Schutzgebiete
Die Stadt Gütersloh besitzt mit den Feuchtwiesenschutzgebieten "Am Lichtebach" und "Große Wiese" 2 besondere Naturperlen. Durch die extensive Nutzung vieler Wiesen ohne Einsatz von Dünger und Herbiziden konnte sich dort eine artenreiche Vegetation erhalten.
So wurden im nur 90 Hektar großen Niehorster Gebiet „Am Lichtebach“ über 300 verschiedene Pflanzenarten festgestellt, darunter 37 gefährdete Arten, wie z.B. Sonnentau und Teufelsabbiss. Im südlich von Friedrichsdorf gelegenen Naturschutzgebiet „Große Wiese“, das mit 230 Hektar mehr als doppelt so groß ist, konnten sogar mehr als 350 Arten erfasst werden, von denen 29 auf der Roten Liste stehen. Die seltene Bach-Nelkenwurz hat hier ihr größtes Vorkommen im gesamten Kreisgebiet.
Blütenreiche Wiesen bieten auch Insekten und Vögeln geeigneten Lebensraum. So kommen seltene Heuschrecken wie die Sumpfschrecke und der Sumpf-Grashüpfer oder der Mauerfuchs als gefährdete Tagfalterart vor. Mit dem Großen Brachvogel und dem Kiebitz brüten 2 typische Vogelarten der offenen Landschaft alljährlich in den Gebieten. Besonders der Brachvogel mit seinem weithin hörbaren Flöten prägt nach seiner Ankunft im zeitigen Frühjahr die Stimmung in den Feuchtwiesen.
Durch die Anlage zahlreicher Kleingewässer konnte auch die Attraktivität für Amphibien und Libellen erheblich gesteigert werden. Neben der Erdkröte kommen Teich- (Wasser-) und Grasfrosch sowie Teich- und Bergmolch vor. An einem Gewässer am Lichtebach wurde sogar der seltene Kammmolch nachgewiesen. Unter den Libellen ist insbesondere ein Bestand der gefährdeten Winterlibelle in der Großen Wiese hervorzuheben. Bei dieser Libellenart überwintern die erwachsenen Tiere und können dann bei der ersten warmen Witterung schon ab April an den Gewässern beobachtet werden.
Zuständig für die Betreuung der Schutzgebiete ist die Naturschutzbehörde des Kreises Gütersloh; sie wird dabei von den Biologischen Stationen und vom Verein für Landschaftspflege und Landschaftsschutz unterstützt. Informationen zu Naturschutzgebieten im Kreisgebiet finden Sie auf der Internetseite des Kreises Gütersloh (siehe unten: Landschafts- und Naturschutzgebiete im Kreis Gütersloh).
Das Naturschutzgebiet "Große Wiese" in Gütersloh-Avenwedde
Das Naturschutzgebiet "Große Wiese" ist das jüngste (erste Unterschutzstellung am 28.12.1994) und mit circa 228 Hektar Fläche zugleich das größte Naturschutzgebiet in Gütersloh. Es erstreckt sich über die Stadtgrenze hinweg bis nach Verl und liegt südlich der Luise-Hensel-Straße und östlich der Sürenheider Straße. Große Teile des Gebietes sind für Besucher gut und weitgehend ohne Störung der Tier- und Pflanzenwelt von den Erschließungs- bzw. Durchgangsstraßen Schillerweg, Siekstraße, Paderborner Straße und Dürerweg einsehbar. Der Grünlandkomplex setzt sich nach Westen bis an den Ortsrand von Avenwedde fort (Paschedags Wiesen), steht dort allerdings nicht mehr unter Naturschutz. (Die Bilderstrecke am Ende dieses Artikels zeigt Eindrücke aus dem Naturschutzgebiet Große Wiese im Spätsommer 2009, Fotos: Stadt Gütersloh)
Ein Schutzgebiet mit landesweiter Bedeutung
Als einer der großen Grünlandschwerpunkte gehört die „Große Wiese“ nicht nur zum Kern des Gütersloher Biotopverbundsystems. Der stark vom Grundwasser beeinflusste Lebensraum bildet auch als Bestandteil des Feuchtwiesen-Schutzprogramms Nordrhein-Westfalen einen wichtigen Trittstein im landesweiten Biotopverbund. Der Kreis Gütersloh beherbergt die meisten Zentren des stark gefährdeten Biotoptyps „Feuchtwiesen“ im östlichen Sandmünsterland; eine vergleichbar hohe Dichte von Feuchtwiesen findet sich erst wieder im westmünsterländischen Grenzgebiet zu den Niederlanden und zu Niedersachsen.
