.
Besonderheit: Hoher Kleberanteil, feines nussartiges Aroma.

Dinkel
Dinkel, Foto: Adobe Stock

Grünkern
Geschichte und Herkunft:
Grünkern ist nach verschiedenen Berichten vor mehreren hundert Jahren in Süddeutschland erstmals hergestellt worden. Die erste urkundliche Erwähnung des Grünkerns stammt aus dem Jahre 1660, und zwar aus einer Kellereirechnung des Klosters Amorbach. Er wird aus dem unreifen Dinkelkorn (Triticum spelta)gewonnen.
Inhaltsstoffe:
Eiweiß, Phosphor, Eisen, Kalium
Verwendung:
Für Suppen und Getreidegerichte. Grünkern ist nicht nur gesund, sondern zudem sehr gut verträglich. Vegetarier mögen das grüne Korn als deftigen Fleischersatz, z.B. in Bratlingen. Zudem wirkt Grünkern verdauungsfördernd.
Besonderheit:
Würziges Aroma, hohes Sättigungsvermögen.

Hafer (Avena sativa)
Geschichte und Herkunft:
Der Hafer wurde in Nordeuropa erstmalig in der Bronzezeit angebaut, seine ursprüngliche Heimat ist jedoch Asien.
Diese Getreideart verbreitete sich zunächst unerwünscht in Weizen-und Gerstenfeldern; bei den Römern galt er noch als Unkraut. Ab dem Hochmittelalter ist Hafer in Mittelgebirgslagen eine bedeutende Feldfrucht, die erst durch die Einführung der Kartoffel ihre Stellung verlor. Der Hafer bevorzugt kühlere Gebiete Mittel- und Nordeuropas. Hafer hat einen geringen Licht- und Wärmebedarf und braucht viel Wasser. Die Saat-Hafer-Ernte in Deutschland betrug 2012 etwa 758.000 Tonnen.
Inhaltsstoffe:
Proteine, Eiweiß, Mineralstoffe, Vitamine der B-Gruppe, Stärke
Verwendung:
Hafer wird in erster Linie als Futtermittel verwendet. Für die menschliche Ernährung werden verschiedene hochwertige Nährmittel hergestellt, die sich durch ihre leichte Verdaulichkeit auszeichnen, wie z.B. Haferflocken. Der überwiegende Haferanteil wird allerdings an Pferde, Rinder und Geflügel verfüttert.
Besonderheit:
Das Haferstroh findet bei juckenden und entzündlichen Hauterkrankungen eine Anwendung. In der Homöopathie findet sich Hafer in einigen Arzneimitteln. Zudem wird Hafer auch als Kindernährmittel und nach Magen- und Darmoperationen eingesetzt. Als typisches Sommergetreide wird Hafer erst im Frühjahr ausgesät, in Gütersloh aber nur noch selten angebaut.

Hafer, Ähre
Hafer, Ähre

Hirse (versch. Arten)
Geschichte und Herkunft:
Hirse ist eine der ältesten Getreidesorten und ist fast überall auf der Welt verbreitet. Bis zur Einführung der Kartoffel war Hirse die Hauptnahrung der ärmeren Bevölkerung. In einigen Gebieten Afrikas und in Teilen Asiens stellt Hirse heute noch das Hauptnahrungsmittel dar. Wenn man im deutschen Sprachraum von Hirse spricht, handelt es sich oft um die Rispenhirse.
Inhaltsstoffe:
Kieselsäure, Protein, Kohlenhydrate, Mineralstoffe, Eisen, Magnesium, Phosphor Vitamine B1, B2, A und C
Verwendung:
Herstellung von Brei, Müsli und Aufläufen. Von Durra (Mohrenhirse) wird neben den Samen auch der Halm zur Faserherstellung genommen.
Besonderheit:
Schmackhaft und leicht verdaulich. Die Mineralstoffe sind günstig für das Knochengerüst, gegen Haarausfall und brüchige Nägel, auch zur Erhöhung der Sehkraft. Hirse ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene kleinfrüchtige botanische Arten bzw. Gattungen warmer Klimate (unter anderem Rispen-, Mohren-, Kolbenhirse), die in Europa kaum angebaut werden.