In über 100 Schutzgebieten versucht das Land NRW seit 1985, den dramatischen Rückgang des ehemals weit verbreiteten feuchten Grünlandes zu stoppen und durch finanzielle Hilfen die traditionelle bäuerliche Grünlandwirtschaft wenigstens in den ökologisch hochwertigsten Bereichen zu erhalten.
Landschaftsgeschichte und Landschaftscharakter
Die „Große Wiese“ ist eine alte Kulturlandschaft, also eine vom Menschen geprägte und überformte Landschaft. Die landwirtschaftliche Nutzung war in früheren Jahrhunderten weit weniger intensiv als heute: Die Möglichkeiten, mit Dünger und Maschinen die Nachteile des kargen Bodens auszugleichen, entwickelten sich erst allmählich. So konnten sich in einer zunehmend vielgestaltigen, mosaikartig gegliederten Landschaft viele Tier- und Pflanzenarten ansiedeln, die ohne die bäuerliche Wirtschaftsweise hier nicht heimisch geworden wären und die heute den Naturschutzwert der Feuchtwiesen-Schutzgebiete ausmachen.
Nach der Rodung der ursprünglichen Wälder zur Gewinnung von Ackerland entstand auf den mageren Sandböden das „Heidebauerntum“, das seinen Höhepunkt um 1800 erreichte. Damals war im Naturraum „Obere Emssandebene“ mehr als die Hälfte der Fläche von Heide bedeckt, von der allerdings inzwischen kaum noch Spuren zu finden sind. Im heutigen Naturschutzgebiet zeigt aber bereits das Kartenbild um 1790 einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Wiesenflächen mit den bodenfeuchten Kernbereichen Bornenwiese, Große Wiese und Dalkeniederung. Dazwischen eingestreut lagen die trockeneren Heiden (in denen das Vieh frei weiden konnte), durch Heckeneinfassungen geschützte Ackerparzellen, baumreiche Hoflagen sowie wenige kleine Waldstücke.
Durch Kultivierung der Heide sowie Be- und Entwässerungsmaßnahmen wurde im 19. Jahrhundert der Grünlandanteil erheblich ausgeweitet. Das „Grünlandbauerntum“ erreichte im Ostmünsterland seinen Höhepunkt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Um 1950 nahm Grünland fast die gesamte heutige Schutzgebietsfläche ein. Zwar wurden nach dem 2. Weltkrieg zunehmend Parzellen zu Ackerland umgebrochen, doch hat sich nicht zuletzt durch die Sicherstellung als Feuchtwiesen-Schutzgebiet im Jahr 1994 der Charakter einer offenen, stark durch Grünlandnutzung geprägten Kulturlandschaft mit gliedernden Baumhecken, Feldgehölzen und gehölzumrahmten Hoflagen bis heute erhalten. Derart gestaltete Landschaften haben erwiesenermaßen auch einen besonders hohen Wert für die Erholung der Menschen.
Die Dalke im Bereich des NSG Große Wiese
Der Verlauf der Dalke wurde im Bereich des heutigen Naturschutzgebiets teilweise stark verändert. Karten um 1800 zeigen, wie sich der Bach durch die Landschaft in unzähligen Windungen schlängelte, die teilweise sehr genau gezeichnet wurden, weil die Dalke die Grenze zwischen dem Amt Reckenberg (Fürstbistum Osnabrück) und der Grafschaft Rietberg bildete. Eine ungefähre Vorstellung davon vermittelt noch der Bachabschnitt östlich der Paderborner Landstraße, der vom späteren Dalkeausbau wenig betroffen war - wenngleich auch dort manche Schlingen begradigt wurden, was teilweise noch heute am Verlauf der Flurstücksgrenzen ablesbar ist. Westlich der Paderborner Straße hat die Dalke ihren ehemaligen Charakter als kleiner, von Gehölzen gesäumter Wiesenbach vollkommen verloren. Sie wurde begradigt, verbreitert, mit naturfernen Baumaterialien befestigt sowie teilweise aufgestaut und hat dabei einen erheblichen Teil ihres ökologischen Wertes eingebüßt.
Auch die Wasserführung und –qualität der Dalke verschlechterte sich: Von den immer weiter wachsenden versiegelten Flächen der Siedlungen und Straßen (u.a. von der Autobahn) wird Regenwasser stoßweise eingeleitet, das zudem belastet ist. Hinzu kommen landwirtschaftliche Drainagen, die zusätzliches Wasser und Nährstoffe in die Dalke führen. Auch das Abwasser aus Kläranlagen erhöht den Abfluss und verschmutzte die Dalke zeitweilig stark. Während die chemisch-biologische Wasserqualität durch den Ausbau der Kläranlagen wieder besser geworden ist, bleiben die Strukturdefizite problematisch, die letztlich auch die Selbstreinigungskraft der Dalke mindern. Die Wasseramsel als empfindliche Vogelart, die auf saubere Gewässer angewiesen ist, ist erst in den letzten wenigen Jahren wieder verschwunden – die Ursache ist unklar, möglicherweise spielen unerkannte Einleitungen im Oberlauf eine Rolle.
Vertragsnaturschutz
Landwirte, Naturschutzbehörde und –verbände bemühen sich darum, den besonderen schutzwürdigen Charakter der „Großen Wiese“ durch eine angepasste schonende Bewirtschaftung zu erhalten. Instrumente dazu sind Flächentausch oder gegebenenfalls Kauf sowie die Angebote des Kulturlandschaftsprogramms des Kreises Gütersloh. Danach können mit finanzieller Unterstützung der EU, des Landes und des Kreises sogenannte Bewirtschaftungsverträge abgeschlossen werden, die bestimmte Einschränkungen für den Einzelfall enthalten (z.B. Beweidungsobergrenzen, Mahdtermine, Dünger- und Pestizidverzicht). Auf diese Weise unterstützt die öffentliche Hand eine am historischen Vorbild orientierte Wirtschaftsweise, die sich heute finanziell nicht mehr lohnen würde.
Kulturhistorische Besonderheiten
In einigen schon sehr früh als Grünland genutzten Bereichen haben sich die alten Flurgrenzen über Jahrhunderte nahezu unverändert erhalten und vermitteln noch heute einen Eindruck von der historischen Nutzung (z.B. in den Fluren Bornenwiese und Große Wiese). Diese Flurstücksgrenzen fallen durch Gräben und Baumreihen oder –hecken ins Auge, deren Verlauf sich noch an natürlichen Gegebenheiten (Boden-, Grundwasser- und Vorflutverhältnisse) und nicht an der heutigen Maschinentechnik orientierte.
Kulturhistorisch besonders interessant sind Flößwiesen, die in früheren Jahrhunderten zur Nährstoffanreicherung im Winterhalbjahr zeitweilig künstlich über Graben- und Stausysteme unter Wasser gesetzt wurden. Heute versucht das Naturschutzteam Gütersloh e.V., im Bereich des Hofes Kröning diese alte Nutzung nachzuahmen und die Bewässerungseinrichtungen hierfür wieder herzustellen.
Verhalten im Naturschutzgebiet
An der Landschaft im Naturschutzgebiet und ihrer reichhaltigen Pflanzen- und Tierwelt sollen sich auch noch unsere nachfolgenden Generationen erfreuen können. Daher werden auch alle Besucher gebeten, sich im Naturschutzgebiet rücksichtsvoll zu verhalten und zu beachten, dass die landwirtschaftlichen Flächen auch weiterhin die wirtschaftliche Grundlage der bäuerlichen Betriebe darstellen und überwiegend in Privatbesitz sind. Bitte bleiben Sie – ebenso wie auch Ihre vierbeinigen Begleiter – deshalb auf den Wegen! Weil sich die Tiere daran gewöhnt haben, gelingen Ihnen dort sicher schönere Beobachtungen als bei unerlaubten Streifzügen im Gelände.