Hirse
Hirsepflanzen, Foto: Adobe Stock

Reis (Oryza sativa)
Geschichte und Herkunft:
Reis ist als Kulturform im tropischen und subtropischen Asien entstanden und als eines der wichtigsten Getreide die Nahrungsgrundlage für mehr als die Hälfte der Menschheit. Seit 400 vor Christus wurde er in Mesopotamien angebaut und erreichte von dort aus auch Europa. Die heute wichtigsten Anbaugebiete sind neben Asien die USA und Südeuropa.
Inhaltsstoffe:
Neben dem Hauptbestandteil Stärke (wie bei allen Getreidearten) ist Eiweiß mit circa 7 bis 8 Prozent ein wichtiger Bestandteil und für viele Menschen damit die bedeutendste Eiweißquelle. An Spurenelementen sind Phosphor, Eisen und Magnesium bedeutend, im sogenannten Silberhäutchen des ungeschälten Reiskorns finden sich die Vitamine B1 und B2. Reis ist natriumarm und eignet sich zur Entwässerung bei Übergewicht und Bluthochdruck.
Verwendung:
Reis dient in vielen Sorten überwiegend der menschlichen Ernährung und wird mit Wasser, Dampf, Brühe oder Milch gegart. In einzelnen Ländern bildet Reis bis zu 80 Prozent der gesamten menschlichen Nahrung. Wie aus anderen Getreidearten werden auch aus Reis Getränke (Branntwein, Reiswein, Bier, Reismilch) hergestellt, außerdem Reispapier und Matten aus Reisstroh. Nur geringe Anteile werden zu Tierfutter verarbeitet.
Besonderheit:
Der weitaus meiste Reis wird ohne Maschineneinsatz von Hand angebaut und geerntet. Sogenannter „Wildreis“ besteht aus Samen anderer Grasarten. Wie der Hafer und manche Hirsearten ist Reis ein Rispengras. Er wird überwiegend nass in aufwändiger Handarbeit auf überfluteten Feldern (Reisterrassen) angebaut und benötigt bei dieser Art der Kultivierung kaum Schädlingsbekämpfung. Im überfluteten sauerstofffreien Boden entsteht jedoch das Treibhausgas Methan in großem Mengen (geschätzt 17 Prozent des Methans der Erdatmosphäre).

Reis-Rispe
Reis-Rispe

Buchweizen (Fagopyrum esculentum)
Geschichte und Herkunft:
Umherziehende Stämme und Reitervölker brachten den Buchweizen aus der mongolischen Steppe Asiens nach Europa. Hier wird er erstmalig im 15. Jahrhundert erwähnt. Weil er vor allem auf armen Böden gut gedeiht, wurde er in solchen Gebieten bald ein Grundnahrungsmittel. Erst als die nahrhafte Kartoffel, deren Anbau viel ertragreicher ist, ihren Siegeszug antrat, verschwand der Buchweizen allmählich aus der Küche und vom Speiseplan.
Inhaltsstoffe:
Eisen, Phosphor, Kalium, Calcium, Magnesium, Fluor, Kieselsäure. Vitamine B1, B2, B6, viel Lecithin
Verwendung:
zum Kochen und Backen, Zusatz zu Backrezepten, zur Geschmacksanhebung. Als Beilage anstelle von Reis.
Besonderheit:
Reich an Lysin – wichtig für das Knochenwachstum. Zudem ist Buchweizen leicht verdaulich. Botanisch gesehen ist Buchweizen eigentlich kein Getreide (Familie der Süßgräser), sondern gehört wie auch z.B. der Rhabarber oder der Sauerampfer zu den Knöterichgewächsen. Buchweizen ist einjährig, (es überwintern also nur die Samen).