Die folgende Bilder zeigen Ausschnitte aus dem Naturschutzgebiet Große Wiese im Spätsommer 2009. Ausführliche Informationen über die Pflanzen- und Tierwelt im Naturschutzgebiet Große Wiese finden Sie hier.
Niehorster Heide: Lebensraum für gefährdete Feldgrillen
Lackschwarz, ein wenig ins Smaragdgrüne changierend, sehr zart und sehr filigran: So elegant kommt sie zum Fototermin, für alle Beteiligten eher überraschend, denn sie ist sehr scheu.
Flink und für das Auge mit ihrem gut einen Zentimeter Größe kaum wahrzunehmen krabbelt die Feldgrillenlarve behände durch Gräser und Bodendecker auf dem Gelände am Mönkeweg in Gütersloh-Niehorst. Das Versteckspiel ist überlebensnotwendig: Die „Gryllus campestris“ – so ihr wissenschaftlicher Name, gehört inzwischen zu den äußerst seltenen, stark gefährdeten Grillenarten. An der Niehorster Heide ist sie nun in größerer Zahl wieder zu finden – auf einer rund 2,5 Hektar großen Ausgleichsfläche, die die Stadt Gütersloh 2008 erworben und vom Acker zu einem artenreichen Biotop umgestaltet hat.
Aus einer Ackerbrache ist in knapp 2 Jahren eine Naturfläche entstanden, die nun auf dem ursprünglichen lockeren Sandboden seltenen Pflanzen- und Tierarten ein Zuhause bietet. Der „Star“ unter Ihnen ist tatsächlich die Feldgrille, die ausgewachsen rund 5 Zentimeter misst. Bernhard Walter, Leiter der Biologischen Station Gütersloh/Bielefeld e.V. hat bei der Umgestaltung des Niehorster Areals eng mit der Stadt zusammengearbeitet und mit seinen Mitarbeitern die Entwicklung der Population aufmerksam verfolgt. In einem Aufsatz für die aktuelle Ausgabe der Fachzeitschrift „Berichte des Naturwissenschaftlichen Vereins für Bielefeld und Umgebung“ hat er das Vorkommen und die Bedeutung des scheuen Insekts ausführlich dokumentiert.
Danach zählt man auf den 2,5 Hektar inzwischen rund 250 so genannte „Balzhöhlen“ der Feldgrillen, die sich dem versierten Betrachter als winzige Sandaufschichtungen mit Eingangsloch präsentieren. Der Name ist Programm, denn vor der Balzhöhle kämpfen die Männchen um die Weibchen, bevor sich der Sieger mit Dame zwecks Vermehrung ins Dunkle zurückzieht. Die Paarungszeit reicht von Mai bis Juli und das recht markante Liebesgeflüster der Männchen kann in dieser Zeit vor allem in den späten Nachmittagsstunden als typisches Zirpen wahrgenommen werden. Die Larven schlüpfen im Sommer, im Gegensatz zu vielen anderen Arten gleich als winzige krabbelfähige Tierchen, die in ihren Höhlen dann überwintern. Ihr Vorhandensein zieht wiederum andere Tiere an, die auf der Liste der bedrohten Arten stehen. So ist laut Bernhard Walter inzwischen in Niehorst die seltene Heidelerche wieder nachgewiesen, auch die ebenso rare Turteltaube (es gibt sie tatsächlich und sie gurrt viel melodischer als das übliche Taubenvolk!) brütet hier. Für sie wiederum gehört – Kreislauf der Natur – die Feldgrille zum Nahrungsangebot.
Es ist der so genannte Sandmagerrasen, der diesen abwechslungsreichen Lebensraum bietet. Ähnlich gute Voraussetzungen finden die Feldgrillen in der Region nur noch auf dem Truppenübungsplatz in der Senne. Für Bernd Winkler, Leiter des städtischen Fachbereichs Grünflächen, und seinen Kollegen Helmut Barteldrees ist die Ansiedlung der seltenen Grillenart, die sich übrigens zu Fuß und nicht fliegend fortbewegt, ein Indiz für eine erfolgreiche Flächen-Renaturierung. Gerade die Zurückführung zur Natur von großen zusammenhängenden Flächen ist auch für Bernhard Walter ein wesentlicher Faktor, um Artenvielfalt zu fördern. Die Biologische Station hatte daher – unterstützt von der Umweltstiftung Gütersloh – schon 2006 ein fachliches Entwicklungskonzept für den Bereich der „Niehorster Heide“ entwickelt, das jetzt von der Stadt umgesetzt wurde.
Insgesamt weist die Stadt in diesem Bereich damit fast 20 Hektar Ausgleichsfläche aus – modellhaft, nicht nur für die Region. Die Wiederherrichtung der ursprünglichen Sandlandschaft ist eine Säule des städtischen Renaturierungsprogramms, die andere ist die naturgemäße Neugestaltung der Bachlandschaften, wie zum Beispiel an der Dalke im Bereich Pavenstädt geschehen.
- Bericht: Entwicklung nährstoffarmer Offenlandbiotope im Umfeld der "Niehorster Heide"Entwicklung-naehrstoffarmer-Offenlandbiotope-im-Umfeld-der-Niehorster-Heide.pdf4,12 MB
- Vorkommen der Feldgrille im Umfeld der Niehorster Heide, 2010GRUeNING-WALTER-2010_Feldgrille-Niehorst_NWV-Bericht-49.pdf1,91 MB
- Floristisches und faunistisches Monitoring in der Niehorster Heide, 2012Floristisches-und-faunistisches-Monitoring-Niehorster-Heide-2012.pdf2,40 MB
- Kompensationsflächen im Projektgebiet "Niehorster Heide", 2016Bericht_Niehorster_Heide_2016_neu.pdf5,40 MB
Lebensraum Heide
Die Heide ist keine Naturlandschaft, sondern eine Kulturlandschaft. Grundlage für diese Entwicklung ist sandiger Boden, der durch die Eiszeiten geschaffen wurde. Aber auch auf Sandboden entsteht im Laufe der Zeit ein Birken-Eichenwald.
Vor rund 1.000 Jahren war das Bild der Landwirtschaft durch Pflugbau auf Dauer-Ackerboden, vor allem aber durch die Viehwirtschaft geprägt. Dafür war man auf den Wald als Lieferant für Winterfutter und als Sommerweide (Waldhude) angewiesen. Daher wird diese Zeit auch mit den Namen „Waldviehbauerntum“ oder „Hudewaldbauerntum“ beschrieben.
Das stetige Bevölkerungswachstum bewirkte einerseits eine Zunahme der Hofstellen, andererseits wurde auch immer mehr Ackerland benötigt. Für das zusätzlich benötigte Ackerland wurden Waldflächen gerodet. Aber auch durch Viehverbiss wegen der immer noch betriebenen Großviehhude wurde der Wald weiter zurückgedrängt.
Der Ausweitung der Ackerflächen waren jedoch im damaligen Kreis Wiedenbrück Grenzen gesetzt. Große Flächen waren vernässt und damit als Ackerland ungeeignet. Auf den übrigen Flächen war daher eine Steigerung der Erträge nur durch eine verbesserte Düngung erreichbar. KAISER schreibt dazu: „Es entstand die Plaggenwirtschaft. Dazu stach man in den Gemeinheiten bewachsene Erdsoden, sogenannte Plaggen, vermengte diese mit Naturmist und brachte diesen Erddung auf die Äcker. Während sich die Äcker mit 60 bis 120 Zentimeter mächtigen Plaggebodenauflagen immer mehr anhoben, senkten sich die Abtragungsflächen ab und vernässten. Auf den völlig durchnässten Flächen siedelte sich die feuchte Heide, u.a. Glockenheide an, welche sich an die Trockenfeuchtgegensätze auf den Sandböden bestens anpassen konnte. Eine zunehmende Verheidung der Emssandebene setzte ein und erreichte im 18. Jahrhundert ihre maximale Ausprägung…“
Da Rinder und Schweine auf den Heideflächen keine ausreichende Nahrungsgrundlage fanden, gewann die Schafzucht im sogenannten Heidebauerntum immer mehr an Bedeutung. Die Schafe sorgten durch Verbiss auch dafür, dass es zu keiner neu einsetzenden Bewaldung kommen konnte.
Auf den durch Rodung und Plaggenstich freigelegten Flächen (teilweise auch auf den Heideflächen) nahmen Bodenabspülungen und Sandverwehungen zum Teil gewaltige Ausmaße an. In einigen Gegenden entstanden durch die Verwehungen große Sanddünen.