Buchweizen
Buchweizen, Foto: Adobe Stock

Quellen:
Texte: www.wikipedia.de
Bilder:
Stadt Gütersloh
Mais: Autor: Silverije, Datei: Klip kukuruza uzgojen u Medimurja (Croatia).jpg, Wikimedia Commons
Dinkel: Autor: Sten, Datei: Spelt.jpg, Wikimedia Commons
Hirse: Wikimedia Commons
Reis: Autor: Leo Michels, Datei: Reis-Rispe.jpg, Wikimedia Commons
Buchweizen: Autor: Dalgial, Datei: 메밀.jpg, Wikimedia Commons

Getreideanbau im Raum Gütersloh

Die Landwirtschaft im Stadtgebiet Gütersloh ist klein strukturiert, viele landwirtschaftliche Betriebe sind nur 2 bis 5 Hektar groß. Diese werden heute meist im Nebenerwerb bewirtschaftet. Etwa die Hälfte der Bauernhöfe in Gütersloh werden im Haupterwerb geführt, mit einer deutlich größeren Flächenausstattung (durchschnittlich 40 - 50 Hektar).

In diesen Betrieben ist die Tierhaltung ein wichtiges Standbein, denn die Ertragfähigkeit der in Gütersloh vorherrschenden Sandböden ist meist niedrig und unsicher. Für die Flächennutzung bedeutet dies, dass auf den betriebseigenen Flächen (Acker und Grünland) vorwiegend Früchte angebaut werden, die als Futtergrundlage für die landwirtschaftlichen Nutztiere genutzt werden. Als Brotgetreide wird in Gütersloh nur Brotroggen von wenigen Betrieben und in geringem Umfang angebaut.

Im Stadtgebiet Gütersloh werden 73 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche (LN) ackerbaulich genutzt, die restlichen 27 Prozent sind Grünland. In konkreten Zahlen bedeutet dies: Von den 6.015 Hektar landwirtschaftliche Fläche werden 4.391 Hektar ackerbaulich genutzt. Das Grünland umfasst eine Gesamtfläche von 1.624 Hektar (Daten aus Flächennutzung 2006). Innerhalb des Stadtgebietes gibt es jedoch größere Abweichungen von diesem Mittelwert. So finden sich größere Grünlandkomplexe, in der Regel bedingt durch hohe Grundwasserstände und schwierige Vorflutverhältnisse, insbesondere in den Ortsteilen Avenwedde, Spexard, Hollen, Niehorst und Isselhorst.

Grünland, Ausgleichsfläche Höner
Grünland, Ausgleichsfläche Höner, Foto: Stadt Gütersloh

Auf circa 40 Prozent der Ackerfläche wird Getreide (ohne Mais) angebaut, dieses findet vorwiegend als Futtergetreide Verwendung. Sofern das Futter von den landwirtschaftlichen Betrieben nicht selbst genutzt wird, erfolgt eine Vermarktung über die Genossenschaft oder den Landhandel. Die wichtigsten Getreidearten sind Wintergerste und Wintertriticale, Winterroggen und Winterweizen werden dagegen in deutlich geringerem Umfang angebaut. Auf Flächen mit ausreichender Wasserversorgung ist auch Winterweizen zu finden. Als Sommergetreide wird Sommergerste, Sommertriticale und manchmal auch Hafer angebaut.

Mais (Zea mais) wird ebenfalls auf circa 40 Prozent der Ackerfläche angebaut und dient als Futtergrundlage für Rinder und Schweine, sowie als Substrat zur Vergärung in Biogasanlagen.
Ursprünglich stand die Nutzung als Viehfutter im Vordergrund (als Ganzpflanze: Silomais, als Kolben: Corn-Cob-Mix oder Lieschkolbenschrot, reine Körnernutzung). In den letzten Jahren ist der Anteil der Maisflächen gestiegen, auf denen der komplette Aufwuchs (Silomais) als Rohstoff für die Vergärung in Biogasanlagen verkauft wird. Dies ist besonders für viehlose Betriebe interessant, wenn hohe Ölpreise die Trocknungskosten explodieren lassen und der Gärrest als wertvoller Dünger verwendet werden kann.