Darüber hinaus wurden auf den Heideflächen durch Niederschläge die restlichen noch im Boden verbliebenen Nährstoffe in tiefere Bodenschichten ausgeschwemmt, die dort eine feste und teilweise wasserundurchlässige Schicht (Ortstein) bildeten.
Um Nahrung für die weiterhin steigende Bevölkerungszahl zu schaffen, wurde ab Mitte des 19. Jahrhunderts damit begonnen, die Heideflächen für die Landwirtschaft urbar zu machen. Dafür musste die in 40 bis 80 Zentimeter Tiefe liegende Ortsteinschicht in mühevoller Arbeit aufgebrochen und an die Oberfläche geholt werden, wo sie alsbald zerfiel. Erst mit Erfindung des Dampfpfluges wurde die bis dahin mit Hacke und Spaten ausgeführte Arbeit deutlich erleichtert.
Auch in Gütersloh waren große Gebiete mit Heide bewachsen. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte Gütersloh den Beinamen Heidestadt. Nachdem in den 1920er/1930er Jahren die Schafzucht wegen mangelnder Rentabilität aufgegeben wurde, kehrte der Stieleichen-Birkenwald zurück und verdrängte die Heide. Einige Flächen wurden mit Kiefern aufgeforstet, der größte Teil der Heideflächen wurde jedoch in Acker- und Grünland umgewandelt. Durch den Einsatz von Kunstdünger gelang es, auch auf unseren kargen Sandböden ordentliche Erträge zu erwirtschaften. Von einigen Relikten abgesehen, ist die Heide heute fast vollständig aus dem Stadtgebiet verschwunden. Die besten noch einigermaßen intakten Heideflächen befinden sich auf dem Gelände des ehemaligen Nato-Tanklagers in Gütersloh-Niehorst.
Im Jahr 2012 hat die Biologische Station Gütersloh/Bielefeld e.V. ein umfangreiches faunistisches und floristisches Monitoring des Niehorster Heidegebietes erstellt:
„Dieser ausgedehnte Heide- und Sandmagerrasen-Komplex stellt heute einen der herausragendsten Lebensräume in Gütersloh dar und beherbergt eine große Zahl an landesweit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten. Von den hier anzutreffenden Pflanzen befinden sich 17 Arten der Roten Liste NRW und weitere 3 Arten der Vorwarnliste NRW.“
Die Brutvogel-Erfassung in der „Niehorster Heide“ wurde auf einer Fläche von 82 Hektar durchgeführt. Innerhalb des Untersuchungsgebietes befanden sich mehrere Flächen, auf denen in den letzten Jahren unterschiedliche Naturschutz-Maßnahmen durchgeführt wurden. Es handelt sich dabei um das ehemalige Nato-Tanklager und einen Freileitungsstreifen sowie um eine magere Grünlandfläche und 2 abgeschobene Ackerflächen, die Kompensationsflächen darstellen. Mit der Heidelerche und dem Baumpieper konnten 2 gefährdete Arten nachgewiesen werden, die für nährstoffarme Offenlandbiotope charakteristisch sind. Hier wird es auch künftig darauf ankommen, die Lebens- und Nahrungsgrundlage dieser inzwischen selten gewordenen Vogelarten zu erhalten und weiter zu optimieren.
Auf einer abgeschobenen Ackerfläche konnte erstmals seit vielen Jahren auch wieder die Ansiedlung eines Flussregenpfeifers nachgewiesen werden. Darüber hinaus konnten in dem von der Biologischen Station untersuchten Gebiet weitere Vogelarten als typische Bewohner der offenen und halboffenen Kulturlandschaft nachgewiesen werden, ferner die sandliebenden Pflanzenarten Borstgras, Dreizahn, Haferschmiele, Haar-Ginster, Berg-Sandknöpfchen oder Bauernsenf sowie ein hoher Bestand der Feldgrille und weiterer Heuschrecken und Schmetterlinge (Kleiner Feuerfalter, Dickkopffalter).
Quellen
- Umweltkalender 2008 (Verl, Versmold)
- Monographie des Kreises Wiedenbrück: Boden – Landschaft – Flora – Fauna, 1972
- Kaiser, Ansgar: Zur Geschichte der Ems, Veröffentlichungen aus dem Kreisarchiv Gütersloh, Reihe 1, Heft 1, 1993
- Biologische Station Gütersloh/Bielefeld e.V.: Floristisches und faunistisches Monitoring in der Niehorster Heide zur gezielten Planung künftiger Pflegemaßnahmen (Abschlussbericht), 2012
Sandlandschaften - ein besonderer Lebensraum
Gütersloh kann sich als Ausläufer der Sennelandschaft zwar nicht mit der "Streusandbüchse des Heiligen Römischen Reiches" [1] messen, aber setzt man den Naturraum des Ostmünsterlandes in Bezug zu Gesamt-NRW, so steckt in dem Bildvergleich ein wahres (Sand-)Korn. Jedenfalls finden sich hier und im Westmünsterland konzentriert die ausgedehntesten Sandlandschaften unseres Bundeslandes.
Eiszeitliche und nacheiszeitliche Sandablagerungen bilden das „Ausgangsgestein“ für die tausendjährige Entwicklung von Bodentypen, welche die Entfaltung der Natur und auch der (Land-)Wirtschaft entscheidend geprägt haben. Sie sind natürlicherweise recht nährstoffarm und in trockeneren Bereichen als Podsole [2], in grundwassernahen Bereichen als Gleye [3] ausgebildet. Gerade die trockenen Podsole mit ihrer eingeschwemmten Ortsteinschicht [4] sind wenig fruchtbar und erreichen nur bis zu 25 (von maximal möglichen 100) Bodenpunkte. Sie sind aber gerade wegen der extremen Umweltbedingungen für viele spezialisierte Pflanzen- und Tierarten ein unersetzlicher Lebensraum mit einer überraschend hohen Artenvielfalt und zählen daher zu den schutzwürdigen Böden in Nordrhein-Westfalen (NRW), die in hohem Maß besondere Funktionen im Naturhaushalt erfüllen.
Außerhalb von Ostdeutschland sind die Sandlandschaften in Deutschland gar nicht so häufig, wie man es als Bewohner einer derartigen Region, der sich an seine (sandreiche) Umgebung gewöhnt hat, vielleicht annehmen mag. Sie beschränken sich nämlich weitgehend auf die Geestlandschaften in Schleswig-Holstein und Niedersachsen, das nördliche NRW und in Süddeutschland auf eine kleine fränkische „Sandinsel“. Insofern ist der vor Ort oft verpönte Sand durchaus etwas Besonderes und birgt ein großes Potenzial für die Biologische Vielfalt. Besonders die offenen Heiden und Magerrasen, die durch menschliche Nutzungen aus den ursprünglichen Eichen-Birken-Wäldern entstanden sind, weisen eine große Vielfalt an Blütenpflanzen und Insekten auf, aber auch an niederen Pflanzen (Flechten, Moose, Pilze).
Im Biodiversitätsprogramm Gütersloh zählen die Relikte der „Gütersloher Heide“ zu den ausgewählten Lebensräumen, deren bedrohte biologische Vielfalt durch Leitprojekte besonders bewahrt oder gefördert werden soll. Nur noch an wenigen Standorten, meist auf ehemaligen Dünen bzw. Uferwällen aus der Nacheiszeit, finden sich Reste der früher in Gütersloh viel weiter verbreiteten Pflanzengesellschaften der silbergrasreichen lockeren Sandrasen, Borstgrasrasen und Zwergstrauchheiden. Einen sogar landesweit bedeutsamen Standort, sowohl hinsichtlich seiner Flächengröße, der Artenvielfalt und seines Erhaltungszustands, bilden große Teile des ehemaligen Flughafens, auf dessen Freiflächen magere, blüten- und insektenreiche Trockenrasen dominieren (vor allem Heidenelken-, Straußgras- und Silbergrasfluren). Ausgedehnte Zwergstrauchheiden existieren dagegen in Gütersloh nicht mehr, aber Heidesäume finden sich regelmäßig an sandigen Waldwegen oder auf Dünenresten. Ein ansehnliches Vorkommen liegt im ehemaligen NATO-Tanklager in Niehorst, in dessen Umfeld (Niehorster Heide) Zwergstrauchheiden durch Kompensationsmaßnahmen auf kommunalen Ausgleichsflächen derzeit wieder neu entstehen.
Von den Ackerwildkrautgesellschaften, die früher auf den sandigen Äckern weit verbreitet waren, existiert dagegen kaum noch etwas. Charakteristische Arten wie Lammkraut, Kornblume, Ackerspark oder Bauernsenf findet man auf den gut gedüngten und mit Pestiziden behandelten Getreideäckern nur noch ausnahmsweise. Das Lammkraut (auch Lämmersalat genannt) als namengebende Art der Lammkraut-Äcker ist inzwischen landesweit vom Aussterben bedroht und wurde in Gütersloh seit vielen Jahren nicht mehr nachgewiesen.
Der Wert der Sandlebensräume für die Biologische Vielfalt springt nicht sofort ins Auge, denn oft genug sind die typischen Arten eher klein und unscheinbar. Faszinierend sind jedoch ihre spezialisierten Anpassungen als „Hungerkünstler, Wassersparer, raffinierte Räuber und Verwandlungsmeister“ (A. Beulting). Viele stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Arten, die in anderen Biotopen keine zusagenden Lebensbedingungen finden.
Charakteristische Pflanzen der Sandheiden und Sandmagerrasen sind neben dem prägenden Heidekraut (auf Trockenstandorten Besenheide, in feuchten Lagen auch Glockenheide): Sand-Segge, Silbergras, Sand-Thymian, Berg-Sandglöckchen, Kleines Habichtskraut, Kleiner Sauerampfer, Bauernsenf, mehrere Ginsterarten, Frühlings-Spark und viele andere. Sie beherbergen eine besondere, oftmals auf die einzelnen Pflanzenarten spezialisierte Insektenfauna aus Blattfressern (allein auf der Besenheide z.B. Heidewanze, Heidekrautspanner, Heidekrauteule, Heideblattkäfer), Pflanzensaftsaugern (z.B. Ginsterzikade, Ginsterblattlaus), Pollen- und Nektarsammlern (z.B. Sandbienen, Hosenbiene) und Raubinsekten (z.B. Heidesichelwanze, Bienenwolf, Grab- und Wegwespen, Sandlaufkäfer, Ameisenlöwen oder verschiedene Spinnenarten). Zahlreiche Schmetterlinge, deren Raupen ebenfalls auf bestimmte Pflanzenarten angewiesen sind, kommen (bzw. kamen) typischerweise in Heiden und Magerrasen vor, wie Rostbinde, Mauerfuchs, Feuerfalter, Grasbär, Grüneule, Grünwidderchen, Purpurspanner, Purpureule, Kleines Nachtpfauenauge und viele andere. Weitere Spezialisten finden sich unter den Heuschrecken, z.B. Feldgrille, Heidegrashüpfer, Keulenschrecke und Ödlandschrecken. Unter den Wirbeltieren sind z.B. Heidelerche und Zauneidechse bemerkenswert, früher auch die inzwischen aus Gütersloh verschwundenen Vogelarten Schwarzkehlchen, Steinschmätzer, Ortolan, Ziegenmelker, Wiedehopf, Birkhuhn, Neuntöter, und unter den Amphibien die Kreuz- und die Knoblauchkröte.
Im „Gütersloher Artenkorb“ findet sich denn auch eine ganze Reihe von Tier- und Pflanzenarten, die vorrangig auf lockeren Sandböden leben. Unter den Pflanzen sind dies Bauernsenf, Berg-Sandglöckchen, Besenheide und Heidenelke, unter den Tieren Feldgrille, Ameisenjungfer, Bienenwolf, Hosenbiene und Sandbienen sowie die Heidelerche.
[1] alter Spottname für die Mark Brandenburg
[2] Saurer, quarzreicher Bodentyp, aus dem die Nährstoffe des lockeren Oberbodens weitgehend in den Unterboden ausgewaschen sind („Bleicherde“)
[3] Grundwasserböden mit mittlerer bis höherer natürlicher Nährstoffversorgung und grundwasserbedingt wechselnden oxidierenden und reduzierenden Horizonten
[4] Harte Anreicherungsschicht im Unterboden mit ausgefällten Eisen-, Aluminium- oder Humusverbindungen